Das Kurvenblatt fliegt davon
und kommt elektronisch zurück
«Wir kriegen die Kurve!» Mit diesem Versprechen ist das Projektteam im Frühjahr 2014 angetreten. Seither hat sich erfreulich viel getan. Die elektronische Kurve namens «Meona» läuft bereits mit grossem Erfolg auf drei Pilotstationen: Medizin 5.1, Chirurgie 3 und IMC. Der Rollout wird voraussichtlich zu Beginn 2016 starten.
Pilotphase: Drei bahnen den Weg zum Erfolg
Als Erste wagten sich die Mitarbeitenden von der Medizin 5.1 daran, auf Stift und Papierkurve für die Dokumentation von wichtigen Daten wie Vitalparameter und Medikation zu verzichten. Stattdessen nutzten sie die elektronische Kurve in Verbindung mit mobilen Pflegewagen. Nicht zuletzt dank der grossen Motivation des Teams und der sorgfältigen Vorbereitung kam es bei dieser fundamentalen Umstellung zu keinen namhaften Problemen. Besonders hilfreich waren die sogenannten Schattenläufe, bei denen Projektmitarbeitende das System und die Prozesse vorab im Betrieb, auf Stationen testeten. Bereits nach Ende der ersten Woche wurde vorsichtig gefragt, ob man denn die Kurve «nun wirklich behalten dürfe».
Als zweite Pilotstation, mit deutlich anderen Prozessen, folgte Chirurgie 3. Auch hier konnten dank einer guten Vorbereitung die Ansprüche einer chirurgischen Bettenstation erfolgreich und zügig erfasst werden.
Im Juli sprang die dritte Pilotstation auf, die IMC. Hier stand neben den Prozessanpassungen vor allem die automatische Übernahme von Vitalparametern der Überwachungsmonitore in die elektronische Kurve im Mittelpunkt.
Die Pilotphase verlief erfolgreich. Die Beteiligten zeigten ein hohes Mass an Engagement. Mit dem Abschluss der Pilotphase ist nun die nächste Hürde für die Einführung der elektronischen Fieberkurve und Medikamentenverordnung am USB erfolgreich genommen. Die Erfahrungen der Pilotierung werden nun sorgfältig ausgewertet und mit den Rollout-Varianten der Spitalleitung zum Entscheid vorgelegt. Abhängig davon wird der Rollout voraussichtlich zu Beginn 2016 starten.
PD Dr. Jens Eckstein interviewt Claudia Kraus, Stationsleiterin Medizin 5.1 und Bodo Schulz, Stationsleiter Chirurgie 3
Claudia: Der Dokumentationsbedarf – wer dokumentiert was, wann und wo – musste gut abgeklärt werden. Diesbezüglich waren die Schattenläufe eine sehr grosse Hilfe. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass der Einsatz eines mobilen Wagens für die Hardware essenziell ist. Durch die Bereitstellung eines PC-Wagens für jede Pflegefachperson werden Übertragungsfehler reduziert und viele Wege und Laufzeit eingespart.
Bodo: Die besonderen Gegebenheiten unserer Station mussten vorab betrachtet, die speziellen Verordnungen und auch die Prozesse analysiert und definiert werden. Die daraus entstandenen Anpassungen und Systemvorlagen haben wir vor dem Start hinterlegt.
Claudia: Die Kommunikation zwischen Arzt und Pflege verändert sich. Jeder hat nun immer Zugriff auf Fieberkurve und Verordnungstools. Es muss klar geregelt sein, wann verordnet wird und wann die Verordnungen ausgeführt werden. Darüber hinaus darf aber das persönliche und direkte Gespräch zwischen den Berufsgruppen nicht verloren gehen.
Bodo: Die Fieberkurve ist das zentrale Bindeglied der Dokumentationsprozesse für alle Berufsgruppen und hat einen hohen Stellenwert bei allen Arbeitsabläufen. Sie nimmt eine Cockpitfunktion ein und dient als zentraler Ort für die dokumentierten Patienteninformationen. Durch die elektronische Verfügbarkeit der Informationen unabhängig von Ort und Zeit trägt sie dazu bei, die Arbeitseffizienz und Patientensicherheit erheblich zu steigern.
Claudia: Die Umstellung auf die elektronische Dokumentation ist ein Gewöhnungsprozess, der eine gewisse Zeit und viel Routine braucht. Das ist vor allem für Mitarbeitende, die in Teilzeit arbeiten, eine Herausforderung. Langfristig stellt die elektronische Dokumentation als solche jedoch keine Belastung dar, sondern ist eine sehr gute Unterstützung, um im Alltag mehr Klarheit zu schaffen und die Patientensicherheit zu erhöhen.
Bodo: Die Umstellung von Papier auf den PC führt in den ersten Wochen zu einer zusätzlichen Belastung. Die Mitarbeitenden müssen sich an die neuen Dokumente und die veränderte Informationsstruktur gewöhnen. Man muss das neue Medium kennenlernen und sich darin zurechtfinden. Auch die Arbeitsorganisation muss teilweise an die neuen Strukturen angepasst werden.
Claudia: Bisher wurden die ärztlichen Verordnungen handschriftlich durch die Pflege auf das Kurvenblatt übertragen. Das entfällt jetzt vollständig. Übertragungsfehler werden dadurch vermieden und jeder hat zu jeder Zeit Zugriff auf die Fieberkurve – keine lästige Fieberkurvensuche mehr! Zudem bietet «Meona» direkt im System Informationen zu jedem Medikament, was insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der Patientensicherheit führt.
Bodo: Bisherige Doppeldokumentationen entfallen, da beispielsweise die Daten der Kurve automatisch auch auf dem Überwachungsblatt zu finden sind. Durch die bessere Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte, z. B. beim Medikationsprozess, reduziert sich einerseits die Nachfrage bei der anordnenden Person, andererseits wird die Patientensicherheit erhöht.
Claudia: Die zuständigen Ansprechpartner aus dem Projekt waren und sind immer ansprechbar und haben sehr gute Unterstützungsarbeit im Team geleistet. Anliegen, Fragen und Ideen wurden schnell aufgenommen und bearbeitet. Alle Mitarbeitenden wurden so geschult, dass Berührungsängste schon zu Beginn aus dem Weg geräumt werden konnten.
Bodo: Schon vor dem eigentlichen Start des Projekts wurden die ersten Key-User geschult. Danach gab es mehrere Schattenläufe auf der Station, sodass wir bereits vor dem Pilotstart Probleme erkennen und darauf reagieren konnten. Das war sehr hilfreich.
Claudia: Die elektronische Fieberkurve bringt definitiv eine Verbesserung des Arbeitsalltages mit sich. Im Vorfeld sollten die Teams gut über alle Schritte informiert und miteinbezogen werden, vor allem, wenn es um Veränderungen beiden Abläufen und bei der Dokumentation geht.
Bodo: Die Umstellung von der Papierdokumentation auf die elektronische Kurve funktioniert nicht im Vorbeigehen. Die Mitarbeitenden müssen über ausreichende PC-Grundkenntnisse verfügen und bei Bedarf zusätzlich geschult werden. Während der Einführungsphase ist mit einem erhöhten Personalaufwand zu rechnen und auch im Nacht- und Wochenenddienst sollten für Fragen und Probleme immer Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
Andreas Hinck interviewt Dr. Clemens Winterhalder, Oberarzt Innere Medizin
Clemens, wie hat sich die Einführung im ärztlichen Alltag ausgewirkt?
Die Einführung hat grossen Einfluss auf die tägliche Arbeit auf den Stationen. Viele Fragen zu den Arbeitsprozessen zwischen Ärzten und Pflege mussten besprochen und angepasst werden. Ein Beispiel: Wie werden die telefonischen Verordnungen in der Nacht dokumentiert? Grosse Veränderungen gab es auch bei der Visite. Die Mappex-Visite am Nachmittag wird es in dieser Form nicht mehr geben. Einen Visitenwagen wie bisher gibt es auch nicht mehr. Patientenakten werden nur noch elektronisch eingesehen. Verordnungen erfolgen direkt in die elektronische Kurve. Dort stehen auch neue Kommunikationskanäle zur Verfügung, z. B. das Notizenfeld, das zur Weitergabe von Informationen genutzt werden kann. Das alles muss sich noch einspielen. Da braucht es Geduld bei allen Beteiligten.
Wo siehst du den grössten Nutzen im Alltag für die Ärzte?
Sehr erfreulich ist die grosse Zeitersparnis, die durch die ständige Verfügbarkeit der Kurve an jedem Arbeitsplatz entsteht. Durch die elektronische Übernahme der Medikamente in den Arztbrief werden Fehler vermieden und es geht deutlich schneller. Die automatische Interaktionsprüfung und das Allergiemodul bringen nicht nur einen Zeitgewinn, sondern auch mehr Sicherheit für die Patienten.
Was wäre dir zum Schluss noch wichtig als Tipp für deine Kolleginnen und Kollegen?
Wichtig finde ich, dass genügend Ressourcen für die Schulungen eingeplant werden. Nicht nur die Ärzte, die direkt auf der Abteilung tätig sind, müssen geschult werden, sondern auch alle Kollegen, die in die Patientenbetreuung involviert sind (Spätdienst, Nachtdienst, Spezialisten, Konsiliarärzte). Die Ansprechpartner der Stationen sollten frühzeitig eingebunden werden, z. B. um Systemvorlagen optimal zu gestalten.
Das Projektteam: Dr. Patrick Heinrich, Teamleiter Klinische IT-Projekte und Architektur, Andreas Hinck, Stationsleitung HNO und PD Dr. Jens Eckstein, Leitender Arzt Innere Medizin
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