Eine Herzensangelegenheit in Delémont
Une affaire de cœur à Delémont
Hôpital du Jura – site de Delémont. Ende 2016 ging Jean-Luc Crevoisier, der Kardiologe des Spitals in Delémont, in Pension. Für die Direktion des Hôpital du Jura war die Nachfolge schnell organisiert: Mit Marc Fischer und Karsten Murray teilen sich seitdem zwei Oberärzte, welche die Strukturen und das Team vor Ort kennen, das Teilzeit-Pensum im Jura. Angestellt sind sie aber vom USB und arbeiten auch weiterhin in Basel. Ein gutes Beispiel einer Kooperation, von der beide Partner auf unterschiedliche Weise profitieren: Die Kontinuität der Kardiologie in Delémont ist mit zwei bewährten Mitarbeitern gewährleistet und die beiden Ärzte bauen ihre Kompetenzen dank unterschiedlicher Standorte weiter aus.
Das Spital von Delémont, einer der vier Standorte des Hôpital du Jura, ist lediglich 45 Kilometer vom Unispital entfernt. Doch obwohl der jurassische Hauptort geografisch näher bei Basel liegt als zum Beispiel Olten, sind die Unterschiede zwischen der Chemiemetropole am Rhein und der Kleinstadt an La Birse schnell spürbar: Die Leute grüssen sich in Delémont auf der Strasse, sie kultivieren ihre ländliche Gastfreundschaft und ihre frankophone Kultur. Aber sie werden auch schnell aufmerksam, wenn sie nicht in ihrer Muttersprache angesprochen werden.
Für die Oberärzte Marc Fischer und Karsten Murray aus dem Team von Stephan Osswald ist das aber kein Hinderungsgrund, sich seit Januar 2017 im Hôpital du Jura eine 50%-Stelle als Kardiologen zu teilen. Sie kennen die Einheimischen bereits aus ihrer Assistenzzeit bei Jean-Luc Crevoisier, dem unterdessen pensionierten Kardiologen aus Delémont. Zudem haben beide vor ihrem Engagement im Jura während sechs Monaten bei einem niedergelassenen Kardiologen in der Hauptstadt gearbeitet.
An einem Freitag im September begleite ich Karsten Murray während seines Einsatzes in Delémont. Der grösste Standort des Hôpital du Jura hat 138 Betten und 898 Mitarbeitende und setzt sich aus mehreren älteren Gebäuden zusammen. Es braucht auch hier einen gewissen Orientierungssinn, damit man sich zwischen der Cafeteria und der Inneren Medizin, wo die Kardiologie angegliedert ist, nicht verläuft.
Auf dem Weg zur medizinischen Assistentin wird Karsten von links und von rechts begrüsst und hat Zeit für einen kurzen Schwatz mit einem Kollegen aus der Intensivstation. Überrascht bin ich, dass der Kardiologe ausgezeichnet französisch spricht, wenn auch mit einem leichten anglophonen Einschlag. Mit der Assistentin Elsa Vallat schaut er sich das Tagesprogramm an.
Den ersten Patienten holt Karsten gleich selbst in der Intensivstation ab und bringt ihn zum Herzultraschall. Auf dem Weg ins Behandlungszimmer will er bereits wissen, wie sich der Mann fühlt und wie sich sein Zustand seit der letzten Untersuchung entwickelt hat.
Sowohl Marc Fischer wie auch Karsten Murray fühlen sich gut aufgehoben im Jura. «Die enge, sehr familiäre und kollegiale Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen im Spital Delémont ist ein Vorteil», meint Karsten. Und Marc empfindet, dass die patientenorientierte Betreuung sowie die breite Palette an nicht invasiver Diagnostik, welche vor Ort angeboten werden könne, geschätzt würden.
Falls weiterführende invasive Abklärungen und Behandlungen am Zentrumsspital nötig würden, sei die enge Verbindung mit der Kardiologie am USB von grossem Vorteil und führe zu einer optimalen Betreuung der Patientinnen und Patienten.
Sowieso möchten die beiden auf den fachlichen Austausch und das universitäre Umfeld in Basel keinesfalls verzichten. Zudem arbeiten sie noch für das ambulante kardiovaskuläre Präventions- und Rehabilitationsprogramm der Region Basel, welches von der Kardiologie des USB seit Januar 2017 an der Gellertstrasse 120 betrieben wird.
Beim Mittagessen in der kleinen Cafeteria verrät mir Karsten, was es mit seinem Englisch-Akzent auf sich hat: Er ist in den Vereinigten Staaten mit einem amerikanischen Vater und einer deutschen Mutter aufgewachsen. Die Familie zog nach Genf, als Karsten 14 war. Das Medizinstudium absolvierte er an der dortigen Uni und den grössten Teil der Assistenzzeit in verschiedenen Spitälern in der Westschweiz, zuletzt in Lausanne. Und so traf er in Delémont wieder auf Kolleginnen und Kollegen, welche er aus der Romandie bereits kannte.
Für den Basler Marc Fischer war der Sprachwechsel eine grössere Herausforderung. Doch die Patientinnen und Patienten zeigten sich immer tolerant, wenn er sich mit seinem Schulfranzösisch nicht immer auf Anhieb verständlich machen konnte. Und die Kolleginnen und Kollegen musste er gelegentlich darum bitten, das Sprechtempo etwas zu drosseln. Unterdessen ist das aber kein Problem mehr.
Ein kurzes Telefongespräch mit Elsa Vallat im Anschluss an meinen Besuch bestätigt meinen Eindruck: Für die medizinische Assistentin in der Kardiologie, welche ihre Ausbildung bereits beim Vorgänger von Murray und Fischer gemacht hat, war der Wechsel überhaupt kein Problem – weder fachlich noch auf kommunikativer Ebene. Und sie hat den Eindruck, dass die neuen Kardiologen schnell von den Patientinnen und Patienten angenommen wurden. Die beiden Ärzte empfinden ihre ländliche Kundschaft als etwas zurückhaltender als diejenige in der Stadt. Zudem warten die Leute im Jura manchmal etwas (zu) lang, bevor sie die Spezialisten konsultieren. Das führt dazu, dass dann teilweise schon fortgeschrittene Krankheitsbefunde erhoben werden müssen.
Am Freitagnachmittag trifft sich Karsten Murray mit Assistenzärztinnen und -ärzten in einem kleinen Schulungsraum. Die Stimmung ist aufgeräumt und während die einen versuchen, den Beamer in Gang zu bringen, erzählen sich die anderen, was sie am Wochenende vorhaben. Doch kaum erscheinen die Diagramme und Kurven auf der Leinwand, wenden sich die Teilnehmenden den fachlichen Erläuterungen des Oberarztes zu. Zwischendurch klingelt da und dort ein Telefon und jemand muss kurz Auskunft geben zu einem Patienten. Das hält Karsten jedoch nicht davon ab, Fragen in den Raum zu werfen und die Antworten der Kursteilnehmenden zwischen Leinwand und Computer zu korrigieren und zu ergänzen.
Nachdem die Assistenzärztinnen und -ärzte ihre Sachen gepackt haben, muss Karsten nochmals in die Kardiologie. Ich verabschiede mich und suche den Hauptausgang. «Alors, ça vous a plu chez nous?» («Und, hat es Ihnen bei uns gefallen?»), will die Dame am Empfang wissen und ich werde mir bewusst, dass das kleine Spital von Delémont gar nicht so viel trennt vom grossen Unispital: Hier wie dort engagieren sich die Mitarbeitenden mit Herz und Seele für ihren Betrieb. «Oui, c’était super sympa. Merci et bon weekend.»(«Ja, es war sehr nett. Danke und ein schönes Wochenende.»), antworte ich und mache mich auf den kurzen Weg in mein Zuhause in Delémont.
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