Editorial

Geschlossen

Wer steht schon gern vor einer geschlossenen Tür: «Wegen Betriebsferien geschlossen», «Heute ausnahmsweise geschlossen», «Geschlossene Gesellschaft». Ausser vielleicht einem kurzen Moment des Ärgers, den solche Schilder auslösen, sind sie keinen weiteren Gedanken wert. Es ist eben, wie es ist. Anders dies: «Wald geschlossen». Wie bitte? Das hört sich drastisch an. Mein Wald, mein Erholungsgebiet, mein Freiheitsrefugium ist nicht mehr zugänglich. Geschlossen, zu, aus, finito. Von heute auf morgen. Und ich stehe draussen vor dem Tor zum Wald und habe, verflixt, keinen Schlüssel dabei. Die Natur will mich also ausschliessen.

«Wald geschlossen». Dieses Schild möchte ich nicht wirklich antreffen. Aber der etwas überspitzte Titel einer Zeitungskurzmeldung zur Teilsperrung des Hardwalds wegen Trockenheitsschäden hat mich erschreckt. Ich male mir ein Szenario in düsteren Farben aus, wenn ich tatsächlich vor einer Schranke stehe, einen Eintrittscode eingeben muss und es dann heisst «Sorry, Wald wegen Überfüllung geschlossen. Versuchen Sie es später wieder».

Die Natur darf ich nutzen, aber nicht benutzen. Fortan werde ich mich noch behutsamer und achtsamer in der Natur bewegen, um nicht irgendwann ausgeschlossen zu werden. Zu gross die Sehnsucht nach Spaziergängen durch den farbigen Herbstwald und nach dem Geraschel von welken Blättern unter den Schuhsohlen.

Schöne Erlebnisse in der offenen Natur wünscht Ihnen

Ihre Gina Hillbert


Transfer ist gut,

Transition ist besser.

Von der Kunst, den Übergang bei Kindern oder jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen von einer kindzentrierten hin zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung zu gestalten.

In der gemeinsamen Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche von Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) und Universitätsspital Basel (USB) steht der strukturierte Transitionsprozess junger Rheumapatientinnen und -patienten im Vordergrund. Am Beispiel der 18-jährigen N.S. wird dies im Folgenden gezeigt.

Rheumatische Erkrankungen werden meist mit älteren Menschen assoziiert. In der Rheumatologie werden aber auch junge Erwachsene und sogar Kinder mit unterschiedlichen chronisch-entzündlichen Erkrankungen behandelt. Dabei handelt es sich um Erkrankungen, die eine hochspezialisierte Betreuung benötigen. 40–50% der jungen Patientinnen und Patienten benötigen auch im Erwachsenenalter weiterhin eine medizinische Betreuung. Die Juvenile Idiopathische Arthritis (JIA) ist die häufigste rheumatologische Diagnose im Kindes- und Jugendalter. Die 18-jährige N.S. kommt deswegen alle drei Monate ins USB zu einem Kontrolltermin in die Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche. Mit 13 Jahren hat N.S. die Diagnose JIA erhalten, bei anhaltenden starken Schmerzen im rechten Knie sowie in den Handgelenken. Im Verlauf hat sich gezeigt, dass die Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen auch Auswirkungen auf ihre Schulleistung, ihre Lehrstellen-Auswahl, den Freundeskreis und die sozialen Kontakte hatten.

Von der Kindermedizin in die Erwachsenenmedizin

geführt Seit der Diagnose war N.S. im UKBB in Behandlung und wurde dort von Dr. Andreas Wörner in der rheumatologischen Kinder-Sprechstunde betreut. Da absehbar war, dass sie wegen ihrer Krankheit auch als Erwachsene eine Behandlung brauchen wird, hat Dr. Wörner Frau S., nachdem sie 15 Jahre alt geworden war, in die gemeinsame Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche aufgenommen.

Dieser Übergang – die sogenannte Transition – von der Kindermedizin in die Erwachsenenmedizin kann schwierig sein. Nicht nur für die in unserem Beispiel junge Patientin N.S., sondern auch für die Eltern und das Behandlungsteam. Es stellt sich immer wieder die Frage, wie der Schritt in die Selbstständigkeit erfolgen kann. Damit der Transfer gelingt, muss der Übergang sorgfältig begleitet werden. Nicht nur das Ankommen im Spital der Erwachsenenwelt ist wichtig, sondern auch die Frage, wie die Betreuung dort weiterhin erfolgreich sein kann. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle. Chronische Krankheit wird in dieser Altersgruppe oft verdrängt, Arzttermine werden nicht eingehalten und Medikamente nicht regelmässig eingenommen. Werden diese Begleitumstände vom Behandlungsteam ignoriert und nicht thematisiert, wird die Behandlung von den jungen Patientinnen und Patienten leider oft abgebrochen. Die Folge kann sein, dass ein Arztbesuch erst dann wieder erfolgt, wenn schon eine fortgeschrittene Erkrankung mit bleibenden Schäden aufgetreten ist. Aus Studien wissen wir, dass in einigen europäischen Ländern mittlerweile die 18- bis 24-Jährigen die medizinisch am schlechtesten betreute Altersgruppe überhaupt ist.

Aus diesen Gründen hat die Rheumatologische Klinik des UKBB gemeinsam mit der Rheumatologie am USB im Januar 2018 die bestehende Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche neu aufgestellt unter Berücksichtigung der neuesten Entwicklungen und Empfehlungen für diese Patientengruppe. Daraus ist ein gemeinsames Angebot für Patientinnen und Patienten, die an der Schwelle zum Erwachsenenalter stehen, entstanden. Je nach Alter, Erkrankung und Verlauf werden sie Schritt für Schritt in die Betreuung der Erwachsenenmedizin geführt.

Das Team der Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche freut sich über den Preis für das beste Praxisprojekt «A transition clinic or a clinic for young people – what’s in a name? The challenges of developing a transition clinic from the ground up». Von links: Dr. Michelle Roth, Assistenzärztin Rheumatologie UKBB; Mary Louise Daly, Pflegefachfrau Rheumatologie und Medizinische Poliklinik USB; Dr. Lut Berben, Pflegeexpertin UKBB; Dr. Andrea Amstad, Assistenzärztin Rheumatologie USB; Prof. Thomas Daikeler, Rheumatologie USB; Dr. Andreas Wörner, Rheumatologie UKBB

Spezialisiertes Behandlungsteam übergibt und übernimmt nahtlos

Das Behandlungsteam besteht aus Kinder- und Erwachsenen- Rheumatologen und den für diese Aufgabe ausgebildeten Pflegefachkräften. Bei Bedarf werden Psychologinnen, Physiotherapeuten, Ergotherapeutinnen, Sozialdienstmitarbeitende und Pharmazeuten miteinbezogen. Dieses Setting ist wichtig, denn für chronisch kranke Patientinnen und Patienten ist die Adoleszenz (11.–21. Lebensjahr) eine besonders kritische Zeit. Die Erkrankung tritt dann oft in den Hintergrund, da sie nicht zum Selbstbild passt. Auch die erhöhte Risikobereitschaft spielt in diesem Alter eine nicht zu unterschätzende Rolle. Ohne enge Begleitung durch eine strukturierte Transition gehen viele dieser jungen Patientinnen und Patienten verloren und es kommt zu Behandlungsversäumnissen. Dies kann folgenschwere Auswirkungen auf das weitere Leben der Jugendlichen haben.

Ready-Steady-Go

Der Ablauf der Sprechstunde basiert auf dem Ready-Steady-Go- Konzept. Vier Checklisten mit wichtigen Themen wie beispielsweise Selbstverantwortung, Umgang mit Medikamenten, Krankheitsverständnis, berufliche Zukunft und soziale Aspekte wie Beziehungen, Schulsituation, Familie werden verwendet. Die Pflegefachfrau Mary Louise Daly bespricht sie individuell mit den jungen Patientinnen und Patienten. Dies ermöglicht eine Einschätzung der Fähigkeiten und der Reife der Patientin. Dadurch kann spezifisch auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingegangen, der Transitionsprozess individuell angepasst und gestaltet werden. Das ist wichtig, da in der Pubertät das biologische Alter und das tatsächliche Alter deutlich variieren können. Das Ziel ist es, die Jugendlichen gut zu unterstützen und auf den Übertritt in die Erwachsenenmedizin vorzubereiten und somit den richtigen Moment für den Transfer zu finden. In der ersten Phase ist hauptsächlich Dr. Andreas Wörner vom UKBB involviert, später kommt der Erwachsenen-Rheumatologe Prof. Thomas Daikeler hinzu und übernimmt die medizinische Betreuung im USB.

Zurück zur jungen Patientin N.S.

Über die vergangenen fünf Jahre hat Frau S. vieles bewältigt. Am Anfang hat die Mutter ihr die Medikamente besorgt und gespritzt. Mit der Zeit und dank der Unterstützung des Rheumatologie-Teams für Jugendliche ist N.S. jetzt in der Lage, ihre Erkrankung und die erforderliche Therapie selbstverantwortlich zu meistern. Dabei muss sie auf vieles achten: regelmässige Medikamenteneinnahme, ärztliche Verlaufskontrollen, der Umgang mit Alkohol und Nikotin sowie wichtige Informationen über den Einfluss der Medikamente auf Sexualität und Kontrazeption. In der Rheumatologie-Sprechstunde für Jugendliche haben alle Themen Platz. Durch Workshops und andere Veranstaltungen mit Peers soll der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten erhalten bleiben. Frau S. wird weiterhin in der Sprechstunde für Jugendliche betreut und unterstützt, bis sie diese Betreuung nicht mehr benötigt und dann in der Erwachsenen-Rheumatologie betreut werden kann.

Wir entwickeln uns weiter

Durch den Einsatz von Dr. Lut Berben, Pflegeexpertin des Pflegeentwicklungsteams UKBB, wird die Sprechstunde auf wissenschaftlicher Basis fortlaufend evaluiert. Das Angebot untersteht dadurch der steten Überprüfung und Verbesserung. Dies ist wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Transition. Das Projekt hat den Preis für das beste Praxisprojekt am Jahressymposium 2019 der Health Professionals Rheumatologie gewonnen.



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