Editorial

Tradition ist Tradition

Hervorgeholt das gute alte Kochbuch. Die Seite mit dem Rezept für Mailänderliteig klappt beinahe von allein auf. Es ist wieder so weit. In guter Familientradition mache ich mich ans Backwerk für das Weihnachtsfest. Ich weiss, was von mir erwartet wird: keine Experimente, sondern die klassischen Mailänderli in den Formen Herzen und Sterne. Nichts Zweifarbiges mit Schoggiteig, keine Verzierungen mit bunten Streuseln oder Silberperlen, keine farbige Glasur, nicht Leuchttürme oder Flusspferde als Ausstecherli, obwohl es mich ja schon reizen würde, etwas zu verändern an unserem traditionellen Mailänderli: Dem doch recht einfachen Butterteig eine neue Geschmacksnote unterzurühren, das juckt jedes Jahr unter den Fingern, schliesslich finden sich einige Preziosen in meinem Backwerkschatz. Bevor ich schliesslich übermutig(-mütig) werde, glaube ich, meine Mutter zu hören: «Finger weg vom Teig!» Sie hat zwar damals etwas Anderes gemeint, aber ich halte sofort inne, beende meine Phantastereien. Ja, ich weiss, einfach und ergreifend soll es sein. Jedenfalls gemäss unserer Familientradition. Jedem aber sein eigenes My-Länderli, nicht wahr?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen die Weihnachten, wie Sie sie lieben oder lieb gewonnen haben. Oder schlicht Tage, an denen Sie die Süsse des Lebens geniessen.


Ihre Gina Hillbert


Wie «Stille Post»

vermieden wird

Interprofessionelle Qualitätswoche im Notfallzentrum.

Interprofessionelle Qualitätswoche im Notfallzentrum.

Mit mehr als 52’000 Patientinnen und Patienten pro Jahr ist das Notfallzentrum am USB das bedeutendste der Region und eines der grössten der Schweiz. Um eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten, erfordert dieses komplexe Hochrisiko-Umfeld das Kennen und Einhalten von Soll-Prozessen, welche im USB Regelwerk, in den Pflegerichtlinien und den medStandards definiert sind. Oder anders ausgedrückt: Know-how und Know-why. Um die Prozesse gemeinsam zu analysieren und um die Qualität zu verbessern, fand im November 2019 die erste interprofessionelle Qualitätswoche statt. An einem «Q-Input» war ich zu Gast.

Es ist kalt, eisig kalt an diesem Dienstagmorgen, als ich im Eiltempo das Notfallzentrum ansteuere. Der Grund meines Besuches ist glücklicherweise keinem Notfall geschuldet. Vielmehr beginnt dort im Rahmen des World Quality Days 2019 die erste interprofessionelle Qualitätswoche. Diese hat zum Ziel, das Kennen und Einhalten von Soll-Prozessen zu stärken und das Wissen um Prozesse zu festigen. Damit alle Mitarbeitenden des Notfallzentrums die Möglichkeit zur Teilnahme haben, finden die Q-Inputs interdisziplinär und wegen der Schichtarbeit zu mehreren Zeitpunkten statt.

Die Kerngruppe um Dr. Christiane Rosin, Kathrin Matheis und Prof. Christian Nickel hat sich im Vorfeld auf drei Prozesse geeinigt: Sanitätsrapport, Beatmung und Patientendisposition werden während der Qualitätswoche thematisiert. Dazu haben sich Arbeitsgruppen im Vorfeld mit dem Ziel getroffen, Ist-/Soll-Analysen durchzuführen und mögliche Lösungsansätze für das gesamte Team herauszuarbeiten, welche in den Q-Inputs anhand von Postern präsentiert und diskutiert werden.

«Informationsübergabe muss strukturiert erfolgen, damit wichtige Information nicht verlorengeht.»

Prof. Roland Bingisser, Chefarzt Notfallzentrum

Eines dieser Poster hängt heute an der Tafel. Es behandelt den «Rapport von Rettung an Notfallteam», ein Hochrisikoprozess, wie ich von Dr. Rosin erfahre. Ein komplexes Pfeildiagramm illustriert, aus wie vielen Quellen Informationen über Patienten ins Notfallzentrum gelangen können. Regula Löhnert Kapp, Berufsbildnerin NDS am Notfallzentrum, demonstriert uns anhand des Spiels «Stille Post», wie sich eine Botschaft, wenn sie mündlich von einer Person an die nächste weitergegeben wird, immer mehr verfälscht. Diese Problematik droht bei jedem Rapport und scheint allen Teilnehmenden berufsgruppenübergreifend bestens bekannt zu sein. Tatsächlich haben sich Pflegende, Sanitäterinnen, Schichtleiter sowie Chef- und Oberärztinnen eingefunden. «Durch den enorm hohen Zeitdruck gelangen Patienteninformationen im schlimmsten Fall inkomplett, verfälscht oder verspätet zum Behandlungsteam», führt Löhnert Kapp aus, um sogleich auf mögliche Lösungsansätze zu sprechen zu kommen. Als Erstes veranschaulicht sie, wie wichtig es ist, als Team patientenzentriert vorzugehen. Das gilt nicht nur metaphorisch, sondern auch physisch: Neue Bodenmarkierungen und Vorhänge optimieren die Rahmenbedingungen. Dann kann der in medStandards beschriebene Prozess möglichst konzise und ungestört von Unterbrechungen stattfinden. Dem pflichtet auch Chefarzt Prof. Roland Bingisser bei: «Redet mit Patienten und nicht mit dem Telefon», mahnt er seine Kolleginnen und Kollegen. Löhnert Kapp und Rosin wissen, dass Verbesserungen in Teams möglich sind, wenn gemeinsam an Lösungen gearbeitet wird und scheuen die Herausforderung nicht. Sie wissen aber auch, dass Qualität nur durch stetige Prozessanalyse und -optimierung nachhaltig verbessert werden können.

Die Diskussion ist rege und die Zeit bereits fortgeschritten, als Löhnert Kapp den Workshop beendet. Ich erfahre noch, dass im Anschluss Geräteschulungen zur neuen High-Flow-Sauerstofftherapie stattfinden werden und die Gruppe um Dr. Kriemhild Lippay neue medStandards zu respiratorischem Support vorstellt. Als Aussenstehender nehme ich vor allem zwei Dinge von meinem Besuch mit. Erstens, dass im Notfallzentrum exakte Kommunikation und aufeinander abgestimmte Prozesse von höchster Bedeutung sind. Zweitens, dass alle Teams unter enormem Zeitdruck stehen und täglich Beeindruckendes leisten, um erfolgreich das zu tun, was sie tun: Leben retten. Beruhigt, dass im Notfallzentrum stetig an der Qualität gearbeitet wird, wende ich mich meinem weiteren Tag zu.



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