Editorial

5G-Netz

Nun ja, das 5G-Netz verspricht mehr Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit. So weit, so gut. Derweil häufen sich Stimmen, die das Entschleunigen empfehlen und davor warnen, das Leben nur auf Leistung auszurichten. Letzteres könne krank machen. Die 5G-Zuverlässigkeit lasse ich mir jedoch gefallen, insbesondere diejenige von Mensch zu Mensch.

In einer Krankheitssituation wünsche ich mir, dass ich schnell weiss, woran ich bin. Es stärkt mein Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Fachpersonen, die sich meiner im Krankheitsprozess annehmen, wenn zuverlässige Ergebnisse und ein auf mich zugeschnittener Behandlungsplan nach kurzer Zeit vorliegen. Das ist umso wichtiger, weil ich vielleicht von einem Tag auf den anderen nicht mehr so schnell und leistungsfähig im Leben stehe wie bis anhin, sondern angeschlagen oder eingeschränkt bin.

Erfahren Sie im Titelthema, was die Palliative Care in unserem Spital für schwer kranke Patientinnen und Patienten leistet und mit welchem Ansinnen ein interprofessionelles Team diese Aufgabe erfüllt. Ein kleines Paradies mit Heilwirkung findet ein an Knochenmarkkrebs erkrankter Patient und spürt dort, dass sein tief verwurzeltes Leistungsdenken revidiert werden müsste (Seite 10). «Es fällt mir schwer, Worte zu finden ...», das sagt eine Patientin vier Jahre nach der Diagnose Gebärmutterkrebs in der Pflegeberatung der gynäkologischen Onkologie. Dort ist Raum für sensible Themen. Den Beitrag finden Sie auf den Seiten 20–21.


5Gs wünsche ich Ihnen: 5 Mal «G» wie Gesundheit und ein Mensch-zu-Mensch-Netzwerk, das Sie schnell und zuverlässig auffängt.


Ihre Gina Hillbert


Raum für

sensible Themen

Standardmässig erhalten alle Patientinnen eine Schulung bezüglich Nachsorge der Haut im Genitalbereich. Die Pflegeexpertin APN, Catherine Gassmann, leitet die Patientinnen an,wie sie mittels Dehnungsstäben der Verengung der Scheide entgegenwirken können.

Standardmässig erhalten alle Patientinnen eine Schulung bezüglich Nachsorge der Haut im Genitalbereich. Die Pflegeexpertin APN, Catherine Gassmann, leitet die Patientinnen an,wie sie mittels Dehnungsstäben der Verengung der Scheide entgegenwirken können.

«Es fällt mir schwer, Worte zu finden für das, was mir widerfahren ist.» So drückt sich Frau M., Patientin der Gynäkologischen Onkologie, im Pflegeberatungsgespräch aus. Die 64-Jährige erhielt vor vier Jahren die Diagnose Gebärmutterkrebs. Ein Schock für sie.

Die Ungewissheit

«Krebs! Muss ich jetzt sterben?», sei ihr damals als Erstes durch den Kopf gegangen. Vier Jahre später blickt Frau M. im Gespräch mit der Pflegeexpertin auf die Zeit der Operation und auf die anschliessende Bestrahlung zurück. Retrospektiv betrachtet sei es ganz gut gegangen und sie habe nicht stark unter Nebenwirkungen gelitten. Sie berichtet zudem in der Sprechstunde, dass die körperlichen Beschwerden im Laufe der Zeit abgenommen hätten, gewachsen seien jedoch die Zukunftssorgen. Sie beschäftige sich gedanklich oft mit der Ungewissheit des Krankheitsverlaufs: Was kommt auf mich zu? Kommt der Krebs zurück? Werde ich inkontinent werden? Trotz der Gewissheit durch die regelmässigen Kontrollen, dass die Situation momentan stabil sei, beschäftigt sie doch auch die Angst, etwas zu unterlassen und zu verpassen.

Die 45-jährige Patientin Frau W. kommt mit einem anderen Thema in die Pflegeberatung. Sie ist in Begleitung ihres Partners und berichtet einen Monat nach Abschluss der Bestrahlung von einem inwendigen Brennen und innerlichem Schmerz. Die Wiederaufnahme sexueller Aktivität ist von beiden erwünscht, Frau W. kann sich aber nicht vorstellen, jemals wieder «da unten» berührt zu werden. Sie ist aber motiviert, mit den Dehnungsstäben – im Sinne einer Beckenbodenübung – ein Training aufzunehmen. Anfänglich fällt es ihr schwer, die Stäbe zu benutzen. Sie hat Angst, sich intravaginale Verletzungen zuzufügen. Eine Liste mit Warnzeichen hilft, diese Ängste abzubauen. Einige Monate danach berichtet sie, dass sie den Geschlechtsverkehr wiederaufnehmen konnten. Viele Ängste und Unsicherheiten seien durch die Übungen mit den Dehnungsstäben verschwunden. Es sei zwar nicht mehr gleich wie vor der Krebserkrankung, aber ihr Partner und sie hätten andere Möglichkeiten gefunden, Sexualität und Intimität zu leben.

Beide Patientinnen leiden unter den Auswirkungen ihrer Krebserkrankung. Sie mögen unterschiedlich sein und auch unterschiedliche Fragen in den Raum stellen. In der spezialisierten gynäkologisch-onkologischen Pflegeberatung haben alle Themen, auch die sensiblen, Platz.

Sensible Themen ganz individuell

Zu den Spätkomplikationen von Patientinnen mit einer gynäkologischen Krebserkrankung gehören beispielsweise Verengungen und Verkürzungen der Scheide durch eine innerliche Narbenbildung. Spätkomplikationen dieser Art sind nicht rückgängig zu machen und können ohne weitere Massnahmen fortschreiten. Erkrankungen in der weiblichen Genitalzone wirken sich auf das körperliche Erleben aus, auf die weibliche Identität und die Sexualität. Meistens treten diese Phänomene erst nach Abschluss der Behandlung sukzessive auf. Zentrale Themen dieser Frauen sind daher das Leben im Spannungsfeld zwischen Hoffnung, Angst vor Rezidiv, persönlicher Reife durch das Erlebte sowie das Leben in einem veränderten weiblichen Körper.

Pflegerische Begleitung – wichtiger Part der Tumornachsorge

Seit 2017 ist eine spezialisierte gynäkologisch-onkologische Pflegeberatung Teil des unterstützenden Angebots im Gynäkologischen Tumorzentrum des Universitätsspitals Basel. Hierbei liegt der Fokus auf Patientinnen mit einer gynäkologischen Krebserkrankung in, während und nach einer Bestrahlung. Bei den unerwünschten Wirkungen einer Bestrahlung unterscheidet man zwischen akuten Symptomen und Spätkomplikationen. Nach Abschluss der Krebstherapie erfolgen regelmässige Kontrollen in der ärztlichen Sprechstunde, bei denen es im Wesentlichen um das Rezidiv-Monitoring und um die Erfassung von Spätkomplikationen geht, die sogenannte Tumornachsorge. Dabei setzt sich das Angebot der gynäkologisch-onkologischen Pflegeberatung intensiv fort. Patientinnen, welche eine Bestrahlung gehabt haben, werden von der ärztlichen Sprechstunde an die Pflegeexpertin APN zugewiesen. Die erste Beratung dauert etwa eine Stunde. Themen, Fragen, Probleme und Anliegen der Patientin werden in einem Gespräch erfasst, ein Handlungsplan wird gemeinsam erstellt. Weitere persönliche Beratungstermine können in Anspruch genommen werden, eine telefonische Nachbetreuung und damit Ansprechbarkeit ist ebenfalls Teil des Angebots.

Auf Sexualität ansprechen, aber wie?

Aus Studien ist bekannt, dass zwei Drittel der überlebenden Frauen nach einer gynäkologischen Krebserkrankung Beeinträchtigungen ihrer Sexualität erleiden. Bestrahlungen im weiblichen Becken erhöhen dieses Risiko. Sexualität kann manchmal ein Tabuthema sein, über das sich im Kontext einer Erkrankung nicht so leicht sprechen lässt. Barrieren wie Scham- oder Angstgefühle vonseiten der Patientinnen, aber auch deren Partner, wie auch die Unsicherheit hinsichtlich Tabuthemen bei Fachpersonen, dass sie nicht die richtige Antwort auf sensible Fragen wissen, verhindern manchmal Gespräche über sensible, intime Themen. Fester Bestandteil der Pflegeberatung ist deshalb immer das niederschwellige Ansprechen von Themen der Sexualität mit einer offenen Screeningfrage: «Es ist normal, dass sich die sexuellen Gefühle und Empfindungen nach einer Krebserkrankung verändern können. Ist dies ein Thema, worüber Sie gerne mit mir sprechen möchten?» Auf diese Weise erhält die Patientin die Möglichkeit, sensible Anliegen zu thematisieren. In der Pflegeberatung erhalten alle Patientinnen standardmässig eine Schulung bezüglich Nachsorge der Haut im Genitalbereich. Sie werden angeleitet, wie sie beispielsweise einer zunehmenden Verengung der Scheide entgegenwirken können.

Ein Angebot von vielen

Im Gynäkologischen Tumorzentrum werden Patientinnen und ihre Angehörigen während des gesamten Behandlungsprozesses von verschiedenen Fachpersonen betreut; je nachdem, welche Bedürfnisse und Probleme im Vordergrund stehen. Das hier beschriebene Angebot der Pflegeberatung ist ein niederschwelliges Angebot und verfolgt nebst dem Screening verschiedener Symptome einen salutogenetischen und präventiven Ansatz, um Frauen bei der Wiedererlangung ihres Körperbildes und -empfindens zu begleiten und zu bestärken. Es handelt sich um ein Angebot aus der breiten Angebotspalette des Gynäkologischen Tumorzentrums.



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