Editorial

Lebensstoff auf Grenzen

Das Strässchen zu meinem Zuhause heisst Grenzweg und verbindet/trennt zwei Dörfer. Auf der einen Seite die Häuserzeile mit Blumengärten, gar Ziegen und Hühnern, auch sympathischen Gartenzwergen. Auf der Gegenseite ein weites freies Feld mit würdigem altem Baumbestand. Über mir der Himmel grenzenlos. Dem Grenzweg nach dem Tagewerk zu folgen, auch bei (Gegen)wind und Wetter, hat für mich eine besondere Bedeutung. Da fühle ich mich minutenlang frei wie ein Vogel und geborgen wie eine Haselmaus in ihrem Nest. Nein, ich würde nie die Abkürzung nehmen. Mein Grenzweg ist für mich goldrichtig, solange dieser vertraute Pfad nicht mein einziger bleibt und somit ein Holzweg wäre.

Über Grenzen schreiben? Seiten füllend. Gut ist dieses Textfeld begrenzt und die Gazzetta bereits ausgekleidet mit viel Stoff des Lebens: Grenzerfahrungen, aber auch Glück, Schicksal, Hoffnung. «Es gibt Grenzen – immer – und das ist gut so. Ohne diese gäbe es kein Glück. Und trotz der Grenzen – als Menschen können wir uns ändern und hoffen», so der Abschlusssatz von Prof. Manuel Battegay in seinem Interview – Stoff zum Nachdenken …

Ihre Gina Hillbert


Lima – Basel:

eine ehemalige Hebamme fliegt zum USB-Ausflug

Das USB lädt seine Pensionierten jedes Jahr zu einem Ausflug ein. Unglaubliche 500 ehemalige Mitarbeitende nehmen teil und geniessen das Wiedersehen. Am Pensioniertenausflug 2017 ist eine weit gereiste Teilnehmerin besonders in Erinnerung geblieben. Ihre Geschichte lesen Sie hier.

Ich bin Gladys Hess-Chávez und stamme aus Lateinamerika. Das Reisen ist Teil meiner Persönlichkeit und hat mein Leben immer sehr bereichert. Bis heute fühle ich mich trotz meines hohen Alters gesund genug, um von Lima/Peru, meiner Heimat, in die Schweiz zu reisen. Ungefähr jedes dritte Jahr komme ich in die Schweiz, um Verwandte und Freunde wiederzusehen. Im Sommer 2017 fand in Basel der Auslandschweizer-Kongress statt und zur selben Zeit auch der Pensioniertenausflug des Unispitals. So konnte ich an beiden Anlässen teilnehmen. Ja, und wie kam ich überhaupt in die Schweiz und ans Unispital? Mein Mann war Basler. Beruflich war er Ende der 60er-Jahre in verschiedenen Ländern Lateinamerikas unterwegs, so auch in Peru. Begegnet sind wir uns in Lima Ende 1967. Da sein Auslandsaufenthalt bereits Mitte 1968 endete, haben wir geheiratet, und ich bin mit ihm nach Basel gegangen.

Es dauerte nicht lange und ich vermisste mein Berufsleben als Hebamme. In meinem Heimatland genoss ich eine sehr gute Ausbildung. Nach der Matura studierte ich an der Universität National Mayor de San Marcos in Lima. 1952 schloss ich die Ausbildung ab, die, anders als in der Schweiz, damals schon ein akademischer Beruf (mit Studium) war und mir erlaubte, die ganze Geburtsvorbereitung durchzuführen. Bis 1968 arbeitete ich als Hebamme im grossen, sehr modernen und damals besten Spital von ganz Lateinamerika in Lima. Viel Freude bereitete mir auch meine Arbeit als Lehrerin der Hebammen- und Krankenschwester-Schülerinnen. Im Stadtspital Lima habe ich die Geburtsvorbereitungskurse selber aufgebaut und durchgeführt. Meine Arbeit habe ich sehr geliebt.

In Basel angekommen, wollte ich unbedingt wieder in meinem Beruf arbeiten. Ich war interessiert, wie dieser Beruf in der Schweiz ausgeübt wird. Also habe ich zunächst Deutschunterricht genommen. 1970 schrieb ich einen Brief an den Spitaldirektor und bat um ein Volontariat im Gebärsaal. Als freiwillig Arbeitende konnte ich viel von meinen Schweizer Kolleginnen lernen. Eingesetzt wurde ich nach dem Volontariat durch den Zentralen temporären Personalpool (ZTP) und war dadurch in verschiedenen Abteilungen als Aushilfe tätig.


Als dann mein Deutsch besser war, konnte ich fest angestellt als diplomierte Krankenschwester und Hebamme im Frauenspital und auch im Gemeindespital Riehen arbeiten: auf der Aufwachstation, in der Poliklinik Frauenspital und schliesslich bis zu meiner Pensionierung 1991 auf der Wochenbettstation. Ich war in so vielen Abteilungen.

Was ich von allen Kolleginnen sagen kann: Sie waren zu mir immer sehr nett und zuvorkommend. Viele haben mich beeindruckt, wegen ihrer professionellen Einstellung und auch menschlich. Gut erinnern kann ich mich auch an den Eindruck, welcher das Frauenspital äusserlich auf mich gemacht hat: alt und grau. Ganz anders als das moderne Spital in Lima, in welchem ich zuvor gearbeitet hatte. Ich habe aber auch miterlebt, wie sich das Frauenspital veränderte, die Renovationen und die Modernisierungen. Und als ich als Pensionierte am Ausflug die Gelegenheit hatte, das Spital wiederzusehen, war ich sehr überrascht über die moderne Frauenklinik. Meine Freude war sehr gross, als ich sie zum ersten Mal sah. Da wollte ich wieder jung sein und dort arbeiten.

Mein Glück war und ist es bis heute, dass ich immer aktiv war, nie aufgehört habe zu lernen. Wissbegierig war ich schon immer. Alles, was ich an Aus- und Weiterbildung mitnehmen konnte, habe ich mitgenommen. So mache ich es im Rahmen meiner Möglichkeiten bis heute. Ich besuche Vorträge am Colegio de Obstetras (Hebammen) del Peru, C.O.P. Dort bin ich immer noch eingeschrieben unter der Nummer 0026. Bin nach wie vor Mitglied der Peruanischen Akademie für Gesundheit, A.P.S. Auch gehe ich regelmässig an die Hebammen-Treffen und sehe an den gesellschaftlichen Anlässen viele meiner guten Kolleginnen von früher. Sie vermuten es richtig: Ich bin nach 24 Jahren in der Schweiz vor 27 Jahren für immer nach Lima zurückgekehrt.

Nach dem Tod meines Mannes reifte in mir die Entscheidung, nach der Pensionierung in meine sehr schön gelegene, klimatisch angenehme Heimatstadt Lima und in die Nähe meiner Familie zurückzukehren. Wir sind kinderlos geblieben. Der Abschied war somit einfacher.


Ich blicke gerne auf meine Jahre in Basel und meinen grossen Bekanntenkreis zurück. Nach wie vor fühle ich mich ihm stark verbunden. Und das habe ich auch am Pensioniertenausflug gespürt. Als Lateinamerikanerin bewundere ich vor allem die perfekte Organisation. Besonders genossen habe ich die Schifffahrt auf dem Bielersee und das tolle Essen im Stade de Suisse in Bern. Das Beisammensein mit guten Kolleginnen und Kollegen war wunderbar. Ich sage nochmals Dankeschön allen, die 500 Pensionierte sehr zufrieden gemacht haben. Meine Gedanken, die ich als Hebamme noch an dieser Stelle abschliessend anbringen möchte: Die Menschen aus der ganzen Welt sind gleich. Nur per Zufall machen einige Dinge den Unterschied, die ein Baby vor der Geburt nicht wählen kann: das Geburtsland, die Hautfarbe, das Geschlecht, die Gesellschaftsschicht, die Familie und so weiter.

Auf Wiedersehen, Unispital Basel.



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