Editorial

Bildschirme überall. Monitore, Displays, Infoscreens.

Auf dem Arbeitsweg muss ich mich auf meinem Sitzplatz etwas verbiegen. Dann endlich habe ich freie Sicht und kann lesen, dass mich heute ein stürmischer Tag erwartet. Ich lehne mich dennoch entspannt zurück. denn ich bin aktualisiert, erfahre immer und überall etwas (Wichtiges), ob ich gehe, stehe oder sitze.

Ernsthaft: Was machen denn all die Informationen mit mir? Ich blicke nicht mehr durch die (ohnehin meist mit Werbung verklebten) Fenster, bin stattdessen fixiert auf die bewegte Oberfläche eines Flachbildschirms.

Wie würde ich wohl reagieren, wenn einer dieser Screens folgende Botschaft für mich hätte: «Mach’ die Augen zu!»? Nur geträumt. Diese Botschaft steht auf keinem Bildschirm der Welt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich im Augen-Zu zu üben, jedoch die Augen offen zu halten für das wirklich Wichtige im Leben. Nicht?

Echt bildend, der Bildschirm. Ich werde es spätestens dann gemerkt haben, wenn statt Sturmböen ein Tag voller Heiterkeit aufzieht.

Ihre Gina Hillbert

Freiwilliges Engagement

an der Grenze Thailands

Es ist Mitte März. Das Thermometer steigt nachmittags nicht selten über 35 Grad, die Luft ist dunstig durch die hohe Feuchtigkeit. André Feuz, der sich vor zwei Jahren dazu entschied, die Schweiz zu verlassen und in Thailands zweitgrösste Stadt zu ziehen, steht im gekühlten Ankunftsterminal des Flughafens Mae Sot und wartet auf Besuch.

Farmhouse School

Die Farmhouse School liegt rund 30 Kilometer von Mae Sot entfernt. Die Schülerinnen und Schüler leben bis zu 10 Kilometer entfernt von diesem Ort. Ein Bus bringt sie zur Schule und wieder zurück. Die Schule ist eine von 34, die den aus Myanmar stammenden Kindern und Jugendlichen eine Grundausbildung ermöglichen wollen. Da die Familien keine Ausweispapiere besitzen, wird den Kindern der Zugang zu den staatlichen Schulen in Thailand verwehrt. Die diversen Schulprojekte versuchen, auf privater Basis trotzdem eine minimale Ausbildung zu garantieren. Das ist nicht immer ganz einfach, und die Mittel, die zur Verfügung stehen, sind sehr bescheiden. Die Schulen sind deshalb auf Spenden und auf viel freiwilliges Engagement angewiesen.

Der freiwillige Einsatz an einem Ort, wo man gebraucht wird – ein lang gehegter Wunsch.

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Seine zwei Gäste, Fatime Krasniqi, Kaderärztin Onkologie (links im Bild), und Astrid Hertig, Leiterin Pflege Onkologie (rechts im Bild), sind nicht etwa gekommen, um entspannende Thailand-Ferien zu machen. Sie haben den weiten Weg von Basel für ein ganz besonderes Projekt angetreten.


Die beiden Frauen sind Teil des Behandlungsteams des Patienten André Feuz. Der vormals in Basel an der Offenen Kirche tätige Zürcher Theologe erhielt vor rund vier Jahren die Diagnose kleinzelliges Lungenkarzinom. Seit der ersten Behandlung auf der Onkologie im Unispital ist schon einige Zeit vergangen. Viele Monate, in denen der Krebs und seine Therapiemöglichkeiten im Zentrum seines Lebens standen und doch Raum liessen für einen Austausch auf unbeschwerter Ebene – nicht von Fachperson zu Patient, sondern von Mensch zu Mensch. Gespräche, in denen auch die Ärztin und Pflegerin gefragt werden, wie es ihnen geht, in denen der Patient über seinen Alltag berichtet, losgelöst von seiner Krankheit und der notwendigen Therapie.

Durch diesen persönlichen Austausch konkretisierte sich über die Jahre die Idee zu ebendieser Reise, die Fatime Krasniqi und Astrid Hertig vor kurzem antraten. Für beide bedeutete dies die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches: ein freiwilliger Einsatz an einem Ort, wo man gebraucht wird. Ihr Einsatzgebiet: Eine Schule für Kinder burmesischer Migranten und Flüchtlinge in Mae Sot, im thailändischen Grenzgebiet zu Myanmar, für welche sich ihr Patient, André Feuz, stark macht.


André Feuz, ehemaliger Zürcher Theologe und Patient

Wir haben uns bei meiner ersten Chemotherapie im Universitätsspital Basel kennengelernt und seither immer wieder getroffen, zu Kontrollen und zur Besprechung weiterer Therapien. Vor zwei Jahren habe ich meinen Wohnsitz nach Thailand verlegt und versuche mit dem Verein Farmhouse School, Gelder zur Unterstützung für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zu generieren.

Bei meinen Besuchen in Basel und den Kontrollterminen in der Onkologie haben wir nicht nur über meine Krankheit, sondern auch über meine Projekte hier in Thailand gesprochen. Im vergangenen Oktober haben wir angefangen, den Einsatz der beiden Mitarbeiterinnen des Unispitals Basel konkret zu planen.

Der Besuch von Fatime und Astrid war mir mehr als willkommen. Ein besonderes Erlebnis, auch für die Kinder. Die meisten von ihnen haben noch nie einen Arzt oder eine Ärztin oder eine Pflegefachfrau gesehen. In den Gegenden, aus denen sie mit ihren Eltern geflüchtet oder ausgewandert sind, gibt es kaum medizinische Versorgung.

In den knapp zwei Wochen Einsatz für den Verein Farmhouse School standen medizinische Kontrollen und Impfungen auf dem Programm. Sie wurden in Zusammenarbeit mit dem RAM Hospital Mae Sot durchgeführt. Mit einer zehnköpfigen Gruppe von medizinischem Personal konfrontiert zu sein, löst wohl nicht nur bei burmesischen Kindern ein Unbehagen aus. Dennoch: «Es hat mich beeindruckt, mit welcher Offenheit und Freundlichkeit, mit wie viel Vertrauen uns die Kinder und Eltern begrüsst haben», sagt Astrid Hertig bei unserem Gespräch. Das RAM Hospital ist nach der Abreise von Fatime und Astrid um die Nachimpfungen besorgt und kümmert sich um die Impfungen für die Kinder, die im März nicht dabei sein konnten. Eine tolle Zusammenarbeit, die hoffentlich auch in Zukunft weiter besteht.

An den letzten zwei Einsatztagen sind wir mit ein paar Kindern und Eltern für weitere Abklärungen und Bildaufnahmen in Mae Sot ins Spital gefahren. Dabei handelte es sich um begleitete Fahrten, weil es für die Migranten ohne Ausweis manchmal mehr als schwierig ist, durch die Strassenkontrollen zu kommen. Wenn ein «Farang» – die thailändische Bezeichnung für alle Nicht-Asiaten – dabei ist, dann geht es einfacher. Manchmal werden dadurch auch die langen Wartezeiten im Spital etwas verkürzt. Der Einsatz hat sich für alle sehr gelohnt. Fazit: Von den mehr als hundert Kindern sind alle, bis auf zwei, gesund. Das ist sehr erfreulich, und gleichzeitig auch erstaunlich: «Bei den hygienischen Bedingungen, die wir angetroffen haben und unter denen die Schülerinnen und Schüler zum Teil leben, hatte ich bei den Untersuchungen ein anderes Ergebnis erwartet. Dass wir praktisch nichts gefunden haben, ist grossartig.»

Ein schöneres Schlusswort als das der Ärztin Fatime Krasniqi kann es gar nicht geben.



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