Text von Bettina Studer
Eine Nacht in der Notfallapotheke
Zäpfchen fürs kranke Kind, Schmerztabletten, Corona- Tests und Kondome: Nachts geht allerlei über den Ladentisch der Notfall-Apotheke am Petersgraben. Wann immer es an der Türe klingelt, sind die Apothekerinnen mit Rat und Tat zur Stelle.
Es ist ein lauer Freitagabend im September. Die Läden in Basel haben längst geschlossen, in der Notfall-Apotheke hingegen brennt Licht. Hier gibt es keinen Feierabend; wer gesundheitliche Probleme hat, bekommt rund um die Uhr Hilfe – jeden Tag und jede Nacht ohne Ausnahme.
Noch sind Apothekerin Franziska Ankli und Pharma-Assistentin Vanessa Salathe im Dienst, sie haben Spätschicht. Es ist ungewöhnlich ruhig, kaum jemand betritt die Apotheke. «Das kann sich schnell ändern», sagt Franziska Ankli und tatsächlich steht kurz darauf eine junge Frau etwas atemlos an der Theke. Sie erkundigt sich nach Hustensirup für ihr knapp zweijähriges Kind. «Wie klingt der Husten?», fragt die Apothekerin. «Ist er trocken oder löst sich Schleim?» Die Frau zögert einen Moment und antwortet dann, da löse sich schon etwas. Franziska Ankli betont, in diesem Fall sei es wichtig, den Husten nicht zu dämpfen. «Versuchen Sie es doch vorerst ohne Medikamente», sagt sie und reicht der Frau einen Zettel mit entsprechenden Tipps. Die besorgte Mutter nickt, kauft dann sicherheitshalber aber doch ein Medikament – für den Notfall, wie sie meint.
Inzwischen ist Nacht-Apothekerin Miriam Münch eingetroffen. Bis am nächsten Morgen um acht Uhr hält sie nun die Stellung. Rasch tauscht sie sich mit ihren Kolleginnen aus, wirft einen Blick auf das Tagesjournal, um zu sehen, was alles gelaufen ist und kümmert sich dann bereits um ihren ersten Kunden. Der Mann verlangt nach Kopfschmerztabletten, ein unkomplizierter Fall.
Kurz nach 22 Uhr verabschiedet sich Apothekerin Ankli. Ihre Schicht ist vorbei. Eine Stunde später packt auch Pharma- Assistentin Vanessa Salathe ihre Sachen zusammen. Nun ist Miriam Münch allein in der Apotheke (Bild rechts). Angst habe sie nie, sagt sie: «In der Nacht ist die Eingangstüre ja geschlossen. Wenn jemand davorsteht, der mir nicht ganz geheuer ist, öffne ich zuerst nur das Fenster, aber das kommt selten vor», erzählt sie. Tatsächlich sind jene, die in den nächsten Stunden an der Tür der Notfall-Apotheke klingeln, alles andere als furchteinflössend. Viele von ihnen kommen vom Notfall des Universitätsspitals vis-à-vis, um ein Medikament zu holen; auch eine junge Frau mit Gürtelrose im Gesicht. Miriam Münch prüft das Rezept, holt die gewünschte Schachtel aus einer der zahlreichen Schubladen und wünscht gute Besserung. «Danke», erwidert die Frau, «das kann ich wirklich gut gebrauchen».
Alles andere als krank wirkt jener Taxifahrer, der kurz nach ein Uhr die Apotheke betritt. Er habe einen speziellen Auftrag, sagt er betont lässig. Er hält der Apothekerin sein Smartphone vors Gesicht, beugt sich über den Ladentisch, zeigt aufs Display und murmelt: «Ich brauche solche Kondome.» «Die sind gleich hinter Ihnen», erwidert Miriam Münch fröhlich. Der Taxifahrer schnappt sich eine Packung, bezahlt, verlangt nach der Quittung und hastet zur Tür hinaus. Die Apothekerin lacht: «Der war ganz schön verlegen», meint sie.
Danach bleibt es ruhig, niemand klingelt mehr an der Tür. Miriam Münch beginnt damit, eine Medikamentenlieferung auszupacken. «Etwas Bewegung tut gut», sagt sie, «es hilft beim Wachbleiben.» Wenn die Müdigkeit zu gross werde, lege sie sich auch mal hin, erzählt sie: «Spätestens dann, wenn die Putzfrau am frühen Morgen kommt, ist es Zeit aufzustehen. »
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