Operation am Bauch
Erholung beginnt vor dem Eingriff
Der Erholungsprozess nach einer Operation beginnt schon vor der Operation. Dafür sorgt in der Viszeralchirurgie des Universitätsspitals Basel das ERAS®-Programm, von dem Patientinnen und Patienten mit bauchchirurgischem Eingriff profitieren. Nancy Langer ist ERAS®-Fachverantwortliche. Sie hat bei der Implementierung des ERAS®-Behandlungskonzepts Pionierarbeit geleistet und ist in ihrem Traumberuf angekommen.
Nehmen wir an, Sie stehen vor einer Bauchoperation. Sie möchten möglichst wenig Schmerzen und Übelkeit, eine rasche Mobilisation, zeitnahe Erholung und möglichst bald zurück in Ihren Alltag. Ein interprofessionelles Team, welches den über 20 Elementen des ERAS®-Programms in Ihrem individuellen Behandlungspfad folgt, bringt Sie diesen Zielen so nah wie möglich. Sie als Patientin oder Patient haben allerdings grossen Anteil daran, ob dies gelingt, denn Sie sind aktiv in das Programm eingebunden. ERAS® steht für Enhanced Recovery after Surgery, was bedeutet: schnellere Erholung für Patienten nach einem bauchchirurgischen Eingriff. ERAS® beginnt also schon vor der Operation.
Die ERAS®-Nurse-Sprechstunde
In meiner Funktion als ausgebildete ERAS®-Nurse (oder ERAS®-Fachverantwortliche) leite ich in der prästationären Phase die ERAS®-Sprechstunde. Hier bereite ich die Patientinnen und Patienten physiologisch und psychologisch auf den bevorstehenden Eingriff vor und baue damit Vertrauen auf. Dabei erfasse ich in einem strukturierten Assessment die individuelle Situation und die Bedürfnisse des Patienten und erläutere umfassend die Kernaspekte des ERAS®-Programms. Meine Hauptaufgabe in der ERAS®-Sprechstunde besteht in der Patientenschulung, wodurch Vertrauen und Sicherheit aufgebaut werden und der Patient aktiv in den Erholungsprozess eingebunden werden kann.
Gegen 10 Uhr treffe ich die Patientin zum Vorgespräch und zur Vorbereitung auf die Operation. Die Sprechstunde findet auf Chirurgie 6, im Klinikum 1, statt.
Nach einer freundlichen Begrüssung erzählt mir die Patientin, welcher operative Eingriff ihr bevorsteht und welche Ängste und Sorgen sie bedrücken. Im Verlauf des Gesprächs erzählt sie mir vieles aus ihrem Leben und über die heutige Situation zu Hause, zum Beispiel wie sie mit ihrem Ehemann und den Haustieren lebt.
Bald schon merke ich während des eingehenden Pflege- und Sozialassessments, dass die Patientin ihre Stimme immer wieder senkt und leiser wird. Der Schuh drückt eigentlich nicht beim bevorstehenden Eingriff, sondern in Bezug auf die Planung ihrer Abwesenheit von zu Hause.
Die Patientin beruhigt sich zusehends, als ich ihr Möglichkeiten vorschlage, die sie in dieser Situation entlasten können. Gefasst folgt sie mir auf dem ERAS®-Behandlungspfad. Es fällt mir plötzlich auf, wie interessiert die Patientin ist und wie verständnisvoll sie die Informationen aufnimmt.
Beim Durcharbeiten der ERAS®-Informationsbroschüre und damit dem eigentlichen Tagebuch für die Patientinnen und Patienten schaut sie überrascht auf und lacht: «Was, Kaugummi sollte ich auch noch kauen und in meinem Alter damit erneut beginnen?» Schnell versteht sie den Grund für den Kaugummi und meint: «Klar, damit unterstütze ich das Verdauungssystem, das leuchtet mir ein.»
Das rasche Aufstehen nach der Operation stelle für sie kein Problem dar, meint sie. Sie weiss, dass der Kreislauf davon profitiert und dass es ihr dadurch auch rasch bessergehen wird.
Besonders erleichtert ist die Patientin auch darüber, dass sie schon bald nach der Operation wieder essen darf. Ein Bedürfnis, das ihr verständlicherweise sehr am Herzen liegt.
Schnell willigt die Patientin ein, aktiv am ERAS®-Programm teilzunehmen und ihr Tagebuch bestmöglich zu führen: «Dann habe ich ja jeden Tag etwas, worüber ich mit Ihnen diskutieren kann, wenn Sie auf Visite kommen».
Koordination beteiligter Behandlungsteams
Mich fasziniert einerseits das direkte, intensive Arbeiten mit der Patientin oder dem Patienten. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist jedoch die Koordination der verschiedenen beteiligten Berufsgruppen im ERAS®-Programm. Hierbei besteht die Herausforderung vor allem im Erreichen einer reibungslosen Zusammenarbeit des interdisziplinären Behandlungsteams. Im Alltag bedeutet das zum einen, die zum Teil traditionellen Routineprozesse in der Chirurgie, Pflege, Anästhesie, Ernährungsberatung und Stomaberatung zu überwinden und die Behandlungspfade dem ERAS®-Programm anzupassen. Gleichzeitig muss die gegenseitige Wertschätzung gefördert werden, was zuweilen viel Fingerspitzengefühl erfordert. Zum anderen muss ich darauf achten, dass möglichst alle der über 20 ERAS®-Elemente im Behandlungspfad bei allen Patientinnen und Patienten umgesetzt werden; denn je mehr davon angewandt werden können, desto besser sind die postoperativen Resultate.
Rückmeldung einer zufriedenen Patientin
Die Darmoperation war bereits meine elfte Operation mit verschiedenen Diagnosen an diversen Spitälern. Nie zuvor habe ich mich vor, während und nach der Operation in so guten Händen gefühlt wie im USB. Über die bevorstehende OP wurde ich von Frau Langer, ERAS®, der Anästhesie und Viszeralchirurgie ausführlich informiert. Meine Fragen wurden stets zufriedenstellend beantwortet und ich erfuhr Ermutigung für die bevorstehende OP.
Sehr beeindruckt war
ich von der Gesamtheit der Abläufe, man redet miteinander. Durch die
optimale Vorbereitung bin ich ohne starke Schmerzen, Übelkeit, Hunger
oder Durstgefühl aus der Narkose erwacht. Super Cocktail! Ich konnte
mich sehr schnell und ohne Hilfe frei bewegen. Am zweiten Tag konnte ich
bereits auf dem Gang auf- und ablaufen, am dritten Tag habe ich sieben
Stockwerke im Treppenhaus bewältigt mit der Wirkung, dass ich keine
Abführmedikamente einnehmen musste, sich mein Blutdruck normalisierte
und ich eine gute Nacht hatte. Ich bestätige ERAS® als ein
Erfolgsprogramm. Herzlichen Dank für die sehr gute Betreuung.
Vom Entscheid bis zur Zertifizierung
Ich habe seit dem Entscheid zur Implementierung des ERAS®-Behandlungspfades für viszeralchirurgische Patientinnen und Patienten am Aufbau und der Umsetzung mitgearbeitet und wurde von Beginn an durch die verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte, meine Stationsleiterin und die Leitung Pflege des Bereichs Chirurgie unterstützt. Viele engagierte Mitarbeitende unterstützten mich bei der Konkretisierung des Behandlungspfads und trugen zu den positiven Resultaten, die wir inzwischen verzeichnen können, bei. Mittlerweile können wir eine deutliche Reduktion vor allem der nicht-chirurgischen Komplikationen (wie beispielsweise Delir oder tiefe Venenthrombose) aufweisen, den Pflegeaufwand reduzieren und die Spitalaufenthaltsdauer signifikant reduzieren, was die komplikationsbedingten Kosten natürlich erheblich verringert.
Ich bin vielen Verantwortlichen am Universitätsspital Basel dankbar, dass ich das Vertrauen erhalten habe, den ERAS®-Behandlungspfad innovativ mitzugestalten und anschliessend erfolgreich in der Viszeralchirurgie zu implementieren. Ich möchte insbesondere PD. Dr. Henry Hoffmann, PD. Dr. Oliver Bandschapp (Anästhesie) und Elisabeth Goustiaux (Anästhesiepflege) danken. Ohne deren Engagement und Unterstützung wäre ein solcher Erfolg nicht möglich gewesen. 2016 erhielt die Viszeralchirurgie die offizielle ERAS®-Zertifizierung für bauchchirurgische Eingriffe. Die Erreichung einer hohen Einhaltung der Standards durch zielbewusstes Arbeiten und unsere überzeugte Einstellung bewirken bei den Patientinnen und Patienten, dass sie umfassend von einer evidenzbasierten Chirurgie profitieren können.
Unsere positiven Ergebnisse interessieren zunehmend auch andere Spitäler. Gemeinsam mit dem ERAS®-verantwortlichen Arzt PD. Dr. Henry Hoffmann berichte ich an nationalen und internationalen Symposien und Kongressen über unsere Erfahrungen mit ERAS®.
Angekommen im Traumberuf
Während der Ausbildung zur Stationsleiterin und zur Pflegefachfrau HöFa I (Höhere Fachausbildung Pflege) habe ich mir wichtige Kompetenzen in Management, Schulung und Coaching angeeignet, die mir heute bei der Koordination des ERAS®-Programms sehr helfen. Meine mir angeborene Art, den Menschen individuell und offen zu begegnen, ermöglicht mir verlässlich, meine Tätigkeit in meinem Berufsalltag und als ERAS®-Fachverantwortliche auszuführen. Es freut mich stets, mit meinem persönlichen Engagement und in der interprofessionellen Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zu leisten zum Wohlergehen unserer Patientinnen und Patienten.
Über Umwege konnte ich somit meinen Traumberuf als Pflegefachfrau erweitern und die Passion, Patientinnen und Patienten zu begleiten, Entwicklungen in der Pflege und in der Medizin anzustreben und im Gesundheitswesen umzusetzen, durch neue Herausforderungen vertiefen. Das positive Feedback und die hohe Zufriedenheit der ERAS®-Patientinnen und -Patienten wie auch deren Angehörigen bestätigen die Wichtigkeit patientenzentrierter, koordinierter Arbeitsabläufe und das Engagement für die Patientinnen und Patienten meinerseits.
Claraspital und Universitätsspital Basel schaffen ein gemeinsames Zentrum für die Behandlung von Bauchpatienten.
Die beiden Partnerspitäler tragen mit dieser Modellkooperation dazu bei, dass in der Region Basel weiterhin hochspezialisierte Medizin angeboten wird und sie schaffen neue Möglichkeiten für die Forschung.
Therapie auf höchstem Niveau für alle Bauchpatienten
- Dazu werden die entsprechenden Ärztinnen und Ärzte, das Spezialpflegepersonal (Endoskopie etc.) sowie das Case Management in einer neuen Gesellschaft zusammengeführt.
- Alle anderen Mitarbeitenden, z.B. das Pflegepersonal auf den Stationen oder das OP-Personal, verbleiben in den heutigen Organisationen.
- Die viszeralchirurgische und gastroenterologische Grundversorgung bleibt an den beiden heutigen Standorten der Partnerspitäler bestehen.
- Die hochspezialisierte Medizin wird jeweils dort zur Anwendung kommen, wo die Kompetenz am grössten ist. Notfälle werden weiterhin an beiden Standorten aufgenommen.
- Für die Patientinnen und Patienten sowie die Zuweiser bedeutet dies, dass sie bei grösstmöglicher Wahlfreiheit immer eine bedarfsgerechte, ausgezeichnete Therapie erhalten.
Die Forschung wird einen hohen Stellenwert einnehmen: Drei Professuren in den Bereichen Viszeralchirurgie, Gastroenterologie und Hepatologie werden in Clarunis zusammengeführt.
Bei Clarunis arbeiten rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind circa. die Hälfte Ärztinnen und Ärzte, die andere Hälfte sind Fachleute in der Spezialpflege, im Case Management sowie der Administration.
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