Text von Martina Rutschmann

«Eine Kontamination mit Keimen zu verhindern, ist eine Kunst»

Als Herstellungsleiter bei der Spital-Pharmazie stellt Uli Lösch mit seinem Team rund 20‘000 Chargen Arzneimittel jährlich her. Während der Pandemie entlastete die Abteilung die Stationen mit zusätzlichen Eigenprodukten. Viel Arbeit hat die Spital-Pharmazie auch in normalen Zeiten.

Herr Lösch, die Dichte an Pharmaunternehmen ist kaum irgendwo so hoch wie in Basel. Trotzdem muss die Spital-Pharmazie Medikamente herstellen. Warum?

Wir kompensieren eine Lücke, welche die Pharmaindustrie nicht füllt, indem wir Medikamente produzieren, die am Markt nicht erhältlich sind. Das sind Produkte, die zum Beispiel eine sehr kurze Haltbarkeit haben. In der Pharmaindustrie ist eine Mindesthaltbarkeit von zwei Jahren oft unerlässlich. Wir stellen beispielsweise sehr sensible, aber für die Therapie erforderliche Antibiotika zur Verfügung, die schon nach wenigen Wochen verfallen.

In welchen Bereichen setzt das Unispital Basel eigene Medikamente ein?

Wir beliefern unter anderem den pädiatrischen Bereich mit einem sehr grossen Spektrum unserer Eigenprodukte, da dieser Sektor von der Pharmaindustrie leider wenig bedient wird. Manche Schmerzmittel, Diuretika oder Antiepileptika wurden besonders in der Vergangenheit oft von der Behörde gar nicht erst für die Anwendung bei Kindern zugelassen, da die entsprechenden Arzneimittelstudien in den benötigten Dosierungen die Kosten extrem in die Höhe getrieben hätten.

Wollte die Pharmaindustrie schon einmal ein Präparat aus Ihrem Haus in ihr Sortiment aufnehmen?

Es gab schon Anfragen, etwa bei einem Unitdose-Nasenspray, einem Hightech- Produkt. Und wenn am Markt eine Stockout-Situation eintritt, es also keine Vorräte mehr gibt, können wir diese mit unseren Präparaten kompensieren.

Inwiefern hat die Pandemie Ihre Arbeit tangiert?

In der ersten Welle mussten wir sehr viele Desinfektionsmittel abfüllen. Zudem gab es Stockouts zu bewältigen. Wir stellen zur Entlastung der Intensivstationen immer noch Infusionsspritzen her.

Wie funktioniert der Prozess, bis ein Medikament entsteht? Geben Sie uns bitte ein Beispiel.

Bei der Herstellung fester Arzneiformen wie Tabletten, Dragees oder Kapseln wird der Wirkstoff mit einem Hilfsstoff verdünnt. Wir bringen die Stoffe zusammen und verteilen die Mischung auf einem Kapselbrett. Die dort aufgereihten Gelatinekapseln werden gefüllt, geschlossen und gewogen. Alternativ können wir das Pulver auf eine Tablettenpresse geben.

Wie stellen Sie sicher, dass keine Keime in die Medikamente eindringen?

Eine Keimkontamination zu verhindern, ist eine Kunst! Wir haben sehr hohe Hygienestandards einzuhalten. Dazu gehört ein aufwendiges Umkleideprozedere. Die Kleidung muss den Körper komplett bedecken. Beim Anziehen der Reinraumanzüge ist Detailwissen über die genauen Berührungspunkte gefragt. Der Mensch trägt etwa ein Kilo Keime auf sich, die ein Produkt kontaminieren könnten.

Welche Trends gibt es bei der manuellen Medikamentenherstellung?

Die Massenherstellung verschiebt sich in Richtung personalisierte Medizin, sodass ein Medikament an die Patientin, den Patienten und deren Anforderungen angepasst werden kann.

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