Editorial

Ich bin dann mal weg.

Nein, ich begehe keinen Pilgerweg, so wie es der Schöpfer dieses genialen Buchtitels getan hat, sondern verlasse diese Gazzetta-Ausgabe mittendrin für ein Verweilen in einer ganz anderen Welt. Loslassen ist nicht immer einfach. Das Pflichtbewusstsein weiss genau, wann es sich wieder melden muss. In dieser Stimmung begab sich auch das Team Tabora zum Einsatz in ein abgelegenes Gebiet Tansanias, um innert 14 Tagen 350 Kindern auf die Welt zu helfen. Welch‘ geburtshilfliches Kontrastprogramm! Aber lesen Sie selbst. Unsere berührende Titelgeschichte kann und darf einen nicht kalt lassen.

Für das neue Jahr möge Sie folgender Gedanke begleiten: Wenn wir gehen, um anzukommen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Ihnen allen (Be)rührendes und (Er)wärmendes wünschend

Ihre Gina Hillbert

Kuriositäten – Die Taschenspuckflasche

Prof. Widmer über das Objekt zur Infektionsvermeidung

Professor Andreas F. Widmer ist im Universitätsspital Basel Leiter Spitalhygiene und Stv. Chefarzt Infektiologie, Infektiologie & Spitalhygiene.

Der blaue Heinrich

Das eiförmige Gefäss ist aus kobaltblauem Glas gefertigt und mit einem Sprungdeckel aus Metall sowie einem abschraubbaren Metallfuss versehen. Auf dem Glas steht der Name des Erfinders «Dr. Dettweiler» und auf dessen Unterseite ein Vermerk «Geheimrath Dr. Dettweiler´s Taschenflasche für Hustende». Dieser blaue Heinrich, wie er auch genannt wurde, verdankt seinen Namen höchstwahrscheinlich dem blau getönten Glas. Diese elegante Spuckflasche wurde von Tuberkulosepatienten genutzt, die in die Flasche husteten, sodass die infektiöse Spucke über einen Trichter in das Innere der Flasche gelangte. Über den Schraubverschluss am Fuss konnte man dann mit einem Desinfektionsmittel das Fläschchen ausspülen und hygienisch wieder entleeren. Die blaue, leicht transparente Färbung sorgte dafür, dass man den Füllgrad der Flasche gut erkennen konnte, und gleichzeitig war der Inhalt nicht zu deutlich zu erkennen.

Die Fläschchen, die damals für 1,50 Mark verkauft wurden, fanden zahlreiche Abnehmer: Alle Lungenheilstätten Deutschlands und der Schweiz setzten sie bei ihren Patienten ein.

Prof. A. Widmer, was ist denn das Kuriose an diesem Objekt?

Kurios an dem Taschenfläschchen ist, dass es recht altmodisch wirkt. Vor 120 Jahren, als es produziert wurde, war es aber ein sehr modernes Mittel zur Infektionsvermeidung. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich die Interpretation durch, dass Infektionskrankheiten auf Mikroben zurückzuführen waren. In diesem Zusammenhang wurden das Husten und das Spucken auf den Boden zu einem Gesundheitsproblem: Die Ärzte gingen nun davon aus, dass dadurch gefährliche Erreger, zum Beispiel Tuberkelbakterien, in die Umwelt gelangten. Dieses Taschenfläschchen für Hustende sollte die Ansteckungsgefahr reduzieren. Während es heute nicht mehr in Gebrauch ist, gilt nach wie vor, was Benjamin Franklin bereits im 18. Jahrhundert gesagt hat: «One ounce of prevention is worth a pound of cure.“

«Jedenfalls bleibt bei mir die Spucke weg, wenn jemand zu Boden spuckt.»

Prof. Andreas Widmer

Wohin geht Auswurf heute? Prof. Andreas Widmer weiss Bescheid

Der Auswurf geht im Spital und anderen Gesundheitseinrichtungen heute meist in Einwegbehälter und wird, je nach Erkrankung, als infektiöser Abfall entsorgt. Allerdings gibt es Länder (wie z.B. China) oder Sportarten, wo das Spucken zu Boden immer noch geläufig ist. In Fussballspielen vergeht keine Halbzeit, ohne dass ein Spieler oder meist mehrere zu Boden spucken. Das ist nicht gerade visuell ansprechend, birgt aber in Anbetracht der weiten Distanz zum nächsten Spieler und der freien Luft kein Ansteckungsrisiko, nicht zuletzt auch deshalb, da bei Tuberkuloseerkrankungen keine sportlichen Höchstleistungen möglich sind. Im Gegensatz dazu ist das Spucken in öffentlichen Räumen und Fahrzeugen ein fassbares Risiko einer Transmission von Bakterien und Viren: Beim Spucken und Niesen werden gerade in der Grippesaison grosse Mengen von Viren freigesetzt, sodass Personen in der nächsten Umgebung angesteckt werden können. Im Freien gelangt Sonnenlicht auf des «Gespuckte», das mit dem UV-Licht eine Desinfektion über die Zeit erzielt. In geschlossenen Räumen ist das Risiko der Übertragung aber gross: Im alten Tram in Basel – heute noch zu sehen im Tram «Dante Schuggi», sind immer noch Schilder zu sehen: Nicht zu Boden spucken.


Früher & heute

Originalbeschriftung: Das Taschenfläschchen für Hustende

Dr. Dettweiler ‚Falkenstein‘-Taunus soll zur Aufnahme der Luftröhren und Lungenabsonderung dienen. Sein Gebrauch ist einfach und beseitigt jede Gefahr der Übertragung von Ansteckungsstoffen. Das Fläschchen wird zum Gebrauch fertig geliefert. Irgendwelche Desinfektionsflüssigkeiten brauchen nicht in dasselbe gegossen zu werden. Beim Einführen des Auswurfs tut der Hustende gut, etwas Mundspeichel mitgehen zu lassen, wodurch jener leichter im Trichter hinabgleitet. Das Fläschchen steht sicher auf der unteren Kapsel, es muss entleert werden, wenn der Auswurf bald den Trichter erreicht. Die völlige Reinigung geschieht leicht durch Eingiessen von kaltem oder warmem Wasser, auch 5%tiger Karbollösung, Schütteln und Auslaufenlassen aus dem unteren Reinigungsloch in den Spüleimer oder in die Abortsröhre.

Man bittet, die Federn von Zeit zu Zeit etwas einzuölen!


Downloads


Kommentare (0)

Keine Kommentare zu diesem Artikel vorhanden. Sei die/der Erste, der diesen Artikel kommentiert.



Keine Ausgabe verpassen –
Erinnerungsservice abonnieren!