Editorial

Auf der Suche nach dem roten Faden

Dieser Ausdruck kommt aus dem Bereich des Webens, wo man keinen Faden verlieren durfte. «Seit alter Zeit wird das Erzählen mit der Textilherstellung und -bearbeitung assoziiert, weil das Weben Zeit zum episch breiten Darstellen und Wiedergeben von Sachverhalten bot.» (Wiki) Aha! Text und «textil» sind folglich eng miteinander verwoben.

Und schon habe ich den (roten) Faden dieser Gazzetta-Ausgabe gefunden: Erzählungen und Geschichten zum Leben, das am seidenen Faden hängen kann, zu scheinbaren Zufällen und zu geflochtenen Bildern über Schmerzen, Wunden und Verwundung. Beiträge, die zeigen: Man soll den Faden immer wieder aufnehmen, auch wenn man zeitweise glaubt, ihn verloren zu haben.

Aber bevor Ihnen der Geduldsfaden reisst und ich zu langfädig werde, beende ich mein Editorial und lasse Sie gerne eintauchen in das neue Textgeflecht.


Ihre Gina Hillbert

Wundheilung –

hautnah

Wunden sind schmerzhaft und unangenehm für alle Patienten. Um die Auswirkung einzudämmen, gibt es im Unispital die Chirurgische Wundberatung. Drei Wundberaterinnen über ihre tägliche Arbeit, bei der sie alle Sinne brauchen.

Wundheilung in besten Händen

Der Schmerz ist ein wichtiges Thema, vor allem für Patienten mit chronischen Wunden. Schmerzen wirken sich nämlich negativ auf die Wundheilung aus und beeinflussen somit die Lebensqualität. Nicht selten ist es gerade der unerträgliche Wundschmerz, welcher Patienten in die Wundberatung führt. Durch die Kombination aus regelmässigen Untersuchungen, angemessener Verbandauswahl und qualifizierter Wundbehandlung soll eine schmerzlindernde Behandlung zum Wundverschluss unterstützt werden.

Die Wundberatung am Unispital ist in zwei Bereiche aufgeteilt, den medizinischen und den chirurgischen Bereich. Stefanie Cormier, Sibylle Rothe und Jeannette Wüthrich bilden das Team der chirurgischen Wundsprechstunde. Beide Einheiten arbeiten gut vernetzt zusammen mit jeweils eigenen Wundambulatorien. Das Wundberatungsteam im Klinikum 1 kümmert sich um die chirurgische Wundberatung. Die drei Wundexpertinnen behandeln und beraten durchschnittlich 30 Patienten pro Woche. Darunter Patienten, die zwei- bis dreimal wöchentlich in die Sprechstunde kommen, bis sich durch erste Fortschritte zeigt, dass die richtige Behandlung eingeleitet ist. Danach wird meist ein interdisziplinärer interner/externer Behandlungspfad gewählt. In regelmässigen Abständen kommen die Patienten zur Wundbehandlung in die Sprechstunde. Dazwischen werden die Verbände von der Spitex oder einem Pflegeheim nach Anweisung der Experten angelegt.

Die Wundexpertinnen beraten aber nicht nur intern auf der Station oder geben Anleitungen für die Behandlung zu Hause, sie schulen auch die Kolleginnen und Kollegen. Mit einem enormen Wissensstand kümmern sie sich um komplexeste Wunden, was oft über einen längeren Zeitraum dauern kann.


Eine Patientengeschichte

45 Jahre spielte ich in einem Saxophon Quartett, wir gaben Konzerte auf der ganzen Welt. Das war mein Leben bis zur Diagnose mit 66 Jahren, als ich von heute auf morgen alles aufgeben musste.

Ich lebte in verschiedenen Städten Deutschlands und den USA. Ich habe sehr viel gesehen und erlebt. Vor ungefähr 20 Jahren kam ich dann mit meiner Familie nach Basel. Als ich hier ein Spital aufsuchen musste, entschied ich mich für das Unispital. Es ist das grösste in der Stadt und besitzt einen sehr guten Ruf, das war für mich entscheidend.

Zur Wundberatung kam ich im Dezember 2015. Ich bin Diabetiker und stiess mir den linken Fuss schwer an. Er wollte nicht heilen und so kam ich hierher. Diagnose: diabetischer Fuss.Diese Komplikation von Diabetes ist gekennzeichnet durch schlecht heilende chronische Wunden des Fusses. Das bedeutet, der Diabetes stört den Wundheilungsverlauf. Da die Wunde nicht abheilen wollte, sondern schwarz wurde, musste mir der grosse Zeh amputiert werden. Nach der Operation kam ich dann zur Wundsprechstunde. Es sollte drei Monate dauern, bis sich erste Fortschritte zeigten.

Vor meiner ersten Sprechstunde war ich etwas nervös in Bezug auf meine Erwartungen gegenüber der Behandlung, ob die Wunde heilen würde. Darüber macht man sich viele Gedanken. In der Sprechstunde wurde ich dann aber derart ermuntert und man sprach mir optimistisch zu, dass ich mich gleich sehr gut aufgehoben fühlte. Meine Frau ist selbst gelernte Krankenschwester und eines habe ich von ihr gelernt, dass eine liebevolle Behandlung des Patienten an erster Stelle steht. Und das stimmt, so ist das auch hier. Die Wundexpertinnen machen einen ausserordentlich guten Job.

Ob die Wunde eines Diabetikers heilt, das ist immer ein grosses Fragezeichen. Als Diabetiker ist es nämlich nicht selbstverständlich, dass eine Wunde heilt. Ich kam zwei- bis dreimal wöchentlich zur Sprechstunde und wir probierten sicher sieben bis neun verschiedene Mittel und Methoden. Die Damen haben wirklich nie aufgegeben etwas zu finden, dass die Heilung vorantreibt. Und heute, neun Monate später, kann ich sagen - mein Fuss ist geheilt.

Dass nun auch mein anderer Fuss Probleme bereitet, ist wirklich unglücklich, aber ich habe starkes Vertrauen in die Kolleginnen, dass nun auch der zweite Fuss heilt. Das Team hat sehr viel Erfahrung und kennt meine Geschichte am Unispital. Sie wissen genau, was ich vertrage und eben auch, was nicht. So eine Betreuung bekommt man nicht überall auf der Welt. Da spreche ich aus Erfahrung. Deshalb gilt mein grösster Dank den Frauen der Wundsprechstunde am Unispital Basel.

Faszination Wunde

Für diese Abteilung entscheidet man sich bewusst. Das Interesse kommt einfach irgendwann, wenn man Wunden sieht. Man entwickelt ein Bedürfnis, diese zu schliessen, zu heilen. «Man braucht ein Faible dafür», so Stefanie Cormier. Ganz nach dem Motto:

«Je komplexer die Wunde, desto herausfordernder die Situation.»

Worin sich die drei Kolleginnen einig sind – die positive Beziehung zu Patienten zählt. Sie begleiten Patienten, die meist einen langen Leidensweg hinter sich haben. Im Rahmen der Erstkonsultation mit einer umfassenden Wundbeurteilung, Wundanamnese und einer Erstkonsultation des Arztes werden, wenn nötig, weitere zusammenhängende Abklärungen eingeleitet. Die Lokalbehandlung wird von den Wundspezialistinnen in Übereinstimmung mit dem Arzt geplant. Nach einer ersten Wundreinigung gilt es, das passende Wundmaterial zu wählen. Langsam kommt der Heilungsprozess in Gang. «Die Patienten werden positiver und freuen sich über den Heilungsfortschritt. Dieses gemeinsame Erfolgserlebnis ist besonders motivierend im Job», erzählt Jeannette Wüthrich freudig.


Die vier Phasen der Wundheilung

<b>Exsudative Phase</b>

Exsudative Phase

Die Wunde wird mit Fibrin und koaguliertem Blut gefüllt.

<b>Resorptive Phase</b>

Resorptive Phase

Fresszellen beseitigen tote Zellen und Keime.

<b>Proliferative Phase</b>

Proliferative Phase

Es bilden sich neue Zellen. Sie füllen die Wunde aus.

<b>Reparationsphase</b>

Reparationsphase

Vom Wundrand her entsteht neue Haut – die Wunde schliesst sich.


Unbehandelte oder länger nicht behandelte Wunden können manchmal auch einen unangenehmen Geruch entwickeln. Oftmals scheuen Patienten dadurch die Öffentlichkeit. Dann ist es umso schöner auf feinfühliges Personal zu treffen, bei dem man sich trotz Wunde wohlfühlt. Das braucht viel Vertrauen. «Mit Empathie und Akzeptanz treten wir dem Patienten gegenüber und bauen somit Nähe auf. Das schätzen die Patienten sehr», betont Sibylle Rothe.

Jede Wunde ist anders und jeder Patient reagiert entsprechend individuell auf die anzuwendenden Materialien. Das bedeutet jedoch kein umfangreiches Materialsortiment, sondern ein sehr gut gewähltes, das jede Wundexpertin sehr genau kennt. Zur Behandlung von chronischen oder komplexen Wunden werden Spezialmaterialien verwendet.

Stellen Sie sich vor, eine Wunde verschliesst sich jahrelang nicht. Verschiedene Ursachen führen dazu, dass durch chronische Fehlfunktion und Fehlregulation der Zellen eine Wundreparatur verhindert ist und eine Wunde chronisch wird. Mit Einleitung der Behandlung muss die Wunde in einen aktiven Zustand gebracht werden. Dies geschieht durch eine adäquate Wundreinigung (Debridement) und einer feuchten Wundbehandlung. Mittels entsprechenden Wundverbänden wird ein feucht-warmes Milieu zum Zellwachstum angestrebt. Sie können das mit einem Treibhaus im Garten vergleichen. Darin wächst nicht nur das Gemüse, sondern auch Unkraut. Da chronische Wunden stets mit Keimen besiedelt sind und diese sich im behaglichen Klima ebenfalls gerne vermehren, besteht zu Beginn ein erhöhtes Infektionsrisiko. Unkontrollierte Infekte können für Wundpatienten tragisch enden. Aus diesem Grund muss man wirklich mit allen Sinnen wachsam sein, um rechtzeitig zu reagieren. Deshalb braucht es die Wundberatung und ein Expertenteam.

Ganzheitliche Wahrnehmung

Eine erfolgreiche Arbeit der Wundberaterinnen bedingt, dass man nicht nur mit den Augen sieht, wie sich eine Wunde entwickelt. Stets muss man sich bewusst sein, dass es dabei nicht nur um die Wunde geht, sondern auch um den Menschen. Es gilt, ihn ganzheitlich wahrzunehmen, seine Beschwerden und Bedürfnisse ernst zu nehmen. Hört man z.B. dem Betroffenen genau zu, kann man eine sich anbahnende Infektion vermuten und darauf reagieren, noch bevor die Entzündungszeichen für das Auge sichtbar sind. Es ist ausserdem eine Arbeit, die extrem viel Konzentration erfordert.

Der Patient steht immer im Mittelpunkt. Wenn mit einem Skalpell an einer Wunde gearbeiten wird, braucht es die volle Konzentration. Dann ignoriert man schon mal ein klingelndes Telefon.

Ein Job, der die Wundexpertinnen auf allen Ebenen fordert. Bewundernswert, was die Kolleginnen leisten, indem sie den Patienten hautnah sind.


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