Dr. Mohy Taha, Oberarzt Orthopädie und Traumatologie, hat eine Plattform für klinische und Forschungs-Fellowships aufgebaut. Was die Idee dahinter ist und welche Ziele er damit verfolgt, dazu äussert sich der Chirurg im Gazzetta-Interview.
my-fellowship ist eine Open-Source-Enzyklopädie für Fellowships, welche im Grunde ähnlich funktioniert wie Wikipedia oder Trip Advisor. Jeder kann darauf ein Fellowship anbieten. Wird ein neues erstellt, wird es verifiziert und im positiven Fall publiziert. Weiter erlaubt die Plattform den Usern, sich zu vernetzen und sich über lokale Gegebenheiten und Bewilligungsverfahren auszutauschen. Es ist im Prinzip eine Art Treffpunkt für alle, die etwas mit Fellowships zu tun haben. Im besten Fall können über die Plattform auch industrielle Sponsoren gefunden werden, welche sich dann an den Kosten für Fellowships beteiligen. Denn im Gegensatz zu Forschungsaufenthalten müssen viele klinische Fellowships aus der eigenen Tasche bezahlt werden.
Ich habe selber fünf Fellowships absolviert und es war immer eine grosse Herausforderung, eine passende Stelle zu finden, welche meine Erwartungen erfüllte. Die Organisation ist oft mühsam und vor allem sehr zeitintensiv, da es Berge an Informationen zu durchforsten gilt. Gibt man «Fellowship» bei Google ein, werden circa 170 Millionen Resultate angezeigt, was die Suche nicht gerade vereinfacht. In Australien habe ich gemerkt, dass die Begeisterung für ein Fortbildungsprogramm ohne gründliche Planung rasch Ernüchterung weichen kann. Denn oft decken sich Erwartungen und Realität nicht, und so kommt es bei Fellowships immer wieder zu Abbrüchen. Dieses Problem wollte ich angehen, was den Startschuss für das Projekt bedeutete. Auch habe ich meine Erfahrungen und zahlreiche Tipps und Tricks in einem Buch mit dem Titel «A Roadmap to Australian Fellowships» zusammengefasst. Es soll jungen Ärztinnen und Ärzten, welche ein Fellowship absolvieren wollen, dabei helfen, dieses zu organisieren. Jeder User von my-fellowship.com erhält ein kostenloses Exemplar.
Fellowships sind ein wichtiger Teil unserer Weiterbildung geworden und ihre Bedeutung nimmt weiter zu. Sie helfen jungen Ärztinnen und Ärzten und Wissen- schaftlern, mehr Routine zu erlangen. In Australien, England, Kanada oder in den Vereinigten Staaten ist es bereits so weit, dass man ohne abgeschlossenes Fellowship kaum noch eine gute Oberarztstelle findet. In der Schweiz wird für das Erlangen einer Habilitation mindestens ein einjähriges Fellowship verlangt.
Diese Frage habe ich mir anfangs natürlich auch gestellt. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, auf einer Webseite eine Umfrage unter Ärzten und Forschenden durchzuführen. Von Dezember 2018 bis April 2019 konnten wir über 9’000 Websitebesuche aus 129 Ländern und über 900 Antworten auf unsere Fragen verzeichnen. Die grosse Resonanz hat mich überwältigt.
Die Feedbacks zum Projekt, die Rückmeldungen von allen, welche die Plattform nutzen und Leute, die an die Idee glauben, sind meine Motivation. Auf Social Media erhalte ich viel Lob von Menschen, die mir erzählen, dass sie sehr lange einen solchen Dienst gesucht haben. Sie haben das Problem zum Teil selbst erlebt und keine Lösung gefunden. Nun sind sie froh, dass das jemand in die Hand genommen hat. Es ist ein allgemeines Problem solcher Plattformen, dass sie per se kein Geld generieren. Deshalb ist es für Investoren oder grosse Firmen nicht so attraktiv, an einem solchen Projekt zu arbeiten. Ich habe sehr von meinem Fellowship profitiert, das ist nun mein «give back». Jedes positive Feedback motiviert mich und mein Team, die Weiterentwicklung der Plattform voranzutreiben. Wenn man ein Problem erlebt hat, sollte man meiner Meinung nach nicht nur über das Problem reden, sondern eine Lösung suchen. Genau das habe ich nun über die letzten 36 Jahre hinweg versucht (lacht). Immer wenn ich ein Problem sehe, versuche ich, es zu lösen, statt nur zu jammern. Bei meinem Fellowship habe ich Probleme festgestellt. Mit diesen Problemen war ich nicht alleine. Also habe ich nach einer Lösung gesucht. Diese habe ich nun mit my-fellowship realisiert und hoffe, dass ich damit das Leben vieler junger Ärztinnen und Ärzte auf der ganzen Welt ein kleines bisschen besser machen kann.
Die Plattform wird von mir und weiteren Ärzten und Wissenschaftlern, welche selber ein Fellowship absolviert haben, getragen. Unser Ziel ist es nicht, Geld zu verdienen, sondern unseren Kolleginnen und Kollegen zu helfen. Hoffentlich wird die Plattform in der Zukunft zum Selbstläufer und die Kosten durch Sponsoren übernommen.
Eines der grössten Probleme war für mich die IT. Wenn man ein solches Projekt aufbaut und es keinen ähnlichen Service gibt, muss man alles von neuem denken. Das Problem liegt dann vor allem in der Lücke zwischen dem, was ich mir als Enduser vorstelle und der Vorstellung der IT. Da musste ich einen Application Manager zu Hilfe holen. Eine Person mit einem Beruf, den ich zuvor nicht einmal kannte. Seine Aufgabe ist es, meine Bedürfnisse für die Entwickler zu übersetzen, damit sie alles so umsetzten können, wie ich es mir vorstelle und wie es für den Enduser optimal nutzbar ist.
Hinzu kommt der Zeitfaktor. Die IT überschätzt sich oft, wenn es um Zeit geht (lacht). Sie versprechen dir, dass es einen Monat dauert, doch schlussendlich dauert es zwei bis drei Monate. Es gibt immer wieder Zwischenschritte und Verständnisprobleme. So müssen die Resultate immer wieder abgeglichen werden, um sicherzustellen, dass wirklich alles so läuft, wie es vorgesehen war. Ich komme selbst nicht aus der IT und bin ein ganz normaler Enduser. Ich kann nicht programmieren und schreibe auch keinen Code und habe keine Erfahrung damit, Applikationen zu entwickeln. Dies erschwert den Prozess natürlich und war für mich vor allem am Anfang eine der grössten Hürden in diesem Projekt.
Beemed ist eine Initiative von Herrn Dr. Alexandre Lädermann. Er ist ebenfalls Schulterchirurg und in Genf tätig. Durch die Globalisierung und Digitalisierung ist es nicht mehr zwingend nötig, physisch am selben Ort zu sein, um etwas zu besprechen oder einer Person zuzuhören. Dieses Konzept hat er auf ärztliche Kongresse und Kurse übertragen. Mit Beemed hat eine Plattform gegründet, die es erlaubt, solche Veranstaltungen online virtuell mitzuerleben, so als wäre man live vor Ort. Damit entfallen lange Anreisewege und auch Kosten, welche man oft selbst tragen muss, können eingespart werden.
Wir glauben beide an unsere Ideen und unterstützen uns gegenseitig, zum Beispiel mit Verlinkungen auf unseren Websites. Wir haben jetzt neun Partnerplattformen, welche das Ziel verfolgen, Ärztinnen und Ärzten in ihrer Ausbildung zu unterstützen. Wir glauben an diese Ideen und versuchen uns alle gegenseitig zu unterstützen.
Meine Arbeit ermöglicht es, die Lebensqualität der Leute zu verbessern. Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Patient nach sechs Wochen in die Sprechstunde kommt und er etwas machen kann, was er zuvor nicht machen konnte. Er hatte vielleicht jahrelang ein Problem und hat keine Lösung dafür gefunden. Meine Aufgabe ist es dann, dieses Problem zu lösen oder die Patienten wenigstens bei der Problemlösung zu unterstützen. So kann ich ihnen möglicherweise ein Stück Lebensqualität zurückzugeben. Das fasziniert und begeistert mich Tag für Tag. Dazu kommt, dass jeder Patient anders ist. Es sind immer wieder neue Geschichten, von denen ich selbst auch immer wieder etwas lernen kann. Das macht das ganze sehr spannend. Aber auch der stetige Wandel fasziniert mich. Die Technologie entwickelt sich immer weiter, Artificial Intelligence und Virtual Reality sind in der Chirurgie heute präsent; es gibt so viele Dimensionen und Entwicklungen, dass es einem nie langweilig wird.
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