Editorial

Tradition ist Tradition

Hervorgeholt das gute alte Kochbuch. Die Seite mit dem Rezept für Mailänderliteig klappt beinahe von allein auf. Es ist wieder so weit. In guter Familientradition mache ich mich ans Backwerk für das Weihnachtsfest. Ich weiss, was von mir erwartet wird: keine Experimente, sondern die klassischen Mailänderli in den Formen Herzen und Sterne. Nichts Zweifarbiges mit Schoggiteig, keine Verzierungen mit bunten Streuseln oder Silberperlen, keine farbige Glasur, nicht Leuchttürme oder Flusspferde als Ausstecherli, obwohl es mich ja schon reizen würde, etwas zu verändern an unserem traditionellen Mailänderli: Dem doch recht einfachen Butterteig eine neue Geschmacksnote unterzurühren, das juckt jedes Jahr unter den Fingern, schliesslich finden sich einige Preziosen in meinem Backwerkschatz. Bevor ich schliesslich übermutig(-mütig) werde, glaube ich, meine Mutter zu hören: «Finger weg vom Teig!» Sie hat zwar damals etwas Anderes gemeint, aber ich halte sofort inne, beende meine Phantastereien. Ja, ich weiss, einfach und ergreifend soll es sein. Jedenfalls gemäss unserer Familientradition. Jedem aber sein eigenes My-Länderli, nicht wahr?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen die Weihnachten, wie Sie sie lieben oder lieb gewonnen haben. Oder schlicht Tage, an denen Sie die Süsse des Lebens geniessen.


Ihre Gina Hillbert


Digitale Neurologie

made in Basel

Die Neurologie am Universitätsspital Basel bietet einen einzigartigen digitalen Service für klinische Studien bei Multipler Sklerose an, einer Krankheit mit tausend Gesichtern, die jede Funktion unseres zentralen Nervensystems betreffen kann. Entsprechend komplex ist die Erfassung dieser Störungen, wenn es gilt, den Verlauf und insbesondere die Behandlungseffekte zu erfassen.

Seit zehn Jahren bietet die Neurologie am Universitätsspital Basel einen weltweiten digitalen Service für klinische Studien bei Multipler Sklerose (MS) an, den sogenannten Neurostatus-eEDSS®. Dieser basiert auf einer von Ludwig Kappos etablierten systematischen und standardisierten klinischen Erfassung von Symptomen bei Patientinnen und Patienten mit MS, dem Neurostatus-EDSS (Expanded Disability Status Scale). Als Papiervariante wurde dieser bereits in den 1990er-Jahren weltweit eingeführt und bisher in mehr als 250 internationalen klinischen Phase-2- und Phase-3-Studien eingesetzt. Er umfasst genaue Regeln zur Standardisierung der neurologischen Untersuchung, um eine möglichst genaue und reproduzierbare Erfassung des Schweregrades der Behinderung bei MS zu ermöglichen. Der Nachteil detaillierter Regeln ist jedoch, dass diese weniger überschaubar sind und oft inkonsistent eingesetzt werden. Hier schafft die von uns entwickelte digitale Version, der Neurostatus-eEDSS® (das «e» für elektronisch), Abhilfe: Er besteht aus einer elektronischen Eingabemaske und einem Algorithmus-basierten «real-time-Feedback».

Nach der vollständigen Eingabe aller notwendigen Werte und der Kalkulation der einzelnen Schweregrade erhält die Neurologin oder der Neurologe (Rater) ein sofortiges digitales Feedback, ob die Werte in sich konsistent sind oder Fehler in der Kalkulation aufweisen. Wenn nach viermaligem «real-time-Feedback» weiterhin Fehler vorhanden sind, so wird die Untersuchung automatisch zu einem Experten-Team am USB weitergeleitet. Diese Experts sind Neurologinnen und Neurologen der Forschungsgruppe Neurostatus-UHB. Sie geben dann genaue Hinweise an den Untersuchenden, was zur Lösung der Fehler notwendig ist.

Qualität durch Erfahrung

Der Neurostatus-eEDSS®-Service wird durch mehrere internationale Electronical Clinical Outcome Assessment (eCOA)-Firmen für die jeweiligen Studien unter Lizenz des USB angeboten. Wir supervidieren das Programmieren des zugrunde liegenden Algorithmus durch die eCOA-Firmen und übernehmen mit unserem Team am USB die Expertenfunktion, wenn es in der praktischen Anwendung in den Studien Interpretationsfragen gibt. So bleibt die Qualität garantiert und wir können alle notwendigen Anpassungen kontrolliert durchführen.

Papier oder digital?

In einer Studie mit 100 MS-Patientinnen und -Patienten am USB konnten wir nachweisen, dass der dem Neurostatus- eEDSS® zugrunde liegende Algorithmus eine signifikant bessere Performance (weniger fehlerhafte Kalkulationen) als die konventionelle Papier-Variante hat. Die Analyse von zwei klinischen Phase-3-Studien (über 10’000 EDSS-Untersuchungen), welche den Neurostatus- eEDSS® genutzt haben, zeigte, dass die «real-time-feedback »-Funktion eine circa 50%ige Abnahme der Inkonsistenzen und Fehlkalkulationen zur Folge hat. Insbesondere, dass fast 15 % der eingegebenen EDSS-Scores (der Endwert der Untersuchung) ohne Einsatz des Neurostatus-eEDSS® fehlerhaft gewesen wären. Das ist sehr relevant, da der EDSS-Score ein wichtiger, oft primärer Endpunkt in klinischen MS-Therapiestudien ist. So kann der Neurostatus-eEDSS® durch Verminderung der Variabilität dazu beitragen, klinische Studien präziser und mit weniger Zeitaufwand durchzuführen. Mittlerweile ist diese Methodik Standard in nahezu allen klinischen Phase-3-Medikamenten-Studien im Bereich MS. Die elektronische Dateneingabe ist schneller und einfacher. Durch die digitale und vollständige Erfassung aller klinischen Untersuchungsbefunde kann darüber hinaus ein tieferes Verständnis über neue Symptome, die im Krankheitsverlauf auftreten, und deren Beitrag zur Gesamtbehinderung gewonnen werden.



1. Neurologin (Rater) untersucht Patienten.

2. Rater (Neurologin) gibt Daten in PC oder Tablet ein.

3. Rater sendet Daten zu einem Server, auf dem der eEDSS implementiert ist (oder das Programm ist direkt auf dem Tablet). Der eEDSS enthält einen Algorithmus, welcher die Daten des Assessments prüfen kann.

4. Rater erhält ein real-time (sofort) Feedback. Dieser Prozess ist 4-malig durchführbar; spätestens nach dem vierten Feedback müssen die Daten zum Daten-Management- System geschickt werden.

5a. Wenn keine Fehler > Assessment kann gespeichert werden.

5b. Wenn Fehler > Assessment wird an Expert (Neurologe am USB) weitergeleitet.

6. Expert (Neurologe am USB) prüft, ob Assessment ggf. wegen Kommentaren des Raters oder aus anderen Gründen (gegen die Definitionen) gespeichert werden kann.

7a. Expert akzeptiert Assessment > Assessment wird gespeichert.

7b. Expert akzeptiert Assessment nicht > Query wird ausgelöst und an Rater geschickt.

8. Rater und Expert interagieren bis Lösung gefunden.

9a. Rater und Expert einigen sich > Assessment wird gespeichert.

9b. Rater und Expert einigen sich nicht > Assessment wird, wie es der Rater will, gespeichert, aber markiert

Wohin geht die Reise?

Wir beschäftigen uns nicht nur mit der Prüfung eingegebener klinischer Daten, sondern auch mit der Vermittlung, wie der Neurostatus-EDSS korrekt erhoben wird. Dazu haben wir bisher neben einer Trainings-DVD und einer Online-Zertifizierungs-Plattform vor allem durch face-to-face Training-Sessions auf Investigator Meetings von MS-Studien sowohl die korrekte Graduierung der erhobenen Symptome erklärt, als auch standardisierte Techniken zur Erhebung am Patienten vermittelt. Wir haben zudem ein Forschungsprojekt für eine interaktive e-learning-Plattform lanciert. Aktuell ist die Multiple Sklerose unser Schwerpunkt. Wir erwägen aber bereits, unser Spektrum innerhalb der Neurologie zu erweitern.



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