Editorial

Tradition ist Tradition

Hervorgeholt das gute alte Kochbuch. Die Seite mit dem Rezept für Mailänderliteig klappt beinahe von allein auf. Es ist wieder so weit. In guter Familientradition mache ich mich ans Backwerk für das Weihnachtsfest. Ich weiss, was von mir erwartet wird: keine Experimente, sondern die klassischen Mailänderli in den Formen Herzen und Sterne. Nichts Zweifarbiges mit Schoggiteig, keine Verzierungen mit bunten Streuseln oder Silberperlen, keine farbige Glasur, nicht Leuchttürme oder Flusspferde als Ausstecherli, obwohl es mich ja schon reizen würde, etwas zu verändern an unserem traditionellen Mailänderli: Dem doch recht einfachen Butterteig eine neue Geschmacksnote unterzurühren, das juckt jedes Jahr unter den Fingern, schliesslich finden sich einige Preziosen in meinem Backwerkschatz. Bevor ich schliesslich übermutig(-mütig) werde, glaube ich, meine Mutter zu hören: «Finger weg vom Teig!» Sie hat zwar damals etwas Anderes gemeint, aber ich halte sofort inne, beende meine Phantastereien. Ja, ich weiss, einfach und ergreifend soll es sein. Jedenfalls gemäss unserer Familientradition. Jedem aber sein eigenes My-Länderli, nicht wahr?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen die Weihnachten, wie Sie sie lieben oder lieb gewonnen haben. Oder schlicht Tage, an denen Sie die Süsse des Lebens geniessen.


Ihre Gina Hillbert


Das Multiple Sklerose Zentrum

Patientenzentrierung und Forschung auf höchstem Niveau

Dank neuer Therapien haben sich die Perspektiven für Menschen mit der Diagnose Multiple Sklerose in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Wird die «Krankheit mit den vielen Gesichtern» neu diagnostiziert, haben Betroffene heutzutage Aussicht auf ein weitgehend normales Leben ohne oder mit wenig Beeinträchtigung.

Bei länger bestehender Multipler Sklerose (MS) gibt es inzwischen berechtigte Hoffnung, weiteres Fortschreiten aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. In der Entwicklung nahezu aller inzwischen vorhandener Therapien für Multiple Sklerose waren und sind klinische Forscher der Neurologischen Klinik und Poliklinik des USB führend dabei. Bei aller Freude über den Fortschritt ist noch vieles zu tun. Neue Behandlungen sollen möglichst gezielt und risikoarm eingesetzt werden. Den Verlauf der Krankheit gilt es möglichst exakt und umfassend zu erfassen, um rechtzeitig die Therapie anzupassen. Vorhandene Störungen müssen rechtzeitig erkannt und Beschwerden so weit wie möglich gelindert werden. Dafür ist es wichtig, die Expertise verschiedener medizinischer Disziplinen und Fachpersonen zu nutzen. Genau das bezweckt das MS Zentrum, denn die Gründung eines Zentrums am Universitätsspital Basel fusst immer auf einem patientenzentrierten Ansatz: «Welche Spezialistinnen und Spezialisten aus welchen Disziplinen braucht der Patient?» Bei Multipler Sklerose sind es einige, denn die Krankheit kann durch vielfältige Schädigungen im zentralen Nervensystem beinahe den gesamten Körper betreffen.

Federführend in der Therapie sind die Neurologinnen und Neurologen, die die Erkrankung diagnostizieren und eine krankheitsmodifizierende Therapie initiieren. Mittlerweile stehen dem Multiple Sklerose Zentrum hierfür mehr als ein Dutzend Medikamente zur Verfügung, die je nach den Bedürfnissen der Betroffenen angewendet werden. In der Tagesklinik der neurologischen Poliklinik werden in diesem Rahmen auch viele Infusionstherapien durchgeführt. Ein Angebot, das so stark nachgefragt wird, dass der Platz langsam knapp wurde. Glücklicherweise können wir die neu eingerichteten Behandlungsräume der Privatsprechstunde für Infusionen nutzen.

Zu den Disziplinen, die im MS Zentrum koordiniert werden, gehört unter anderem die Augenklinik, denn Multiple Sklerose kann häufig auch das Sehvermögen beeinträchtigen. Wenig überraschend stammt eine der ersten bekannten Schilderungen der Krankheit von einem schottischen Augenarzt aus dem 19. Jahrhundert. Die Urologie und die Gynäkologie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Neben ihrer Kompetenz für die Behandlung von Störungen bei der Blasenentleerung auch deswegen, weil MS-Patientinnen und -Patienten bei der Diagnose oft noch jung sind und ein erfülltes Sexualleben und eventuell auch Kinder haben möchten.

Der Bereich der Therapien ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, Patientinnen und Patienten nach einem Schub oder im längerfristigen Krankheitsverlauf zu helfen, wieder rasch eine hohe Lebensqualität zu erhalten.

PD Dr. Jens Kuhle, Leiter Multiple Sklerose Zentrum (links), und Prof. Tobias Derfuss, Leiter Neurologische Poliklinik


Für PD Dr. Jens Kuhle, den Leiter des Multiple Sklerose Zentrums, ist die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen der entscheidende Mehrwert des MS Zentrums. «Natürlich haben wir auch früher interdisziplinär zusammengewirkt. Aber ein Zentrum ermöglicht es uns, Strukturen, Prozesse und Abläufe noch präziser zu definieren und festzuschreiben. Das schafft eine überprüfbare, hohe Qualität». Professor Tobias Derfuss, der Leiter der Neurologischen Poliklinik, weist darauf hin, dass es auch in den anderen Kliniken des Spitals Spezialistinnen und Spezialisten gab und gibt, die sich für die Thematik MS interessieren und nun auch offiziell als Ansprechpartner definiert sind.

Dreh- und Angelpunkt bleibt die Neurologie. «Wir sind hier immer mehr dazu übergegangen, Fachärztinnen und Fachärzte einzusetzen, die nicht mehr durch verschiedene Funktionsabteilungen rotieren müssen und somit für die Patientinnen und Patienten als stabile Ansprechpartner zur Verfügung stehen.» Dieser Aspekt der Vertrauenspersonen ist auch in der Pflege wichtig: Für MS-Patienten, die regelmässig und über lange Zeiträume hinweg für Infusionen ans USB kommen müssen, ist es angenehmer, wenn ihnen die betreuenden Pflegefachpersonen bekannt sind. Die Leitenden Ärzte sind beeindruckt von der Leistungsbereitschaft und vom Engagement der Mitarbeitenden in der Pflege und Ärzteschaft. Jens Kuhle stellt fest: «Die Motivation ist enorm hoch. Gerade auch, was die Patientenedukation betrifft, leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da Enormes – sie sind bereit, am Abend noch Kurse für die Patientinnen und Patienten anzubieten.» «Und zwar aus eigener Initiative», ergänzt Tobias Derfuss.

Trotz aller Anstrengungen: Geheilt werden kann Multiple Sklerose noch nicht. Nach Jahrzehnten der intensiven Forschung ist noch immer nicht klar, wodurch sie ausgelöst wird. Doch nicht nur die Frage nach der Entstehung von MS und die Suche nach den entsprechenden Biomarkern für die Diagnose, Verlaufskontrolle und individualisierte Therapie treibt die Forscher um. Die Patientinnen und Patienten sprechen auf die zur Verfügung stehenden Medikamente unterschiedlich gut an. Warum wirkt ein Medikament bei einer Patientin, bei einer anderen aber nicht? Hier erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher Antworten von diversen Studien, insbesondere auch von der gross angelegten multizentrischen Schweizer MS-Kohortenstudie, in der seit über sieben Jahren schweizweit über 1’300 Patientinnen und Patienten standardisiert untersucht werden. Aber auch international stehen die MS-Forschenden des Universitätsspitals Basel seit Jahren an vorderster Front. Diese Forschung auf internationalem Spitzenniveau wird am neuen Multiple Sklerose Zentrum auch weiterhin eine wichtige Aufgabe sein.



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