Editorial

Eigentlich möchte ich nichts über das Wort «eigentlich» schreiben. Eigentlich bin ich dessen überdrüssig, besonders dann, wenn es mir selber entschlüpft. Wie soeben.

Du verfolgst mich. Bin ich denn so unentschlossen und will ich «es» partout nicht auf den Punkt bringen?

Signalisiere ich damit, dass ich was auch immer im Grunde genommen nicht so gemeint habe? Eigentlich ja.

Viel Spass beim Aufspüren von «eigentlich» in dieser Ausgabe. Ein kleiner Tipp zum Abschluss: Ersetzen Sie das Unwort doch mal mit «genau genommen», «grundsätzlich», «letztlich» oder «streng genommen» und fühlen Sie den Unterschied.

Ihre Gina Hillbert

Krebspatient Christian B.:

Ich komme wieder auf die Beine

Helfen sich Krebspatienten selber, wenn sie während der Chemotherapie körperlich aktiv sind? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Active-Studie, die bei Krebstherapien erstmals den Faktor Sport einbezieht. Christian B. war einer der Patienten, die während der Vorbereitungen zur Studie am Unispital gemeinsam mit der Physiotherapie die Details des Bewegungsprogramms testeten.

Es begann mit Verdauungsproblemen, gegen die kein Mittel mehr half. Dann notfallmässig wegen starker Schmerzen ins Spital, Erstdiagnose Darmverschluss, OP. Die Diagnose Darmkrebs trifft Christian B. hart. Viel stärker jedoch trifft ihn der Umstand, dass knapp eine Woche nach der Operation Komplikationen auftreten. Ein weiterer Eingriff ist unvermeidbar. «Danach fühlte ich mich nicht gut», erinnert er sich.

Ein Leben lang gesund und in Bewegung

Der Mittsechziger kannte zuvor nie nennenswerte gesundheitliche Probleme. Durch seinen Beruf war er oft unterwegs, viel an Sitzungen oder Verhandlungen, lebte abwechslungsreich, mitunter hektisch. Rechtzeitig erkannte er die Zeichen: Bevor ihn das Arbeitsvolumen krank zu machen drohte, zog er die Notbremse und entschied «abrupt» - wie er es ausdrückt –, aus dem Arbeitsleben auszusteigen.

Das war vor zwei Jahren. «Ich habe mir das viel einfacher vorgestellt», bekennt Christian B. heute. Den endgültigen Abschied aus dem Berufsleben und den damit verbundenen Wechsel verkraftete er nicht ohne Weiteres. Was ihm aber – als Ausgleich – immer wieder auf die Beine half, war auch in dieser Phase die körperliche Aktivität. «Ich fühle mich gut, wenn ich mich bewegen kann.»

Schockdiagnose: Wie weiter?

Als sich alles einzupendeln scheint und Christian B. allmählich in seinem neuen Lebensabschnitt Fuss fasst, trifft ihn ein Tiefschlag – die Krankheit mit dem Namen Darmkrebs. Er trägt die Diagnose mit Fassung, dennoch geht er zeitweise «zu Boden». Er kennt sich nicht krank. Dass die Krankheit ihn irgendwie im Griff hat, ist nicht einfach zu akzeptieren, aber er lässt sich nicht entmutigen.

Bereits während seines Spitalaufenthalts, kurz nach der Operation erwacht in ihm rasch wieder der Wunsch, körperlich aktiv zu werden. Mindestens 1000 Schritte pro Tag sollten es schon werden. «Ich war immer davon überzeugt, dass diese körperliche Betätigung wichtig für mich ist, für meine Heilung. Ich wollte mich keinesfalls gehen lassen.»

Chemo und Bewegungsprogramm

Bald schon beginnt im Tumorzentrum die Chemotherapie, vor welcher Christian B. grossen Respekt hat. Wie wird sie sich auf seinen Körper auswirken? Wird er nur noch müde sein und sich nicht bewegen wollen? Seine Bedenken verfliegen rasch, denn er verträgt die Chemo gut. Als man ihm vorschlägt, parallel zur Chemotherapie ein Bewegungsprogramm zu absolvieren, stimmt er sofort zu.

Unter Kontrolle und Anleitung von Physiotherapiefachleuten absolviert er daraufhin zweimal die Woche auf dem Ergometer seine Strecke, 30 Minuten mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Er darf mit seiner Leistung zufrieden sein, denn rasch bezwingt er vier Steigungen, dann sechs. Auch die Pausenintervalle werden kürzer und – was wichtig für ihn ist – er spürt, dass die Beine Muskeln haben, die langsam wieder kräftiger werden. Aber nicht nur der ärztlich empfohlene Sport steigert sein Wohlbefinden. Mittlerweile gestaltet der Patient seine Freizeit aktiver und geniesst wieder die schönen Seiten des Lebens.

«Ich komme wieder auf die Beine»

Inzwischen ist das Bewegungsprogramm abgeschlossen. Die Ärzte haben Herrn B. eine gute Prognose gestellt. Er selber denkt viel über seinen Gesundheitszustand nach. «Heute weiss ich, dass ich wieder auf die Beine kommen kann. Ich hatte Momente, da habe ich ernsthaft daran gezweifelt. Das Selbstverständnis, rasch wieder leistungsfähig zu sein, war komplett weg.» Wie jeder Patient hat Christian B. Ängste, die ihn im Alltag einholen, aber er weiss, er wird sich anstrengen, um in Bewegung zu bleiben und diese Lebenschance zu packen.

«Früher galt: Krebspatienten gehören ins Bett. Heute weiss man, dass sie – trotz Krankheit – aktiv sein können, und zwar gemäss ihren persönlichen Bedürfnissen. Wir unterstützen sie dabei.»

Prof. Viviane Hess

Begleiten den Patienten: Peter Suter und Jacques Hochstrasser der Physiotherapie, Prof. Viviane Hess, Leitende Ärztin, Leiterin Klinische Forschung Onkologie und Barbara Handschin, wissenschaftliche Mitarbeiterin Onkologie. <br>

Begleiten den Patienten: Peter Suter und Jacques Hochstrasser der Physiotherapie, Prof. Viviane Hess, Leitende Ärztin, Leiterin Klinische Forschung Onkologie und Barbara Handschin, wissenschaftliche Mitarbeiterin Onkologie.

«Die Patienten zeigten beim Training sehr grosse Motivation und viel Einsatz. Trotz ihrer Krankheit erzielten sie ihrem Leistungsvermögen entsprechend Fortschritte, was ihnen ein gutes Gefühl gab.»

Die Physiotherapeuten Jacques Hochstrasser und Peter Suter

​Active-Studie:

Was bringt Sport während der Chemotherapie?

Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass Menschen, die sich sehr viel bewegen, weniger oft an Darmkrebs erkranken. Ausserdem ist belegt, dass Menschen, bei denen Darmkrebs behandelt wurde, weniger häufig Rückfälle haben, wenn sie körperlich aktiv sind. Ob Sport aber auch während der Darmkrebsbehandlung zu besseren Behandlungsergebnissen führt, ist bisher unbekannt. Diese Wissenslücke möchte nun die sogenannte Active-Studie schliessen.

Die gross angelegte Studie wird an zahlreichen Spitälern in der Schweiz, Österreich und Deutschland realisiert, unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds. Studienleiterin ist Prof. Viviane Hess, Leiterin Klinische Forschung Onkologie des Universitätsspitals Basel. Durchgeführt wird die Studie mit der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK), welche sich seit 50 Jahren für die bestmögliche Krebstherapie einsetzt und in ihrem Jubiläumsjahr eine Studie startet, die erstmals die Wirkung von Sport während der Chemotherapie untersucht.

Zusammenarbeit mit Physiotherapie

Mit der Active-Studie am Tumorzentrum soll geklärt werden, ob es Patientinnen und Patienten mit neu diagnostiziertem, fortgeschrittenem Darmkrebs hilft, wenn sie während der Chemotherapie ein Bewegungsprogramm absolvieren. Das Programm startet in der ersten Hälfte der Chemotherapie und dauert zwölf Wochen. «Wir wollen herausfinden, ob der Tumor so längere Zeit kontrolliert werden kann und ob die Patientinnen und Patienten insgesamt weniger Beschwerden haben», sagt Studienleiterin Prof. Viviane Hess, die für das Forschungsprojekt vom Schweizerischen Nationalfonds mit einer Förderungsprofessur unterstützt wird.

Das Bewegungsprogramm wurde am USB in Zusammenarbeit mit der spitalinternen Physiotherapie ausgearbeitet. Unter Anleitung von Physiotherapeuten werden die Patientinnen und Patienten zweimal pro Woche auf dem Fahrradergometer trainieren und zusätzlich mit einem Schrittzähler motiviert, sich im Alltag mehr zu bewegen. Das Training wird individuell gestaltet und ist somit auch für Leute geeignet, die vorher  nicht sportlich aktiv waren. Ein wichtiger Faktor dieser Behandlung ist, dass die Teilnehmenden der Studie selber aktiv zu ihrer Therapie beitragen können.

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