Das Universitätsspital Basel leistete bei der Stammzelltransplantation Pionierarbeit. Bereits in den Siebzigerjahren erfolgte an unserem Spital die erste Knochenmarktransplantation. Basel gehörte zu den ersten europäischen Zentren, welche diese innovative Zelltherapie anbieten konnten. Heute führt das USB mit innovativen, individuell auf den Patienten zugeschnittenen Therapien die Tradition weiter und damit in eine vielversprechende Zukunft.
Die Stammzelltransplantation ist traditionellerweise ein Schwerpunkt des Universitätsspitals Basel (USB). Patientinnen und Patienten aus der ganzen Schweiz werden dem Zentrum für Stammzelltransplantation zugewiesen. Unser Bestreben ist es, sie von meist bösartigen Krankheiten, beispielsweise Leukämie, zu heilen. Mit der Transplantation von mobilisierten Stammzellen oder Knochenmark als Therapie verzeichnen wir seit vielen Jahren sehr gute Resultate, aber damit geben wir uns selbstverständlich nicht zufrieden. Hinsichtlich zellulärer Therapien tut sich Revolutionäres. Innovative Therapieformen sind greifbar nahe. Das USB ist beispielsweise seit Mai 2019 für eine innovative zelluläre Therapie zur Behandlung von Patienten mit Leukämien und Lymphdrüsenkrebs akkreditiert.
Umgewandelte Zellen – ein innovatives Konzept
Neben der klassischen Stammzelltransplantation gehören andere zelluläre Therapien wie die Gabe von Spenderlymphozyten oder virusspezifischen T-Zellen, welche Virusinfektionen beim Empfänger bekämpfen können, oder die Gabe von sogenannten Natural-Killer-Zellen zu weiteren, moderneren Formen der zellulären Therapie. Das faszinierende Konzept, Krankheiten mit lebenden Immunzellen zu behandeln, wurde stetig weiterentwickelt. So gelang es dem Immunologen Zelig Eshhar (emeritierter Professor des Weizmann Instituts für Wissenschaften, Rechovot, Israel) um die Jahrtausendwende, aus einer T-Zelle eine sogenannte Chimäre (Chimäre bezeichnet in der griechischen Mythologie ein Mischwesen) zu bilden: Die Zelle besass an ihrer Oberfläche die Struktur eines Antikörpers aus der B-Zelle, welche fähig ist, Krebszellen zu erkennen, gebunden an einen Rezeptor, der diese T-Zelle aktivieren kann. Diese ersten chimeric antigen receptor (CAR)-T-Zellen waren jedoch noch nicht fähig, den Tumor unter Kontrolle zu halten beziehungsweise ihn zu beseitigen. Man musste noch jahrelange intensive Forschung, vor allem in Boston, New York, Houston, Seattle und Pennsylvania abwarten, bis es ab 2010 zu ersten klinischen Anwendungen kam, unter anderem bei der damals 5-jährigen Emily Whitehead, die an fortgeschrittener akuter lymphatischer Leukämie (ALL) litt. Ihre Lymphozyten wurden gesammelt, die T-Zellen zu CAR-T-Zellen umgewandelt, welche spezifisch ein Oberflächenmolekül der Leukämiezellen (CD19) binden, und anschliessend reinfundiert. Bei der kleinen Emily verlief das Ganze nicht unproblematisch: Schwere entzündliche Reaktionen (das, was man heute als cytokine release syndrome, kurz CRS, kennt) traten bereits zwei Tage nach der Infusion auf. Sie konnte jedoch aus dieser potenziell lebensbedrohlichen Situation gerettet werden und ist heute, sieben Jahre später, leukämiefrei. Die Therapie mit den umgewandelten Zellen wurde von Novartis weiterentwickelt. Die Anti-CD19 CAR-T-Zellen, ursprünglich an der University of Pennsylvania entwickelt, werden unter dem Namen Kymriah® durch Novartis vertrieben. Die Zulassung zur Behandlung der ALL und bestimmter Lymphdrüsenkrebse in der Schweiz erfolgte Ende 2018. Am USB steht diese Therapie seit Frühling 2019 zur Verfügung.
Der Patient als Lieferant
Innovativ ist, dass der Patient selbst das Ausgangsmaterial liefert. Die mittels Apherese (siehe Abbildung) gesammelten Zellen gelangen dafür an Novartis, werden dann in einem komplexen Verfahren verändert und danach dem Patienten wieder zugeführt. Der Aufwand für Herstellung und Qualitätssicherung ist enorm. Zudem bringt das Verfahren zuvor unbekannte Fragen an die regulatorischen Aufsichtsbehörden mit sich, da zwar die Verfahren standardisiert werden können, per definitionem jedoch jedes Produkt ein Unikat darstellt: Stichwort personalisierte Medizin. Deshalb werden derzeit intensiv Möglichkeiten erforscht, wie Zellen von gesunden, fremden Spendern quasi als Universalzellen für verschiedene Empfängerinnen und Empfänger hergestellt werden können. Dies würde das Verfahren deutlich vereinfachen und die Kosten senken. Noch unklar und eine grosse Herausforderung ist, wie diese neuen, teuren Therapieformen unser Gesundheitswesen finanziell belasten werden.
Die Weiterentwicklung formiert sich
Andere CAR-T-Zellen mit gleichen oder anderen Zielmolekülen sind kurz vor Markteinführung beziehungsweise in Entwicklung. Es handelt sich um zelluläre Therapieformen, welche universitär entwickelt wurden, sich teilweise noch in klinischen Studien befinden und vor allem in späteren Stadien von der Pharmaindustrie weiterverfolgt werden. Vor allem die USA und China sind in diesem Bereich sehr aktiv mit aktuell mehr als 600 Studien weltweit (Stand erstes Halbjahr 2019). Aus verschiedenen Gründen liegt Europa zurück, jedoch wird sich dies in den nächsten Jahren ändern. Auch am USB und an der Universität Basel gibt es zahlreiche Bestrebungen, die traditionsreiche zelluläre Therapie innovativ und interdisziplinär weiterzuentwickeln. 2018 wurde die Basel Cell, Tissue and Gene Therapy Platform (BCTGTP) gegründet, welche verschiedene Spezialisten und Institutionen um sich gruppiert.
Zelltherapien für weitere Krebsformen
Sollten die ersten Erfolge bestätigt werden, so ist anzunehmen, dass Patienten mit anderen Krebsformen ebenfalls durch solche Zelltherapien behandelt werden können. Nebst Patienten mit hämatologischen Krankheiten wird die zelluläre Therapie auch in der Onkologie bereits in gewissen Indikationen angewendet, wobei viele Therapien noch experimentell sind. Immunzellen, die den Tumor spezifisch erkennen, können aus dem Tumor direkt gewonnen und in Zellkultur im GMP-Raum (Reinraum) vermehrt werden. Diese Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL) können vor allem bei Krebsarten gewonnen werden, bei denen viele Immunzellen im Tumor vorhanden sind wie zum Beispiel beim metastasierten Melanom. Resultate, welche über mehrere Jahre in der Gruppe von Steven Rosenberg am National Institute of Health in Maryland gesammelt wurden, zeigen eine sehr gute Ansprechrate. Vor allem gibt es Patienten, die über viele Jahre nach dieser Therapie tumorfrei bleiben.
Ausblick
Nebst den erwähnten Studien mit NK- und virusspezifischen T-Zellen ist die Etablierung eines TIL-Programms am USB eine wichtige Investition in die Zukunft und eine Priorität des am Tumorzentrum angegliederten Kompetenznetzwerks für Immuntherapie. Und so haben wir, unterstützt durch einen Innovation-Grant der Spitalleitung, in Zusammenarbeit mit dem NKI in Amsterdam und dem MD Anderson in Houston, USA, ein Protokoll entwickelt, welches uns erlaubt, TIL von Melanompatientinnen und -patienten zu gewinnen. Eine erste Studie, welche die Kombination dieser TIL-Therapie mit einem Immuncheckpoint- Inhibitor (Nivolumab) testet, startet Ende 2019 am USB.
In Zukunft soll die TIL-Therapie im USB auch für andere Tumorarten zur Anwendung kommen. Erste Resultate von CAR-T-Zellen bei Patienten mit soliden onkologischen Erkrankungen wie zum Beispiel beim Prostatakarzinom zeigen vielversprechende Erfolge. Verbesserung der T-Zell-Therapien werden deshalb voraussichtlich in den kommenden Jahren zu tief greifenden Veränderungen der Behandlungsstrategien führen. Und auch über die Hämatologie und Onkologie hinaus sind Bestrebungen im Gange, zelluläre Therapien zu nutzen; beispielsweise durch die Entnahme, Veränderung und Reinfusion von entzündungshemmenden Immunzellen nach Organtransplantationen oder Zellen zur Regeneration, etwa im Bereich Orthopädie/Traumatologie.
www.unispital-basel.ch/Zentrum für Stammzellen
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PDF: Zelluläre Therapien: Innovation in USB-Tradition
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