Editorial

5G-Netz

Nun ja, das 5G-Netz verspricht mehr Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit. So weit, so gut. Derweil häufen sich Stimmen, die das Entschleunigen empfehlen und davor warnen, das Leben nur auf Leistung auszurichten. Letzteres könne krank machen. Die 5G-Zuverlässigkeit lasse ich mir jedoch gefallen, insbesondere diejenige von Mensch zu Mensch.

In einer Krankheitssituation wünsche ich mir, dass ich schnell weiss, woran ich bin. Es stärkt mein Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Fachpersonen, die sich meiner im Krankheitsprozess annehmen, wenn zuverlässige Ergebnisse und ein auf mich zugeschnittener Behandlungsplan nach kurzer Zeit vorliegen. Das ist umso wichtiger, weil ich vielleicht von einem Tag auf den anderen nicht mehr so schnell und leistungsfähig im Leben stehe wie bis anhin, sondern angeschlagen oder eingeschränkt bin.

Erfahren Sie im Titelthema, was die Palliative Care in unserem Spital für schwer kranke Patientinnen und Patienten leistet und mit welchem Ansinnen ein interprofessionelles Team diese Aufgabe erfüllt. Ein kleines Paradies mit Heilwirkung findet ein an Knochenmarkkrebs erkrankter Patient und spürt dort, dass sein tief verwurzeltes Leistungsdenken revidiert werden müsste (Seite 10). «Es fällt mir schwer, Worte zu finden ...», das sagt eine Patientin vier Jahre nach der Diagnose Gebärmutterkrebs in der Pflegeberatung der gynäkologischen Onkologie. Dort ist Raum für sensible Themen. Den Beitrag finden Sie auf den Seiten 20–21.


5Gs wünsche ich Ihnen: 5 Mal «G» wie Gesundheit und ein Mensch-zu-Mensch-Netzwerk, das Sie schnell und zuverlässig auffängt.


Ihre Gina Hillbert


Palliative Care –

individuell und interprofessionell

Der Einbezug von Palliative Care in die Behandlung von Patientinnen und Patienten in palliativen Situationen hat in den letzten Jahren einen Wandel erlebt. Zahlreiche Untersuchungen belegen den Benefit einer sogenannten frühen Integration spezialisierter Palliative Care Angebote bei Patientinnen und Patienten, die an einer schweren, fortschreitenden und unheilbaren Erkrankung leiden. Verbesserungen zeigen sich in der Lebensqualität der Betroffenen, bei der Linderung belastender Symptome und der Belastung von Angehörigen sowie im Krankheitsverständnis.

Das Palliative Care Angebot am Universitätsspital Basel hat zum Ziel, die Versorgung und Begleitung schwerst kranker Patientinnen und Patienten und ihrer Bezugspersonen zu verbessern, Strukturen zu etablieren, die den Zugang zu Palliative Care Leistungen ermöglichen, sowie die Kompetenzen der Versorger zu stärken. Für jede dieser drei Säulen konnte ein Angebot etabliert werden.

Der Schwerpunkt in der Patientenversorgung liegt in der Linderung von körperlichen und seelischen Beschwerden, ebenso wie in der Unterstützung von sozialen und auch spirituellen Bedürfnissen. Ziel ist die bestmögliche und angemessene Behandlung zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung. Die Behandlung der Grunderkrankung, zum Beispiel eine Chemotherapie oder Strahlenbehandlung, und Palliative Care schliessen sich dabei nicht aus, sondern ergänzen sich sinnvoll. Damit dieses Ziel erreicht wird, plant das Palliative Care Team vorausschauend mit den Betroffenen eine individuelle Behandlung, wobei der Respekt für Werte und Wünsche im Mittelpunkt steht.

Voraussetzung für diese personenzentrierte Patientenversorgung ist eine gute und enge Zusammenarbeit mit allen am Behandlungsprozess beteiligten Fachdisziplinen und Berufsgruppen. Als Struktur und Gefäss für den Austausch für die Behandlungsplanung dienen die interprofessionellen Rapporte und Visiten. Für die Kompetenzentwicklung wurden Behandlungsstandards erarbeitet und es wurde ein Fortbildungsangebot aufgebaut sowie eine Ressourcengruppe Palliative Care etabliert. Der Palliative Care Konsildienst wurde im November 2018 vom Verein Qualitépalliative mit dem Schweizer Qualitätslabel für Palliative Care zertifiziert. In der Zertifizierungsvorbereitung wurde das Palliative Care Team vom Patientenzentrierten Management unterstützt.

Vision: Der interprofessionelle Palliative Care Konsildienst USB möchte Patienten und ihren Angehörigen Unterstützung und Sicherheit in palliativen Situationen geben, die Zusammenarbeit der bestehenden Strukturen stärken, Kompetenzen fördern und motivieren neue Wege für eine integrierte Patientenversorgung zu gehen.

Kurzinterview mit Dr. Sandra Eckstein, Leitende Ärztin, Leitung Palliative Care, und Silke Walter, Pflegeexpertin, Fachliche Leitung Pflege, Palliative Care

Silke Walter: Das Qualitätslabel stellt einen wichtigen Meilenstein dar, der die Qualität des Palliative Care Angebots an unserem Spital zum Ausdruck bringt und die Entwicklung der letzten Jahre auf den Punkt gebracht hat. Die Erarbeitung von Prozessbeschreibungen und Grundlagendokumenten hat unserer Arbeit einen Rahmen und eine Struktur gegeben.

Dr. Sandra Eckstein: Neben der Strukturierung des Dienstes wurden von den Auditoren die «interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe aller Beteiligten mit Blick auf die Ganzheitlichkeit», die «spürbar gelebte Kultur der Integration von Palliative Care am USB» und die «hohe Leistung der Zusammenarbeit im Netzwerk» gelobt. Diese Beurteilung hat uns sehr gefreut, weil uns die personenzentrierte interprofessionelle Zusammenarbeit besonders wichtig ist. Zudem konnte durch die Zertifizierung die ärztliche Weiterbildung «interdisziplinärer Schwerpunkt Palliative Care» am USB gesichert werden.

Silke Walter: Für mich ist die Haltung, der ganzheitliche personenzentrierte Ansatz der Palliative Care, sehr wertvoll und ich betrachte ihn als Grundelement in der Patientenversorgung für alle Patientinnen und Patienten. Palliative Care ist dabei immer auch Teamarbeit, um eine individuelle Patientenversorgung zu gestalten. Diese Haltung und die interprofessionelle Zusammenarbeit sind gleichzeitig auch wertvolle Ressourcen in der täglichen Arbeit mit schwierigen und belastenden Situationen.

Dr. Sandra Eckstein: Für mich bedeutet Palliative Care die optimale Linderung der Beschwerden, um Patientinnen und Patienten in schwierigen Situationen den Blick für einen neuen Weg zu öffnen, der ihnen Sicherheit, Würde und Selbstbestimmung ermöglicht. Dabei ist es wichtig, dass die Patientinnen und Patienten genügend Raum und Zeit haben, um ihre Behandlungswünsche zu formulieren. Das ist uns ein grosses Anliegen.

Dr. Sandra Eckstein: Interprofessionalität hat für mich einen sehr hohen Stellenwert, da Palliative Care von allen, die im Behandlungsprozess beteiligt sind, erbracht wird und alle ein wichtiges Puzzleteil zur individuellen Versorgung beitragen. Wir erleben diesbezüglich einen sehr erfreulichen Wandel: Die Interprofessionalität wird vermehrt gelebt und deren Mehrwert erkannt. Auch für die Entwicklung von Standards ist die interprofessionelle Zusammenarbeit sehr wichtig. Ein aktuelles Beispiel ist, dass wir gemeinsam mit anderen Berufsgruppen aus dem Universitätsspital Basel ein Dokument zum Umgang mit Behandlungswünschen und Patientenverfügungen erstellen. Hier wird deutlich: Nur wenn die Erarbeitung gemeinsam erfolgt, wird das daraus entwickelte Konzept akzeptiert und umgesetzt werden.

Silke Walter: Auch aus meiner Sicht ist die interprofessionelle Zusammenarbeit ein sehr wichtiges Element. Durch die zunehmende Spezialisierung im Gesundheitswesen und den medizinischen Fortschritt sind die Gesundheitsfachpersonen immer mehr herausgefordert, ihre Expertisen im Sinne des Patienten zusammenzubringen. Das bedeutet, dass sich die Professionellen informieren, abstimmen und gleiche Ziele fokussieren, damit die Behandlung der Patientinnen und Patienten gut gestaltet werden kann.

Dr. Sandra Eckstein: Eine Herausforderung sind Barrieren in der Grundversorgung. Also wie wird der palliative Unterstützungsbedarf bei den Patientinnen und Patienten erkannt und wie wird dies in der Therapie berücksichtigt? Wir wissen, dass Patientinnen und Patienten nicht nur am Lebensende, sondern auch in früheren Phasen einer unheilbaren Erkrankung von palliativer Unterstützung profitieren. Bei einem Grossteil ist die Behandlung – auch der palliativen Bedürfnisse – durch das Primärbehandlungsteam ausreichend. Dies wird bereits seit vielen Jahren gut umgesetzt. Doch ein Teil der Patientinnen und Patienten hat spezialisierten Bedarf an Palliative Care Angeboten. Beispielsweise wenn besonders viele belastende Symptome gleichzeitig bestehen, die Patienten ganzheitlich belastet sind oder schwierige Therapieentscheide anstehen. Diese Patientengruppe zu erkennen, ist jedoch nicht einfach.

Silke Walter: Eine Herausforderung, die ich sehe, ist es, den Zugang zu Palliative Care für Patientinnen und Patienten mit einer nicht-onkologischen Erkrankung zu verbessern. Wir wissen, dass diese Patienten ähnliche Beschwerden, Bedürfnisse und Wünsche haben wie Patienten mit einer Tumorerkrankung. Die Mehrzahl der Patienten, die in palliativen Versorgungsstrukturen betreut werden, sind jedoch Patientinnen und Patienten mit einer onkologischen Erkrankung. Wir müssen also unseren Blick für die Bedürfnisse dieser Patientengruppe öffnen.



Kommentare (0)

Keine Kommentare zu diesem Artikel vorhanden. Sei die/der Erste, der diesen Artikel kommentiert.



Keine Ausgabe verpassen –
Erinnerungsservice abonnieren!