Nicolas Drechsler

«Das Fach Infektiologie bleibt spannend»

Prof. Nina Khanna Gremmelmaier ist Ärztin, Infektiologin, Professorin, Forscherin, Mutter, Ehefrau, Empfängerin eines grossen Forschungs-Grants und Trägerin des Wissenschaftspreises des Kantons Basel-Stadt. Viele gute Gründe für ein Interview mit der Leiterin Transplantationsinfektiologie am Universitätsspital Basel.

Nina Khanna, Sie haben im August 2019 den Wissenschaftspreis des Kantons Basel-Stadt bekommen. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
Diese Auszeichnung bedeutet Anerkennung für meine Forschungstätigkeit. Im Weiteren motiviert sie mich dazu, weiterzumachen und meine Ziele zu verfolgen. Ich habe mit dieser Auszeichnung nicht gerechnet. Als der Anruf von der Staatskanzlei kam, war ich leicht überfordert und glaubte zunächst an einen Irrtum.
Kommen wir zuerst auf die Corona-Pandemie zu sprechen. Wie hat sie Ihre Arbeit beeinflusst?
Unsere gesamte Klinik, die Infektiologie & Spitalhygiene, war von einem auf den anderen Tag mit COVID-19 beschäftigt. Wir haben sofort ein COVID-Betreuungsteam aufgebaut, dessen Hauptaufgaben darin bestand, Therapie-Empfehlungen zu geben.
Sie mussten alles stehen und liegen lassen?
Ja. Die Dynamik war nicht abschätzbar und wir mussten uns ständig mit neuen Publikationen und Erfahrungsberichten von anderen Ländern und Spitälern auseinandersetzen und diese – je nachdem – auch umsetzen.
An was forschen Sie derzeit?
Nun, an meinen Projekten konnte ich wegen COVID-19 nicht weiterforschen. Wir haben aber einige spannende klinische Projekte im Rahmen von COVID-19 aufgebaut, beispielsweise die Plasmatherapie gemeinsam mit dem Blutspendezentrum.
Was ist denn Ihr eigentlicher Forschungsschwerpunkt?
Seit meiner Dissertation interessiere ich mich für neue antimikrobielle Therapiekonzepte, insbesondere bei Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, zunächst im Gebiet von HIV/AIDS und dann im Rahmen der Transplantation. Diese Patienten sind aufgrund des eingeschränkten Abwehrsystems anfällig für wiederkehrende Infekte. Medikamente können zwar den Infekt kurzzeitig kontrollieren, aber die Ursache – das geschwächte Immunsystem – wird dabei nicht angegangen. Durch die Gabe Virus-spezifischer T-Zell-Therapien kann man das Immunsystem direkt verbessern und die Infekte bekämpfen. Wir haben in Basel als erstes Zentrum in der Schweiz im Jahr 2015 Zelltherapien gegen virale Infekte etabliert. Im Weiteren interessiere ich mich für persistierende bakterielle Biofilm-assoziierte Infekte, Infekte zum Beispiel von Gelenkprothesen und Herzkunstklappen, welche meist durch Staphylokokken verursacht werden. Wir testen und erarbeiten neue Konzepte gegen diese Infektionen. Ziel meiner Forschung ist es, klinische Fragestellungen im Labor näher oder besser zu verstehen, neue Strategien zu entwickeln und diese dann wieder beim Patienten einzusetzen.
Ist denn die Arbeit in der Forschung einsamer als die in der Klinik?
In der Klinik ist die Anerkennung sicher direkter vorhanden. Es ist mir sehr wichtig, dass ich beides habe, Klinik und Forschung. Forschung kann sehr frustrierend sein. Zum Beispiel, wenn man nicht das erreicht, was man erreichen wollte. Es kann sein, dass man monatelang nicht weiterkommt und dennoch nicht resignieren darf, sondern im Gegenteil neue, kreative Ansätze suchen muss.
Sie forschen in der Infektiologie, ist das nicht sowieso enorm frustrierend? Da gibt es schon so viele Krankheiten und dann kommen noch ständig neue dazu. Oder ist das gerade das Spannende?
Das Zweite! Das Fach ist sehr spannend, weil es so vielfältig ist. Wir sehen Patienten jeden Alters, mit unterschiedlichen Begleiterkrankungen. Unsere Klinik ist bei praktisch allen Patientengruppen beteiligt.
Was ist das Traumszenario?
Dass wir antimikrobielle Substanzen mit neuem Wirkmechanismus finden – dies gemeinsam mit meinem Team. Diese Substanzen würde ich gerne auch in einer kleinen Patienten-Kohorte prüfen. Betreffend Strategie kommen einige infrage; beispielsweise small molecules, anti-Virulenzstrategien, Bakteriophagen oder zelluläre Therapien
Und was ist Ihr Fernziel?
Ich arbeite nicht auf ein ganz bestimmtes Ziel hin. Ich wünsche mir, dass mir meine Arbeit weiterhin Spass macht, dann wird sich schon etwas Gutes ergeben. Was mich antreibt, ist die Neugier, Dinge zu verstehen. Ich finde es toll, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, in einem Team, das etwas zusammen erreichen will und kann. Ich mag keinen Stillstand, das ist mir wichtig.
Sie sind dem Haus treu, warum?
Ich habe 1999 meine Dissertation bei Prof. Manuel Battegay geschrieben. Seither hat er mich gefördert. Ich habe das Haus mehrfach verlassen, zum Beispiel als ich auf die Pädiatrie Zürich/Baden ging oder für den Postdoc in Würzburg, aber bin immer wieder zurückgekehrt. Ich bin hier zu Hause. Auf der Infektiologie und im Forschungslabor haben wir ein sehr gutes Team. Wir pflegen eine offene Kommunikation, was auch von unserem Chefarzt gefördert wird.
Sie erleben also gute Führung, was nehmen Sie davon mit und was geben Sie weiter?
Was mir am meisten geholfen hat, ist das andauernde Mentoring. Ich finde es wichtig, nicht nur die grossen fernen Ziele zu besprechen, sondern auch die kleinen Etappen. Die Unterstützung, die jemand braucht, variiert auch je nach Erfahrung. Offene Türen sind wichtig, ob in der Klinik oder in der Forschung.
Das von Ihnen mitverantwortete Projekt NCCR AntiResist erhält vom Schweizerischen Nationalfonds in den nächsten Jahren zweistellige Millionenbeträge. Was gibt es in diesem Zusammenhang zu tun?
Der NFS AntiResist wird in Zusammenarbeit mit Forschenden der Departemente Biozentrum und Biomedizin sowie dem Universitätsspital Basel und dem Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel ein interdisziplinäres Zentrum für Antibiotikaforschung aufbauen. Ziel ist die Suche nach neuen Antibiotika und die Entwicklung alternativer Strategien zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Keime. Dabei soll die Grundlagenforschung direkt mit der klinischen Forschung verbunden werden. Zu Beginn wollen wir die Eigenschaften der Bakterien im Patienten untersuchen. Bisher wurden zur Entwicklung neuer Antibiotika nur Eigenschaften bereits kultivierter Bakterien verwendet. In diesem Forschungsprojekt möchten wir identifizieren, in welcher Umgebung sich Bakterien während der Infektion befinden und ob wir eventuell neue Angriffsorte für Therapien finden können. Wir haben gerade zu Beginn eine wichtige Rolle, um die Samples zu beschaffen. Es ist schön, dass wir eine vor Jahren gestartete Zusammenarbeit mit den Infektionsbiologen aus dem Biozentrum und dem Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel nun vorantreiben können. Das gibt mir einen neuen Weitblick. Handkehrum weiss ich noch nicht, ob wir in vier oder gar in zwölf Jahren die angestrebten Ziele erreichen werden. Für mich persönlich heisst es, mich zu organisieren, zu schauen, dass ich trotz allem noch genügend Zeit für Klinik und laufende Projekte habe.

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