Editorial

Lebensstoff auf Grenzen

Das Strässchen zu meinem Zuhause heisst Grenzweg und verbindet/trennt zwei Dörfer. Auf der einen Seite die Häuserzeile mit Blumengärten, gar Ziegen und Hühnern, auch sympathischen Gartenzwergen. Auf der Gegenseite ein weites freies Feld mit würdigem altem Baumbestand. Über mir der Himmel grenzenlos. Dem Grenzweg nach dem Tagewerk zu folgen, auch bei (Gegen)wind und Wetter, hat für mich eine besondere Bedeutung. Da fühle ich mich minutenlang frei wie ein Vogel und geborgen wie eine Haselmaus in ihrem Nest. Nein, ich würde nie die Abkürzung nehmen. Mein Grenzweg ist für mich goldrichtig, solange dieser vertraute Pfad nicht mein einziger bleibt und somit ein Holzweg wäre.

Über Grenzen schreiben? Seiten füllend. Gut ist dieses Textfeld begrenzt und die Gazzetta bereits ausgekleidet mit viel Stoff des Lebens: Grenzerfahrungen, aber auch Glück, Schicksal, Hoffnung. «Es gibt Grenzen – immer – und das ist gut so. Ohne diese gäbe es kein Glück. Und trotz der Grenzen – als Menschen können wir uns ändern und hoffen», so der Abschlusssatz von Prof. Manuel Battegay in seinem Interview – Stoff zum Nachdenken …

Ihre Gina Hillbert


Stopp Nikotin.

Jetzt ist mein Rauchstopp

«Ich bin eine unglückliche Raucherin und würde viel lieber nicht rauchen.» Der Weg zu einem rauchfreien Leben ist jedoch alles andere als ein Spaziergang. Wer könnte das besser schildern als eine Mitarbeiterin, die mittendrin steckt.

Schon an ihrem ersten Arbeitstag wird die 41-jährige Mitarbeiterin das erste Mal auf die für sie kostenlose Rauchstoppberatung der Medizinischen Poliklinik aufmerksam. Sie nimmt das Angebot in ihren Eintrittsunterlagen zur Kenntnis und beschliesst: jetzt nicht. Monate später, an der Gesundheitswoche, dann der zweite Berührungspunkt. An einem Stand lernt sie das Team der Rauchstoppberatung persönlich kennen. Der erste Schritt ist getan: Informationen über das Programm erhalten, Erstkontakt geknüpft, grundsätzliches Interesse bekundet, Kontaktdaten deponiert. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Zu viel Stress. Und dann auch noch zunehmen. Nein. Das passt gar nicht.

Eines schönen Tages meldet sich Uta Engler, Beraterin im Rauchstopp-Programm, telefonisch bei der schon so lange unglücklichen Raucherin und erkundigt sich nach ihrem aktuellen Befinden. Nun ist der Moment da, Nägel mit Köpfen zu machen, insbesondere auch wegen der Möglichkeit, als Probandin an einer Studie mitzuwirken (siehe Beitrag von Dr. Bettina Winzeler). Die Raucherin hat es satt, vom Nikotin gesteuert zu werden. Nach mehr als 25 Jahren rund ein Päckchen, also durchschnittlich 20 Zigaretten, am Tag ein grosser Schritt. Sie weiss, das wird knallhart, aber sie ist und wird vom Team der Rauchstoppberatung extrem motiviert, es dieses Mal durchzuziehen.

In der Sprechstunde: Die Rauchstoppberaterinnen wissen um die Nöte und den Stress der Rauchstoppwilligen, gehen in der Sprechstunde individuell auf sie ein und begleiten mit viel persönlichem Engagement durch das Programm.

Unsere langjährige Raucherin besucht regelmässig die Rauchstopp-Sprechstunde und nimmt an der Studie teil. Sie schafft es nach rund 14 Tagen, den ersten Rauchstopp-Tag auf ihre Agenda zu setzen. Ein historischer Tag! Drei Monate bleibt sie komplett rauchfrei, dann ein Rückfall. Aber sie hat Rückhalt – auch in dieser Phase – und darf sich beim Rauchstopp-Team weiter unterstützen lassen. Die Entwöhnung, so schätzt sie ihre eigene Situation ein, sei eine Arbeit, die nie zu Ende ist. Zu sehr habe sie sich all die Jahre durch das Nikotin fremdsteuern lassen. Rauchfrei zu sein, wäre für sie eine Befreiung von einem Zwang, endlich nicht mehr rauchen zu müssen. Dass das USB seinen Mitarbeitenden eine spitalbasierte Rauchentwöhnung kostenlos anbietet, findet sie grossartig: «Ich bin ein grosser Fan dieses Angebots und des Teams der Rauchstoppberatung.»

«Ein Versuch lohnt sich immer.»

Dr. Andrea Meienberg und Dr. Thilo Burkard

Das Rauchstopp-Beratungsteam: Dr. Andrea Meienberg (links) und Dr. Thilo Burkard, Innere Medizin,in ihrer Mitte Uta Engler, Rauchstoppberaterin.

Das Rauchstopp-Beratungsteam: Dr. Andrea Meienberg (links) und Dr. Thilo Burkard, Innere Medizin,in ihrer Mitte Uta Engler, Rauchstoppberaterin.


​Die Studie zum Thema

Nikotinkonsum ist mit der Entwicklung zahlreicher Krankheiten und einer hohen Sterblichkeit verbunden. Obwohl viele Raucherinnen und Raucher gerne mit dem Rauchen aufhören möchten, liegt die Erfolgsquote nach einem medikamentös unterstützten und begleiteten Rauchstopp (zum Beispiel im Rahmen eines Rauchstopp-Programms) bei circa 30 – 40 %, verglichen mit 5 % bei spontanen Rauchstopp-Versuchen. Viele Personen scheitern im Alltag an Hindernissen, welche ein Rauchstopp mit sich bringt. In erster Linie sind hier Nikotin-Entzugserscheinungen oder die oftmals mit dem Rauchstopp einhergehende Gewichtszunahme zu nennen. Es wäre daher wünschenswert, eine neue Behandlung zur Rauchentwöhnung zu haben, welche genau auf diese zwei Barrieren abzielt.

In der Endokrinologie setzen wir zur Behandlung von Zuckerkrankheit und Übergewicht gerne sogenannte Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1)-Analoga ein. Das sind Medikamente, welche die Wirkung des sättigenden Darmhormons GLP-1 nachahmen. Dank der verlängerten Wirkdauer der Medikamente können im Vergleich zum körpereigenen Hormon ein stärkerer appetitzügelnder Effekt sowie eine Gewichtsabnahme erzielt werden. Neuste Resultate aus Tierstudien weisen darauf hin, dass GLP-1 unser Belohnungssystem beeinflusst und bei Suchterkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Für die synthetisch hergestellten GLP-1-Analoga wird deshalb vermutet, dass sie nicht nur das Verlangen nach Essen, sondern auch das Verlangen nach verschiedenen Suchtmitteln wie beispielsweise Alkohol oder Nikotin reduzieren könnten GLP-1-Analoga scheinen deshalb eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit für Menschen mit Wunsch nach Rauchstopp zu sein.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden, in Zusammenarbeit mit dem Team der Rauchstopp-Sprechstunde eine Studie durchzuführen, welche dieser Frage nachgeht und untersucht, ob eine Therapie mit GLP-1-Analoga die Chancen für einen erfolgreichen Rauchstopp erhöht und gleichzeitig die Gewichtszunahme nach Rauchstopp verringert. Studienteilnehmende erhalten zusätzlich zur Standardtherapie in der Rauchstopp-Sprechstunde (individuelle Beratung kombiniert mit einer medikamentösen Behandlung mit Varenicline [Champix®]) ein Studienmedikament, welches während drei Monaten einmal wöchentlich unter die Haut gespritzt wird. Es handelt sich um eine verblindete Placebo-kontrollierte Studie, d. h. die Hälfte der Teilnehmenden erhält das GLP-1-Analogon Dulaglutide (Trulicity®) und die andere Hälfte ein Scheinmedikament. Weder die Studienteilnehmenden noch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte wissen, wer welches Studienmedikament bekommt. Nach drei Monaten werden der Rauchstatus (Raucher/Nichtraucher) sowie der Gewichtsverlauf erhoben.

Dr. Bettina Winzeler, Oberärztin Endokrinologie, Diabetologie & Metabolismus


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