Im Sommer 2018 hat das Universitätsspital Basel die Patientengastronomie grundsätzlich neu ausgerichtet und als erstes Spital der Schweiz auf die MicroPast®-Methode umgestellt. Die Gerichte werden zentral in der Grossküche gekocht, pasteurisiert, mit (am USB selbst hergestelltem) Stickstoff luftdicht in kleine Schalen verpackt und gekühlt gelagert. Das neue Verfahren kommt dem Wunsch der Patientinnen und Patienten nach mehr Auswahl und Flexibilität entgegen, verhindert den Verlust von Vitaminen im Essen und verbessert die Effizienz der Produktions- und Servierprozesse.
MicroPast® verbessert aber auch den ökologischen Fussabdruck der Patientenverpflegung deutlich. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Dr. Christian Abshagen, Leiter Medizincontrolling, zusammen mit anderen Studierenden im Rahmen des CAS «Management und Umwelt» an der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt hat. Mit einer systematischen Analyse der Umweltwirkung während des ganzen Lebensweges, einer sogenannten Ökobilanz, haben die Autoren die bisherige Verpflegung («Cook & Serve») mit dem neuen Verfahren verglichen.
Die durchschnittliche Umweltbelastung wurde anhand eines virtuellen Standardmenus ermittelt, wobei das derzeitige Verhältnis von vegetarischen (ein Drittel) zu fleisch- oder fischhaltigen (zwei Drittel) Patientenmenüs abgebildet wurde. In die Auswertung flossen alle relevanten Emissionen, Energie- und Stoffflüsse ein. Diese wurden in ihrer gesamthaften Auswirkung auf die Umwelt bewertet. Das heisst, Aspekte wie Klimawandel und Überdüngung fanden ebenso Berücksichtigung wie Verbrauch von Land, Wasser und natürlichen Ressourcen oder mögliche Schäden für Mensch und Ökosysteme.
Die Ökobilanz liefert so eine Bewertung der gesamten Umweltbelastung. Der Wasserverbrauch pro Menü ist bei MicroPast® um zwei Drittel tiefer. Beim Energieverbrauch schneiden alte und neue Verpflegungsform quasi identisch ab: Die zusätzlich benötigte Energie für Lagerung, Kühlung und Wiedererwärmen bei MicoPast® wird durch Einsparungen bei Transportwegen und beim Spülaufwand kompensiert. Leicht negativ wirkt sich der höhere Plastikverbrauch bei MicroPast® aus.
Gesamthaft gesehen entsteht mit der neuen MicroPast®- Methode fast 20% weniger Umweltbelastung als mit dem alten System. Dies ist hauptsächlich auf die deutlich reduzierte Verschwendung von Nahrungsmitteln (Foodwaste) zurückzuführen: Wurden im alten System für eine tatsächlich konsumierte Mahlzeit noch 1,4 Mahlzeiten produziert, ist dieser Faktor dank der viel besseren Planbarkeit der Essensherstellung sowie wegen der Lagerbarkeit der Mahlzeiten mit MicroPast® massiv gesunken.
Nachgefragt bei Dr. Christian Abshagen:
Dr. Christian Abshagen, Leiter Medizincontrolling, hat die Ökobilanzder neuen MicroPast®-Patientenküche unter die Lupe genommen.
Christian Abshagen, welche Faktoren beeinflussen die Ökobilanz, etwa der bewusste Einkauf?
Christian Abshagen: Eine Ökobilanz berücksichtigt die Lebenswege sämtlicher Stoff- und Energieflüsse von der «Wiege bis zur Bahre». Daher beeinflussen natürlich auch Aspekte wie beispielsweise Regionalität der Lebensmittel, Art des verwendeten Strommixes oder Verwertung des Abfalls in Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) und Biogasanlage die Ergebnisse. Für unsere MicroPast®-Ökobilanz sind wir von den gleichen regionalen Lebensmitteln im alten wie im neuen Prozess ausgegangen. Für die Plastikverpackung haben wir die negativen Effekte des Transportes vom Produktionsort zum USB berücksichtigt; auf der anderen Seite aber auch den minimal positiven Effekt der Wärme- und Elektrizitätsgewinnung durch die Verbrennung des Plastikmülls eingepreist.
Wie viele Mahlzeiten/Tonnen Lebensmittel sparen wir am USB so?
Rein überschlagsmässig: Bezogen auf die täglichen zwei warmen Patientenmahlzeiten sparen wir mit dem neuen MicroPast®-System mindestens beeindruckende 100’000 Mahlzeiten pro Jahr. Das Gewicht der Rohzutaten eines Menüs liegt bei 300–400 Gramm. In Summe ist das also eine Reduktion des Lebensmittelabfalls um 30 bis 40 Tonnen pro Jahr.
Die Lebensmittelabfälle gehen zurück, aber produzieren wir so nicht viel mehr Plastikmüll?
Natürlich, ein Wermutstropfen ist der Plastikmüll. Dieser macht pro Menü aber nur knapp 30 Gramm – also nicht einmal ein Zehntel des Gewichts der Lebensmittel – aus. Aber dennoch: Bei den Mengen an Mahlzeiten, die wir produzieren, entspricht auch das zehn Tonnen Plastikmüll im Jahr.
Warum sind Sie dennoch überzeugt, dass der Gesamteffekt für die Umwelt positiv ist?
Kurz: Weil das Ergebnis der Ökobilanz dies so besagt. Und mit etwas mehr Erklärung: Solange wir Menschen noch Erdöl aus Motoren direkt in die Atmosphäre pusten, ist es der minimal intelligentere Ansatz, dieses Erdöl zunächst in Form von Plastik für Schutz- und Lagerungszwecke zu nutzen und erst danach in der KVA zu Wärme (oder Strom) zu machen. Dieser relativ überschaubaren Umweltauswirkung steht der gigantische ökologische Fussabdruck der Lebensmittelproduktion gegenüber; vor allem der fleischhaltigen: An ihr hängen Pestizideinsatz und Flächenverbrauch für Futteranbau und Tierhaltung, hoher Wasserbedarf, übermässige Nährstoffanreicherung durch Gülleausbringung, Emissionen von Treibhausgasen durch die Tiere direkt sowie durch landwirtschaftliche Maschinen und Transportwege.
Gibt es keine plastiklose Alternative?
Ich bin absolut kein Fan von Einwegplastik und versuche es privat möglichst zu vermeiden, aber leider sind sogenannte Biokunststoffe aus Cellulose oder Stärke nicht wirklich besser. Anbau in grossen Monokulturen, Pestizideinsatz, Emissionen in der Verarbeitung und allenfalls Konkurrenzierung der Nahrungsmittelproduktion trüben die Bilanz – und am Ende werden auch sie in der KVA entsorgt. Nachwachsend heisst nicht automatisch ökologischer. Andere Wege wären Recycling oder besser noch Wiederverwendung des Verpackungsmaterials. Leider stehen dem heute noch einige Hürden in Verfahrenstechnik, Wiederaufbereitung und anderem entgegen – aber dort muss die Reise hingehen.
Wo gibt es weiteres Verbesserungspotenzial?
Zum einen die weitere Reduktion des Lebensmittelabfalls durch noch bessere Logistik und innovative Ideen wie Verkauf oder Abgabe von Menüs kurz vor Haltbarkeitsablauf an Dritte. Dort ist die Hotellerie dran. Allerdings sind wir hier bei nur noch 10% Verwurf schon in der Grenzoptimierung. Den mit Abstand allergrössten Hebel hat die Zusammensetzung der Menüs. Wir haben eine theoretische Rechnung aufgestellt: Wären ab morgen alle Patientenmenüs 100% vegetarisch, würde sich der ökologische Fussabdruck schlagartig nochmals halbieren. Das gilt übrigens auch bei der nächsten eigenen Menüwahl im Centro.
Machen wir am USB jetzt auch für andere Prozesse eine Ökobilanz?
Für 2020 streben wir eine Ökobilanz im Feld des medizinischen Verbrauchsmaterials an. Hier ist in manchen Gebieten das Thema Einwegmüll statt Mehrfachnutzung absolut prominent. Und vermutlich geht es dort um Volumina, aber auch Materialabmischungen, die das Verhältnis von 30 Gramm Polypropylenplastik für 350 Gramm Essen fast harmlos erscheinen lassen. Aber erst, wenn man es analysiert und gerechnet hat, kann man Schlussfolgerungen ziehen und Empfehlungen ableiten. Ich bin sehr gespannt.
PDF: Die Patientenverpflegung am USB ist ökologischer geworden
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