Rolf Zenklusen
Still, aber unverzichtbar
Die meisten Patientinnen und Patienten reden nicht mit ihr, sind aber trotzdem dankbar dafür, dass sie da ist. Zu Besuch auf der Nachtschicht der Überwachungsstudentin Marina Nikitina.
Marina Nikitina sitzt in einem Patientenzimmer und lauscht den regelmässigen Atemzügen einer Patientin. Es ist mitten in der Nacht. Die Medizinstudentin leistet Nachtdienst als Kontinuierliche Betreuungsperson, früher «Sitzwache» genannt. Wenn die Patientinnen und Patienten ruhig sind, darf sie etwas lesen, das Zimmer aber nicht verlassen. «Die Aufmerksamkeit muss zu jeder Zeit gewährleistet sein», erzählt die 24-Jährige. Am häufigsten betreut Marina Nikitina Demenzkranke. Schwierig wird es, wenn jemand ständig nach Hilfe ruft, Katheter, Magensonde oder Infusionen wegreissen oder aus dem Bett steigen will. «Da fallen manchmal auch unschöne Wörter. Ich musste zuerst lernen, damit umzugehen», sagt sie. Bei unruhigen Patientinnen und Patienten hilft es manchmal, ihnen gut zuzureden, ihnen die Hand zu halten oder ein Radio leise laufen zu lassen. Wenn es nicht anders geht, kann die Überwachungsstudentin die Glocke betätigen. Dann helfen die Pflegefachkräfte weiter.
Rohkost und Joghurt helfen durch die Nacht
Die Nachtschicht dauert von 23.00 bis 7.15 Uhr, unterbrochen von einer halben Stunde Pause. Marina Nikitina arbeitet gern in der Nacht, am liebsten mehrmals hintereinander. «So komme ich am besten in den Rhythmus», erzählt sie. In der wohlverdienten Pause isst sie Rohkost und Joghurt und trinkt Saft. «Das hat sich am besten bewährt.» Wenn es langweilig wird, lernt sie fürs Studium. Um wach zu bleiben, trinkt sie Kaffee. Oder öffnet kurz ein Fenster, schnappt frische Luft und geht im Zimmer herum. «Ich bin ein eher nachtaktiver Mensch. Das hilft mir natürlich», sagt sie lachend. Dass sie selber entscheiden kann, wann sie arbeiten möchte, schätzt sie am Arbeitgeber USB. Und natürlich ist der Verdienst einer Studentin willkommen. Vor drei Jahren hat Marina Nikitina im Rahmen eines Pflegepraktikums erste Einblicke in die pflegerischen Tätigkeiten am USB bekommen. Das hilft ihr jetzt beim Medizinstudium. Vor allem im Umgang mit dementen Menschen hat sie als Überwachungsstudentin seither vieles dazu gelernt, was ihr später als Ärztin nützen kann. «Danke, dass Sie mir helfen», hört Marina Nikitina eher selten von den Patientinnen und Patienten. Die meisten reden nicht mit ihr, weil sie es nicht können oder nicht wollen. Und doch spürt sie, dass ihre Anwesenheit geschätzt wird. Das hilft ihr bei den langen Nächten im Unispital Basel.
Eine Basler Erfindung
Professor Felix Harder, 1983 bis 2001 Dekan der Medizinischen Fakultät Basel, setzte sich in den frühen 1980er-Jahren dafür ein, dass Medizinstudentinnen und -studenten am USB als sogenannte Sitzwachen eingestellt wurden. Sie verdienen neben dem Studium Geld und bekommen gleichzeitig einen Einblick in den Klinikalltag. Ausserdem werden so kurzfristige Engpässe beim Personal abgedeckt und die Pflegefachpersonen entlastet.
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