Editorial

Traumjob ja oder nein?

Was haben Sie heute geträumt? War es die Traumreise, das Traumhaus oder gar der Traumberuf? Lassen Sie mich raten. Traumberuf wohl eher nicht, denn vielleicht haben Sie ihn ja gefunden und gehen der Tätigkeit nach, die Sie erfüllt. Um dennoch beim Thema Beruf zu bleiben: Mich beschäftigt der neue Traumjob zahlreicher junger Frauen und Männer: Influencerin oder eben Influencer.

Mit einer gewissen Faszination (und Skepsis) für die Social Media-Welt (ver)folge ich (Followerin) Informationen zu dieser Tätigkeit mit scheinbar hohem Kultstatus. Nebst dem Fun, Marken oder Produkte in sozialen Netzwerken zu präsentieren, scheint diese Aktivität zudem äusserst lukrativ zu sein. Damit wir uns richtig verstehen: Ich möchte herausfinden, was denn so cool ist, Influencerin zu sein. Ehrlicherweise muss ich mir dazu zunächst selbst die Frage stellen, ob nicht auch ich eine Influencerin bin mit dem, was ich tue, im Beruf, den ich ausübe? Beeinflusse ich etwa? Die Antwortet lautet: Ja, ich bin Meinungsmacherin, wenn ich texte, redigiere und Gazzetta-Beiträge platziere.

Ich stehe ja auch, wie wir alle, für ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Marke. Wenn Sie so wollen: Als Arbeitnehmerin stehe ich unter dem Einfluss des Universitätsspitals. Wenn ich mit meinem Handeln dazu beitrage, dass man von unserem Haus eine gute Meinung hat, lasse ich mir die Bezeichnung Influencerin gefallen. Also doch: Traumjob! Ich freue mich über Follower in die Herbst-Gazzetta.

Ihre Gina Hillbert


Dritter Grundpfeiler

Innovation & Forschung: Neues fördern

Der Leitsatz der Strategie 2020 lautet «Gemeinsam – forschend und innovativ zu Exzellenz für die Patienten». Er spiegelt die Arbeit von Prof. Markus Tolnay, Chefarzt Pathologie USB, und PD Dr. Andreas Wicki, Leiter Onkologie und Hämatologie KSBL und Leiter Molekulares Tumorboard USB & KSBL, hervorragend wider.

Markus Tolnay und Andreas Wicki arbeiten mit ihren Teams gemeinsam an einer exzellenten Behandlung von onkologischen Patientinnen und Patienten – unter Anwendung innovativer Methoden und neuester Technologien in Diagnostik und Befundung. Sie berichten über Fortschritte am Beispiel der molekularen Tumordiagnostik und der digitalen Pathologie und darüber, wie diese den Patientinnen und Patienten in der Nordwestschweiz unmittelbar zugute kommen.

Krebs ist nicht gleich Krebs

Bei der Krankheit Krebs handelt es sich um ein Spektrum von Erkrankungen mit unterschiedlichen Merkmalen und Behandlungsstrategien, deren gemeinsames Kennzeichen das unkontrollierte Wachstum entarteter Zellen ist. Klassischerweise wurden Krebserkrankungen immer nach ihrem Ursprungsorgan benannt, also zum Beispiel Lungenkrebs, Brustkrebs oder Darmkrebs. Mittlerweile weiss man, dass es sich hierbei nicht nur um eine veraltete, sondern auch um eine nicht immer ganz richtige Sicht der Dinge handelt. Tumoren, die in verschiedenen Organen entstehen, können sich biologisch bisweilen deutlich ähnlicher sein als unterschiedliche Tumorarten, die im selben Organ entstehen. So sind bestimmte Ovarial- und Mammakarzinome auf genetischer Ebene weit enger verwandt als unterschiedliche Mammakarzinom-Subtypen. Doch warum sind diese Überlegungen relevant? Weil sowohl die Prognose als auch die Empfindlichkeit der Tumoren auf spezifische Therapieansätze von eben diesen genetischen, molekularen Merkmalen abhängt. In der Pathologie können mithilfe feingeweblicher (histologischer) und genetischer (Sequenzierung von Tumor-DNA) Untersuchungen heutzutage präzise Informationen gewonnen werden, die massgeschneiderte Therapieansätze für jeden einzelnen Patienten ermöglichen sollen. Wir sprechen dabei von personalisierter oder individualisierter Therapie.

Innovative Technologien: Fluch und Segen zugleich

Zwei innovative Technologien haben in den letzten fünf Jahren zu einem grossen Fortschritt im Verständnis von Tumorerkrankungen geführt: Sequenzierung und digitale Pathologie.

Die Sequenzierung des Erbguts (Genom) von Tumoren hat die Krebsdiagnostik entscheidend verändert. Im Jahr 2000 wurde erstmals ein menschliches Genom vollständig sequenziert, der Prozess hatte zehn Jahre in Anspruch genommen. Heute stehen im USB und im KSBL zahlreiche Sequenziergeräte, von denen jedes einzelne acht komplette menschliche Genome pro Tag analysieren kann. Mit diesen neuen Technologien können wir viele Eigenschaften eines Tumors rasch und zuverlässig bestimmen. Die Pathologie am USB ist diesbezüglich eines der führenden Institute in der Schweiz.

Mit der digitalen Pathologie kann die morphologische Analyse des Tumorgewebes standardisiert und über mehrere Standorte hinweg vereinheitlicht werden. Sie ermöglicht es, das komplexe Zusammenspiel von Tumorzellen und Immunzellen besser analysieren und objektivieren zu können (sogenannte «next generation morphology»), wobei auch computergestützte Bilddatenanalysen zur Anwendung kommen werden. Auf diese Weise dürfte die digitale Pathologie zu einem zentralen Baustein bei der Unterscheidung von Tumoren werden, die eine starke Immunantwort hervorrufen und bei solchen, die Wege gefunden haben, vom Immunsystem verschont zu werden. Diese Eigenschaft hat wiederum einen unmittelbaren therapeutischen Einfluss auf ein Ansprechen von Tumoren auf Immuntherapien. Um diese neuen Werkzeuge der Pathologie einsetzen zu können, haben das USB und das KSBL bereits 2015 das gemeinsame molekulare Tumorboard sowie das Immuntherapieboard gegründet.

Beide Veranstaltungen bieten den Betreuenden unserer Patientinnen und Patienten einen adäquaten Rahmen, um innovative Diagnostik- und Therapieansätze jenseits der schon etablierten medizinischen Standards vorzuschlagen, zu diskutieren und unter Einhaltung der Good Clinical Practice anzustossen. Im Rahmen von Forschungsprojekten werden darüber hinaus Untersuchungen auch auf experimentellen Plattformen der ETH Zürich durchgeführt. Am USB und am KSBL erforschen wir, ob solche Analysen für eine weitere Individualisierung der Behandlung unserer Patientinnen und Patienten genutzt und wie sie in etablierte Diagnostik- und Therapiealgorithmen eingebunden werden können. Viele Neuerungen in der Krebsmedizin sind allerdings Fluch und Segen zugleich. So können wir zwar die biologischen Eigenschaften von Tumoren viel genauer bestimmen als je zuvor – es werden immer mehr Tumoren sequenziert –, die Komplexität der Ergebnisse ist aber enorm und wirft noch viele Fragen auf. Eines steht aber fest: Eine dauerhafte Verbesserung in der Prognose von Krebspatientinnen und -patienten wird nur durch eine zunehmende Etablierung der personalisierten Medizin möglich sein.

Szenario im Jahr 2030

Onkologen und Pathologen treffen sich um 8.00 Uhr am molekularen Tumorboard. Wir besprechen 15 Patienten, deren Tumorgewebe nach neuesten Erkenntnissen sequenziert wurde, das aber auch auf der Ebene der Eiweisse, der Zuckerverbindungen und des Therapieansprechens auf Einzelzellebene untersucht wurde. Mittels digitaler Pathologiealgorithmen haben wir herausgefunden, dass der Tumor aus vier verschiedenen Anteilen besteht, die sich biologisch unterschiedlich verhalten und jeweils einer spezifischen Therapie bedürfen. Niemand kann sich alle Daten und Faktoren mehr merken, die heute für einen Therapieentscheid nötig sind. Zum Glück gibt es klinisch geprüfte Algorithmen, welche der Computer verwendet, um eine kleine Anzahl der am besten geeigneten Therapien vorzuschlagen. Das Board prüft den Vorschlag des Computers auf Plausibilität. Die anwesenden Klinikerinnen und Kliniker kennen den Patienten und geben Ratschläge, welche Behandlung in Anbetracht seiner Lebensumstände sowie allfälliger weiterer Krankheiten am sinnvollsten erscheint. Um 10.00 Uhr werde ich dann als Onkologe meinen Patienten selbst sehen und mit ihm besprechen, welche Behandlung wir effektiv zusammen durchführen wollen. Ich denke darüber nach, welche beeindruckenden Fortschritte in der Diagnostik und Therapie in den vergangenen zehn Jahren erzielt worden sind. Eines hat sich jedoch nicht geändert: Das persönliche Gespräch mit dem Patienten, für welches jetzt allerdings mehr Zeit als früher zur Verfügung steht.

Innovation und Forschung für die Patientinnen und Patienten

Das universitäre Forschungsumfeld im USB und KSBL ermöglicht uns kontinuierliche Innovation. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse können dabei rasch im Klinikalltag angewendet werden. Neue Technologien in der Pathologie tragen ganz entscheidend dazu bei, dass sowohl die Diagnostik wie auch die Behandlung von Krebserkrankten bereits jetzt, aber auch in der Zukunft, eine ganz andere sein wird.

Die Information, wie unser Körper Eiweisse herstellen soll, wird im Erbgut jeder kernhaltigen Zelle gespeichert. Die menschliche Erbinformation wird abgebildet durch die Abfolge von sogenannten Basen, welche A(denin), C(ytosin), G(uanin) und T(hymin) genannt werden. Das gesamte Genom besteht aus 3 x 109 Basenpaaren. Bei der Sequenzierung werden die Basen gelesen und es wird daraus vorhergesagt, wie ein bestimmtes Eiweiss dreidimensional aussieht. Tumoren weisen Mutationen des Erbguts auf, das heisst die Abfolge der Basen ist krankhaft verändert. Dadurch entstehen Eiweisse, welche eine falsche Struktur und/oder Funktionalität aufweisen. Diese veränderten Eiweisse sind aber nicht nur die Ursache der Tumorerkrankung, sondern können auch ihre Achillesferse sein. So können sie entweder als Zielmoleküle für Medikamente dienen, welche die Funktion des Eiweisses hemmen oder als Ziel für Immunzellen fungieren, welche veränderte beziehungsweise «fremde» Eiweisse erkennen und die betroffenen Zellen eliminieren.

Die histologische Untersuchung und Klassifikation von Tumoren erfolgt seit Jahrzehnten unter dem Mikroskop. Im Gegensatz zur Radiologie, die schon lange keine Filme oder Folien mehr verwendet und die Daten bereits in digitaler Form produziert, ist in der Pathologie die Aufarbeitung von Gewebe und damit das Anfertigen von mikroskopierbaren Schnittpräparaten auf gläsernen Objektträgern nicht zu ersetzen. Mithilfe innovativer Techniken können die Präparate aber nach Fertigstellung mit sogenannten Slide-Scannern eingelesen werden und ein digitales Mikroskopieren am Bildschirm (und damit ohne Mikroskop) ermöglichen. Auf diese Weise kann die Diagnostik an jedem Ort mit entsprechendem Netzwerkzugang und hochauflösendem Bildschirm erfolgen. Auch die Diskussion diagnostisch anspruchsvoller Fälle kann auf Knopfdruck mit Kollegen in der ganzen Welt erfolgen. Zusätzlich ermöglicht die digitale Mikroskopie die Unterstützung durch moderne Bilddaten-Analysen, die zum Beispiel Färbungen gegen spezifische Oberflächenproteine automatisiert und exakt auswerten kann. Die Folge ist eine stärker objektivierbare Analyse der histologischen Charakteristika von Tumoren, die ebenfalls therapeutische Implikationen nach sich ziehen wird.


Downloads


Kommentare (0)

Keine Kommentare zu diesem Artikel vorhanden. Sei die/der Erste, der diesen Artikel kommentiert.



Keine Ausgabe verpassen –
Erinnerungsservice abonnieren!