Text von E. Degen, N. Gygli, A. Leuppi-Taegtmeyer und R. Schwendimann

Mit Medikamenten therapieren – da ist volle Aufmerksamkeit gefragt

Am Universitätsspital Basel werden jährlich gegen vier Millionen Medikamente verabreicht. Fehler passieren, bleiben aber für die Patientinnen und Patienten meist ohne negative Folgen. Dennoch können Verwechslungen oder falsche Dosierungen Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten haben. Darum arbeitet das Melde- und Lernsystem CIRS (Critical Incident Reporting System) mögliche Schwachstellen heraus.

Die Pflegefachfrau Laura T.* kümmert sich gemeinsam mit dem Fachmann Gesundheit Norbert R.* um sieben Patientinnen und Patienten. Beim Medikamentenschrank holt Laura die Schmerztabletten von Herrn Müller sowie für Herrn Meyer ein Medikament gegen Übelkeit. Beide Patienten liegen im selben Zimmer. In Gedanken bereits im nächsten Patientenzimmer, stellt Laura die Medikamente auf die Nachttische von Herrn Müller und Herrn Meyer. Misstrauisch meldet sich Herr Meyer und sagt, die Tablette in seinem Becher sei ihm nicht bekannt. Erschrocken stellt Laura fest, dass sie die beiden Medikamente vertauscht hat.

Solche und ähnliche Situationen ereignen sich tagtäglich in Schweizer Spitälern. Am USB werden jeden Tag tausende Medikamente verordnet, bereitgestellt und verabreicht (mehr Infos in der Wissens- Box auf der nächsten Seite). Neben Patientinnen und Patienten sind mehrere Fachpersonen mit unterschiedlichen Berufen in diesen Prozess involviert.

Der Medikationsprozess birgt Risiken, wie ein Blick ins Melde- und Lernsystem CIRS zeigt: Von den 577 gemeldeten kritischen Ereignissen im Jahr 2020 waren 154 sogenannte Medikationsfehler. Das sind rund 30 Prozent. Auffallend ist, dass sämtliche Schritte des Medikationsprozesses betroffen waren. Ausserdem wurden eine oder mehrere der sogenannten 6-R-Regeln beinahe oder tatsächlich verletzt:

– Richtige Patientin, richtiger Patient

– Richtiges Medikament

– Richtige Verabreichungsform

– Richtige Dosierung

– Richtiger Zeitpunkt

Bei den meisten der gemeldeten Medikationsfehler sind die Ursachen nicht bekannt. Bekannte Gründe sind, wenn nicht kontrolliert respektive die Medikamentenabgabe nicht mit der Dokumentation abgeglichen wird.

Betroffene Prozessschritte in Prozent
(N=154 Medikationsfehler)


Anzahl Ursachen für Medikationsfehler
N=178 (Mehrfachnennungen)



«Hohe Arbeitsbelastung und Stress sind Risikofaktoren für den sicheren Medikationsprozess»
Warum weichen die Fachpersonen von der 6-R-Regel ab? Wenn viel Arbeit ansteht, werden Medikamente manchmal verabreicht, ohne vorher noch einen Blick in die Dokumentation zu werfen. So bleiben kurzfristige Änderungen in der Medikation, Rechenfehler oder falsche Dosierungen unentdeckt. Einen sicheren Medikationsprozess zu gewährleisten, ist und bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Gerade Medienbrüche, wenn zum Beispiel kein Datenaustausch zwischen zwei Klinikinformationssystemen möglich ist, stellen eine potenziell vermeidbare Gefahr dar.

Hier kann CIRS@USB die Fachleute unterstützen: als anonymes Meldeportal, mit Fällen, die kontinuierlich aufgearbeitet werden, mit Rückmeldungen und Empfehlungen, wie Prozesse verbessert werden können. So konnten in den vergangenen Jahren bedeutsame Probleme behoben werden, wie beispielsweise der CIRS-Alert 2020 zeigt: Spritzenverwechslung – wenn ein falsches Medikament injiziert wird. Im klinischen Alltag bleiben aber Aufmerksamkeit, Know-how sowie Kommunikation und Koordination zwischen den Fachpersonen sowie die Arbeitsprozesse unterstützende Klinikinformationssysteme entscheidend für den Erfolg. Hierbei zeigt sich: Trotz der bekannten Herausforderungen werden am USB täglich tausende Medikamente korrekt verordnet und verabreicht.


* Namen frei erfunden

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