Editorial

Bis zu 30 Grad Celsius: minus oder plus?

Gehe ich recht in der Annahme, dass wir jeweils ab dem 21. Juni von «Sommer» reden? Das Thema mag für mein Editorial banal sein, aber es beschäftigt mich als etwas kritischen Sprachmenschen punktuell doch sehr. Während der Entstehung der Sommerausgabe der Gazzetta stehen wir noch mitten im Frühling, aber überall ist zu hören und zu lesen: «Der Sommer kehrt zurück.» Ja, wo war er denn vorher? Hat er sich etwa frech eingenistet im Frühling? Und dieser konnte ihn nicht daran hindern, auszubrechen? Welche Naturgewalt auch immer dahinterstecken möge, egal, ob es noch einmal Schnee gegeben hat oder gar Sahara-Sand über die Lande gefegt ist, heute, an meinem Editorial-Schreibtag, ist laut Kalender immer noch Frühling. Punkt.

Und wissen Sie was? Ich missachte für einmal die Jahreszeiten, bin so frei und bringe aus voller Überzeugung in der Sommer-Gazzetta ein abkühlendes Bild. Damit liege ich voll im Trend. Sommerausgabe mit dem kältesten Bild der Welt: Nordpol, bis minus 35 Grad Celsius. Eine Ärztin und ein Arzt aus dem USB mit einer äusserst erwärmenden Geste. Alle, die vielleicht gerade in diesem Lesemoment heisse Celsius-Grade erdulden müssen, springen bitte direkt auf Seite 24, am besten noch mit einem eisgekühlten Getränk in Reichweite. Folglich wünsche ich Ihnen angenehme Lektüre bei für Sie wohltuenden Temperaturen – nicht zu heiss, nicht zu kalt – und einen Sommer, der sich dann nicht bereits in den Herbst verabschiedet hat.


Ihre Gina Hillbert


Projekt integratives Versorgungsmodell

für Diabetes Typ 2-Patienten

Die Anzahl von Diabetes mellitus Typ 2 (DM2)-Patientinnen und -patienten wächst kontinuierlich. Um die meist komplexe Behandlung leichter in den Alltag von betroffenen Patientinnen und Patienten integrieren zu können, hat die Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus ein Projekt initiiert, das ein besonderes Versorgungsmodell in den Vordergrund stellt.

Die Zahlen sprechen Bände: Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) ist eines der häufigsten chronischen Gesundheitsprobleme weltweit. In der Schweiz leiden schätzungsweise 500’000 Menschen an Diabetes, von denen 92% DM2 haben. Pro Jahr werden in der Schweiz ungefähr 15’000 Menschen neu diagnostiziert.

Die Behandlung des DM2 ist oft komplex. Sie erfordert eine Anpassung des Lebensstils, hauptsächlich bezüglich Essverhalten und Körperbetätigung. Wir wissen: Wenn die Therapiemassnahmen nicht gut gehandhabt werden, kann dies zu gravierenden Folgekrankheiten führen: Blindheit, Nieren- und Herzprobleme und Durchblutungsstörungen, die schlimmstenfalls sogar zu Amputationen führen. Um Patientinnen und Patienten zu helfen, die Krankheit im Alltag zu managen und so Komplikationen zu verhindern, sind viele medizinische Fachkräfte an der Versorgung beteiligt: das Team der Diabetesberatung, die Mitarbeiterinnen der Ernährungsberatung, Fachärztinnen und Fachärzte verschiedener Disziplinen, Psychologinnen und Psychologen. Im Wissen um die Notwendigkeit, eine patientenzentrierte Versorgung bereitzustellen, hat Prof. Marc Donath, Chefarzt der Klinik, mit seinem Behandlungsteam ein Projekt ins Leben gerufen, welches sich zwar noch in der Pilotphase befindet, jedoch jetzt schon Erfolg versprechender Wegweiser für die Zukunft ist. Ziel ist es, ein Versorgungsmodell zu schaffen, welches auf die Bedürfnisse der DM2-Patientinnen und -patienten zugeschnitten ist: ein integriertes Versorgungsmodell.

Im Rahmen des Projekts entwickelt sie ein neues Konzept eines integrierten Versorgungsmodells für Diabetes Typ-2-Patienten. Sie erhebt Patientendaten und Daten aus dem interprofessionellen Beratungsteam und wertet diese nach wissenschaftlich fundierten Kriterien aus. Lut Berben hat Pflegewissenschaft studiert und mit dem wissenschaftlichen Doktorgrad (PhD) abgeschlossen.

Prof. Marc Donath, Chefarzt Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus


Die klassischen Projektphasen

Das Projekt besteht aus vier Phasen:

Erfassen und Analysieren der aktuellen Situation und Definieren des Versorgungsbedarfs

Entwicklung eines Konzeptes für die Reorganisation der Behandlungsprozesse

Durchführung eines Pilotprojekts des neuen Behandlungsprozesses

Evaluieren des neuen Behandlungskonzeptes mit einer Vorher-/Nachher-Vergleichsstudie

Ein erster Schritt im Projekt bestand darin, einen tieferen Einblick in das bestehende Versorgungsmodell zu gewinnen (Analyse). Die Identifizierung der Ressourcen und Bedürfnisse im aktuellen Modell liefert Grundlagen für die Optimierung der Versorgung der ambulanten DM2-Patienten.

Um die aktuelle Situation zu beschreiben, wurden Interaktionen der DM2-Patienten während des ganzen Behandlungsablaufs (das heisst von der Anmeldung des Patienten bis zum Abschluss) beobachtet. Care mapping wurde genutzt, um eine visuelle Darstellung des aktuellen Versorgungsprozesses zu erhalten.

Ein weiterer Schritt war die Durchführung einer SWOTAnalyse (ein Instrument, um die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der jetzigen Situation zu erfassen und zu analysieren). Dies mit einem Vertreter oder einer Vertreterin pro Fachgruppe, welche in die Behandlung der Patienten involviert waren (Oberarzt, Diabetesfachberatung, Ernährungsberatung, Chefarzt, Sekretariat, Labor und Patienten).


Wissenschaftliche Auswertung

Die Auswertung zeigte, dass folgende Felder optimiert werden können: Verbesserung der Koordination zwischen allen involvierten Betreuungspersonen und das Gewährleisten der Kontinuität der Versorgung (kein Wechsel beim Betreuungspersonal), um die Patienten dabei zu unterstützen, die Therapiemassnahmen in ihrem täglichen Leben umzusetzen.

Basierend auf den Resultaten aus internationalen Studien wurde die Erweiterung/Ergänzung des Behandlungsteams mit einer Advanced Practice Nurse (APN) als optimale Intervention erkannt. Diese Studien zeigen, dass Pflegeexpertinnen APN einzigartig qualifiziert und in der Lage sind, die Führung in der Versorgung von Patienten mit einer chronischen Erkrankung wie z.B. DM2 zu übernehmen und dass dies zu verbesserten Resultaten führt: Steigerung der Patientenzufriedenheit, Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, Senkung der Kosten.

Integrierte Versorgungsmodelle gefordert

Im Bericht des Bundesamtes für Gesundheit BAG aus dem Jahr 2013 sind die Schwerpunkte beschrieben, die gesundheitspolitische Herausforderungen darstellen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung und damit auch die Anzahl der chronischen Erkrankungen nehmen weiter zu und fordern neue integrierte Versorgungsmodelle, die Kontinuität, Effizienz und Transparenz für Betroffene sicherstellen sowie ihre Selbstkompetenz fördern. Die Bedürfnisse der entsprechenden Patientengruppen werden multiprofessionell und evidenzbasiert anhand von Rahmenkonzepten wie zum Beispiel dem PEPPA-Framework von Bryant-Lukosius & Di Censo (2014) sorgfältig erhoben. Entsprechend der Resultate werden spezialisierte Pflegende, unter anderem Advanced Practice Nurses, eingesetzt. Die Pflege bietet im Rahmen der Advanced Nursing Practice ausgezeichnete Voraussetzungen, diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Anhand dieses Projektes unterstützt die Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus den Leitsatz der Strategie 2020 «Gemeinsam – forschend und innovativ zu Exzellenz für die Patienten» und sichert im Rahmen eines Pilotprojekts über ein innovatives Versorgungsmodell neue Erkenntnisse für Patientinnen und Patienten mit Diabetes Typ 2.

Im Rahmen dieses Projektes werden sowohl Patientendaten als auch Daten des Betreuungsteams vor und nach Einführung des neuen Behandlungsprozesses erhoben. Dazu Verena Bättig, Diabetesfachberaterin: «Das individuelle Behandlungsziel des Patienten ist für alle klar und alle wissen, was mit dem Patienten besprochen wurde». Nachdem die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt integriert worden sind, soll nun die Implementierung des neuen Behandlungsprozesses anhand einer Vorher-/Nachher-Vergleichsstudie evaluiert werden.

Die Resultate werden mittels statistischer Methoden analysiert und Massnahmen daraus abgeleitet. Dank dem PhD-Studium in Pflegewissenschaft von Lut Berben ist eine fundierte Evaluation möglich, die wichtige und bis jetzt in der Schweiz einzigartige Daten liefert.

Interprofessionelle Sprechstunde mit der Patientin: (v.l.) die Patientin, die APN Dr. Lut Berben, die Ernährungsberaterin Arwen MacLean, die Diabetesfachberaterin Verena Bättig und der Arzt Matthias Hepprich

Interprofessionelle Sprechstunde mit der Patientin: (v.l.) die Patientin, die APN Dr. Lut Berben, die Ernährungsberaterin Arwen MacLean, die Diabetesfachberaterin Verena Bättig und der Arzt Matthias Hepprich


Was heisst patientenzentrierte Sprechstunde?

Nachdem ein Oberarzt den neu angemeldeten DM2-Patienten an die APN übergeben hat, wird sie die Anmeldung sichten und überprüfen und wenn nötig den Hausarzt des Patienten kontaktieren, um zusätzliche Informationen zur Vervollständigung des Gesamtbildes zu erhalten. Dann erhält der Patient einen Termin in der Medizinischen Poliklinik, bei dem ein umfassendes Assessment (Krankengeschichte, physische und psychosoziale Evaluation) mit anschliessender Risikoanalyse durchgeführt wird. Im Anschluss daran findet die interprofessionelle Besprechung im Beisein des Patienten mit Oberarzt, Diabetesfachberatung und Ernährungsberatung statt. Durch das Einführen dieser interprofessionellen Besprechung wurde der gesamte Behandlungsablauf optimiert. Diese Besprechung leitet die APN. In dieser Besprechung wird gemeinsam ein individueller Behandlungspfad für jede Patientin und jeden Patienten erstellt.

Aktuell wird dieser neue Behandlungsprozess als Pilotprojekt bereits umgesetzt. Die ersten Resultate sowie Patienten- und Mitarbeitererfahrungen sind vielversprechend. Ein 74-jähriger Patient gab folgendes Feedback: «Einfacher, kompetenter Ablauf. Insgesamt sehr sympathisch». Eine 69-jährige Patientin äusserte, dass sie sich sehr gut aufgehoben fühle und die Advanced Practice Nurse eine Bereicherung sei.


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