Ausser Atem kommen
für Menschen, denen das Atmen schwer fällt
Atemnot kennt zahlreiche Ursachen, meist harmlose wie bei körperlicher Anstrengung. Ordentlich ausser Atem kam eine Pflegefachfrau der Chirurgie 4.1 beim Besteigen des Kilimandscharo. Diese Erfahrung lässt sie nachempfinden, wie sich mitunter Atemzüge bei Menschen mit Cystischer Fibrose (CF) anfühlen müssen.
Die Liebe zu England und eine Schicksalsbegegnung
Nach der Ausbildung zur Pflegefachfrau wollte ich unbedingt für ein Jahr in mein geliebtes England, um dort zu arbeiten. In London lernte ich Nick Talbot (41) kennen. Bei unseren Begegnungen ist mir aufgefallen, dass er häufig hustet. Ich dachte jedoch an eine Erkältung, bis er mir irgendwann erklärte, dass er die Krankheit Cystische Fibrose, kurz CF (oder auch Mukoviszidose), hat. Ich erfuhr viel von ihm über diese angeborene Stoffwechselerkrankung, die chronisch fortschreitend und nicht heilbar ist. Charakteristisch ist die Bildung zähen Schleims, der die Atemwege befällt, sodass das Atmen sehr anstrengend ist. Wie wenn man permanent durch einen Strohhalm atmen müsste.
Auf den höchsten Gipfeln der Welt
Umso erstaunter reagierte ich, als mir Nick erzählte, dass es ihm im dritten Anlauf gelungen sei, den Gipfel des Mount Everest zu erreichen. Er habe vor, die Seven Summits (die höchsten Berge der sieben Kontinente) zu erklimmen. Wie ist das möglich? Nick gehört erfreulicherweise zu den Betroffenen, die eine leichte Ausprägung der Mukoviszidose haben, die sich gut unter der intensivierten konservativen Therapie stabilisieren lässt unter Einhaltung einer guten Lebensqualität. Nick ist dankbar dafür und zeigt dies, indem er sich öffentlich für den Cystic Fibrosis Trust engagiert, Vorträge hält, Gipfel besteigt und als Spendensammler dafür sorgt, dass mehr Gelder in die Forschung von Heilungsmethoden und Behandlungsmöglichkeiten fliessen. Nach dem Mount Everest folgten Kilimandscharo, Carstensz-Pyramide, Aconcagua und Elbrus.Jetzt fehlen ihm noch zwei Gipfel der Seven Summits. Eine unglaubliche Leistung!
Höhenbergluft atmen – auch ich
Nicks Engagement hat mich so tief beeindruckt, dass ich ebenfalls unbedingt einen Berg zugunsten dieses CF-Trusts besteigen wollte; dies trotz meiner Höhenangst. Ich habe mich für den Kilimandscharo entschieden. Ich wollte die Tour aber nicht ganz alleine wagen. So habe ich eine Freundin gefragt und sie hat zugesagt. Aber erst, nachdem wir den Flug gebucht hatten, merkten wir, was es heisst, da raufzusteigen.
Es herrschen zum Beispiel Extremtemperaturen: am Fuss des Bergs 30 Grad, oben können es dagegen minus 20 Grad sein. Wir haben gedacht, es führe ein etwas anspruchsvollerer Wanderweg ohne Kletterpartie hinauf. Hätten wir gewusst, dass wir bis zu neuneinhalb Stunden am Stück aufsteigen, bei Wind und Kälte, manchmal in völliger Dunkelheit, die letzten 1’600 Meter bis zum Gipfel im Schneckentempo, ich weiss nicht, ob wir es trotzdem angepackt hätten. Acht Monate hatten wir Zeit, uns vorzubereiten, körperlich und ausrüstungsmässig. Unmittelbar nach der Buchung Destination Kilimandscharo Airport haben wir eine Spendenseite eingerichtet und einen Blog darüber, was wir an Training absolvieren, was wir an Ausrüstung besorgen usw. Dies immer vor dem Hintergrund: Wir gehören zu den Glücklichen, die so etwas machen können, ohne gross darüber nachdenken zu müssen, ob wir genügend Luft haben (werden). Allen, die gespendet haben, haben wir gesagt: «Wir nehmen euch mit auf den Kilimandscharo.» Wir haben ihre Namen auf einem T-Shirt verewigt, welches wir mitgenommen haben. Dieses Stück Stoff hat uns tatsächlich motiviert und Kraft gegeben in den Situationen, wo wir an unsere Grenzen gekommen sind.
«Ich nehme ganz gerne auch mal den einfacheren Weg, wenn ich die Wahl habe. Bei der Besteigung des Kilimandscharo, im Oktober 2017, gab es jedoch keine leichte Route. Jederzeit hätte ich abbrechen können, aber ich wollte mich bis zum Gipfel durchkämpfen, schliesslich hatte ich Menschen «im Gepäck», die an mich und meine Mission glaubten. Nein, es war nicht die sportliche Herausforderung, den höchsten Berg Afrikas (5’895 m) zu erklimmen. Schritt für Schritt und Atemzug für Atemzug war ich für die Hilfsorganisation «Cystic Fibrosis Trust UK» unterwegs.
Manuela Pohl
Grenzwerte erreicht
In der Nacht vor der Gipfelerreichung, auf 4’600 Höhenmetern, haben wir die Sauerstoffsättigung im Ruhezustand gemessen: 84 bis 85%. Das ist ein Wert, mit welchem CF-Patienten unter Umständen im fortgeschrittenen Stadium jeden Tag leben! Jeder Atemzug bedeutet eine grosse Anstrengung. Es war extrem beeindruckend, am eigenen Leib zu erfahren, womit diese Menschen im Alltag zu kämpfen haben. Diese Selbsterfahrung war für mich wichtig, konnte ich sie doch unmittelbar in Verbindung bringen mit der Krankheit. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.
Wenn ich zurückdenke …
Bis heute habe ich Mühe zu begreifen, dass ich es wirklich durchgezogen habe. Wenn ich erzähle, dann fühlt es sich an, als hätte ich einen Film darüber gesehen. Bin ich das auf dem Gipfel dort oben? Es war extrem beeindruckend: acht Tage unterwegs, fünf Klimazonen durchschritten, sieben Tage Aufstieg. Auf dem Gipfel angekommen: Tränen, viele Tränen der Erleichterung, der Ergriffenheit und Dankbarkeit. Der ganze Druck fiel ab. Ich hatte es wirklich geschafft! Geschafft für alle, die mich in meiner Mission unterstützt haben! Ich packte das T-Shirt aus und hielt es in die Kilimandscharo-Gipfel-Luft. Die 20 Minuten auf dem Gipfel vergingen rasch. Traurigkeit, weil es vorbei war. Aber es war noch nicht ganz vorbei. Der Abstieg … stand ja noch bevor.
Der Weg ist das Ziel
Dieses Erlebnis – das erste wirkliche Abenteuer meines noch jungen Lebens – wird mich nie mehr loslassen. Auf den Gipfel zu kommen, ist das Sahnehäubchen, aber was man lernt in den sieben Tagen auf dem Weg nach oben, das ist einfach unbeschreiblich Diese Zeit kann einem keiner nehmen. Ich habe gemerkt, worauf es ankommt, was für mich sinngebend und wesentlich ist. Der nächste Berg wartet bereits. Solange es mir möglich ist und solange ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, werde ich für an CF erkrankte Menschen an meine Grenzen gehen und Gipfel besteigen.
Ausatmen. Einatmen.
Die Expertin Dr. Kathleen Jahn,Kaderärztin Pneumologie, mit den wichtigsten Fakten:
Die Cystische Fibrose (CF) ist die häufigste genetische Erkrankung in der Schweiz und wird unabhängig vom Geschlecht vererbt. Aktuell sind ca. 1’000 Menschen betroffen. Bei CF kommt es zu einer Veränderung der Natrium-Chlorid-Kanäle an der Zelloberfläche, was zu Funktionsstörungen an Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm und anderen Organen führen kann. Bereits im Kindesalter können verschiedene Krankheitserscheinungen auftreten. Das eindeutigste Symptom ist zäher Schleim in den Atemwegen. Betroffene müssen durch gezielte Atemmanöver das Sekret regelmässig abhusten, um wiederkehrende Infekte zu vermeiden. Dennoch kommt es bei den meisten Patientinnen und Patienten zu einer bakteriellen Ansammlung, was langfristig das Lungengewebe schädigt und durch die häufige Einnahme von Antibiotika zu Resistenzen führen kann.
Die Einführung des konsequenten Neugeborenen-Screenings führte erfreulicherweise zu einer frühzeitigen Erkennung der CF. Direkt nach der Diagnose können so ein engmaschiges Monitoring und eine umfassende konservative Therapie bestehend aus Inhalation, Nahrungsergänzung, Atemphysiotherapie und körperlichem Training etc. beginnen.
Eine Heilung der CF ist aktuell leider nicht möglich, aber gut behandelbar durch Medikamente, die den Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen. Bei fortgeschrittener CF mit Atemversagen ist die Lungentransplantation häufig die letzte Option.
In Basel besteht seit Jahrzehnten eine enge Zusammenarbeit der beiden CF-Zentren des Universitäts-Kinderspitals beider Basel (UKBB) und des Universitätsspitals Basel (USB).
Schweizerische Gesellschaft für Cystische Fibrose (CFCH)
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