Editorial

Eigentlich möchte ich nichts über das Wort «eigentlich» schreiben. Eigentlich bin ich dessen überdrüssig, besonders dann, wenn es mir selber entschlüpft. Wie soeben.

Du verfolgst mich. Bin ich denn so unentschlossen und will ich «es» partout nicht auf den Punkt bringen?

Signalisiere ich damit, dass ich was auch immer im Grunde genommen nicht so gemeint habe? Eigentlich ja.

Viel Spass beim Aufspüren von «eigentlich» in dieser Ausgabe. Ein kleiner Tipp zum Abschluss: Ersetzen Sie das Unwort doch mal mit «genau genommen», «grundsätzlich», «letztlich» oder «streng genommen» und fühlen Sie den Unterschied.

Ihre Gina Hillbert

Immer in Bewegung

in Ost und West

Fast alle im Bild: Die Pflegeassistentinnen der Anästhesie<br>

Fast alle im Bild: Die Pflegeassistentinnen der Anästhesie

Zwei OP-Bereiche in entgegengesetzten Himmelsrichtungen, zwei Pflegeassistentinnen in der Anästhesie in verschiedenen Welten? Über die Unmöglichkeit, den Unterschied von Ost und West nicht zum Thema zu machen und über die Möglichkeit, eine wichtige Berufsgruppe im Anästhesiebereich in den Mittelpunkt zu stellen.

Wir neigen dazu, unsere Welt aufzuteilen: In oben und unten, schwarz und weiss, links und rechts oder eben in Ost und West. Dabei – so sei behauptet – mögen wir lieber «oben» und «weiss», bei links oder rechts wird’s rasch politisch, also lassen wir das beiseite. Bei Ost und West mögen wir an die Sonnenbahn denken oder an die jüngere Geschichte unseres Nachbarlandes, als Ost und West zusammenfanden.

Ich sollte nun auf Ost und West im Unispital treffen. Genauer: auf die beiden OP-Bereiche. Ich treffe die Pflegeassistentinnen (PA) Anästhesie, Bea Di Pasqua im OP West und Sandra Fürst im OP Ost und lasse mich durch ihr umfangreiches Aufgabengebiet führen. Insgesamt sind zwölf PAs der Anästhesie für die Bewirtschaftung und Bereitstellung diverser Materialien für 24 Operationssäle und etwa 20'000 Anästhesien pro Jahr zuständig: Alles muss dem Anästhesieteam zur rechten Zeit in genügender Menge und den Qualitätsnormen entsprechend vor und nach der OP zur Verfügung stehen.

Bea und Sandra sorgen dafür, dass immer genügend Reserve in Reichweite ist, dass die Beistellwagen komplett gerüstet, die Regale gefüllt sind und die Sauerstoffflaschen bereitstehen: kontrollieren, versorgen, ein- und zuordnen, bestellen – Abläufe, welche ein hohes Mass an Konzentration erfordern, eine logistische Glanzleistung allemal. Sandra und Bea bestätigen mir: Sie sind beide von Haus aus ordnungsliebend und gut organisiert.

Doch rasch zurück ins USB-Haus, wo es gegen 7.00 Uhr schon richtig betriebig ist. Bevor die ersten Patienten eintreffen, um vom Anästhesieteam vorbereitet zu werden, muss das Wagensortiment bereit und in den OP-Vorbereitungen kontrolliert und aufgefüllt sein. An jedem Aufbewahrungsort ist eine Checkliste angebracht, die das Sortiment genauestens aufführt. Bea und Sandra sind äusserst routiniert und  erkennen sofort, was und wie viel fehlt. Jeder Bereich hat seine Operationsschwerpunkte. So ist der OP Ost durch seine Lage nahe dem Notfallzentrum, der Radiologie und der wichtigsten Ambulatorien zusätzlich zum geplanten OP-Programm rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr auf Notoperationen und Reanimation ausgerichtet. Dies zurzeit in zwölf Operationssälen. Im OP West werden hauptsächlich geburtshilfliche, gynäkologische, orthopädische, plastisch-chirurgische und neurochirurgische Eingriffe gemacht. Dementsprechend ist das Anästhesie-Sortiment unterschiedlich auf Ost und West verteilt.

Bea und Sandra, die mir stellvertretend für ihre zehn Kolleginnen Einblick gewähren, leisten äusserst wichtige Hintergrundarbeit. Sie müssen in jedem Moment den Überblick behalten und sind ständig in Bewegung. Beide haben sich ihr Arbeitsfeld, in welchem sie sich sehr selbstständig und souverän bewegen, zurechtgeschnitten. Die Pflegeassistentinnen der Anästhesie sind keine Handlangerinnen. Sie sind mit einem hohen Dienstleistungsverständnis für ihre Kollegen unterwegs in ihrem angestammten Bereich. Sie wissen viel, tragen die volle Verantwortung für ihr Aufgabengebiet und erfahren Wertschätzung, weil man sich vollkommen auf sie verlassen kann. Das PA-Team im Osten hat den liebevollen Namen «Perlen der Anästhesie», Bea im Westen ist «unser Westengel.» Sandra und Bea leben ihre Profession, jede auf ihre Art.

Wie die Liebe zum Beruf Himmelsrichtungen vereint

Vor vier Jahren hat  sich Sandra Fürst nach elf Jahren als PA auf einer chirurgischen Bettenstation in einem kleinen Spital entschieden, der Eintönigkeit ein Ende zu setzen und sich auf eine Stelle im Unispital zu bewerben. «Ja, die Anfangsphase war sehr hart. Ich hatte das Gefühl, das checke ich nie.» Heute kann sie sich keinen besseren Arbeitsort vorstellen: «Kein Tag ist wie der andere. Ich sehe hier auch vieles und erlebe schwierige Situationen. Das hat mich bestimmt verändert. Ich erlebe hautnah, wie wertvoll das Leben ist.» Sandra ist wissbegierig. Ihre Art, Dinge zu erklären, beeindruckt. Ich hätte mir nach Sandras klarer Demonstration beinahe zugetraut, mich an die aufwendige Reinigung eines teuren Geräts, des Bronchoskops zu wagen. Die 36-Jährige ist angekommen und dennoch unterwegs.

Sandra mag die Hektik, die im Osten naturgemäss entsteht. Sie hält den Druck gut aus, behält einen kühlen Kopf.

So sehr sich Sandra mit dem Osten identifiziert, so sehr ist Bea mit dem Westen verbunden. In Beas Gärtli feiert das OP West-Team jeweils sein «Westfest» in wohltuender Entfernung vom Arbeitsalltag. Bea und Sandra wissen, wo sie hingehören. Liebevoll wird auch mal auf den «kleinen» Unterschied hingewiesen. Dennoch, die einen können ohne die anderen nicht sein. Man steht im Tagesbetrieb häufig in Kontakt mit der anderen Himmelsrichtung: kollegial, unterstützend, aushelfend, einspringend. Engpässe werden gemeinsam gemeistert. Und selbstverständlich trifft man sich zu den Teamsitzungen.

Bea hat eine sehr lange Unispital-Geschichte aufzuweisen. Vor 43 Jahren absolvierte sie die Ausbildung zur Spitalgehilfin. Das damalige Bürgerspital war ihr  Ausbildungsort. «Ich wollte eigentlich ins Hotelfach, aber ich hätte vier Jahre auf den Ausbildungsplatz warten müssen. Daher suchte ich in der Zeitung nach einer Möglichkeit als Zwischenlösung und so kam ich ins Spital nach Basel.» Die gebürtige Berner Oberländerin arbeitete die ersten vier Jahre auf einer medizinischen und einer chirurgischen Bettenstation. Nach ihrer Heirat wurde sie verständlicherweise unzufrieden, als man sie ständig in den Wochenenddienst einteilte. Für Bea war klar: Sie will innerhalb des Spitals wechseln. Bald schon gehörte sie zur Anästhesie. «Ich bin sehr gut aufgenommen worden», erinnert sie sich. «Alle hatten Verständnis, dass ich mich erst einmal einarbeiten musste. Ich fühlte mich zu Beginn wie der Esel am Berg, denn ich war auf mich alleine gestellt.» Seither ist viel Zeit vergangen. Bea hat Veränderungen mitgetragen, sich weitergebildet und ihre Familie gefunden als Mutter des Westens, auf die man sich verlassen kann, die für alles besorgt ist, inklusive Kaffeekasse.

Bea hat Veränderungen mitgetragen, sich weitergebildet und ihre Familie gefunden als Mutter des Westens.

Nicht zu vergessen, auf Bea warten in ihrem «Reich» Abertausende von Fingergriffen und Kontrollblicken, an jedem Tag, den sie meist sehr früh beginnt. Um 6.40 Uhr geht im Westen das Licht an, in acht OP-Sälen, in den langen Gängen, auf zwei Etagen. Bea hat viel erlebt. Hat sich manche Operation angesehen, auch um zu begreifen, was geschieht, wie das Material, welches sie verwaltet, eingesetzt wird. Sie lernt und lernt fürs Leben. Vor Kurzem ist sie Grossmutter geworden. Stolz trägt sie am Unterarm ein Tattoo mit dem Namen ihres Enkels und Augensterns. Ich gewinne den Eindruck, Bea habe den Stoff zum Leben definitiv nicht in einer Schublade zwischengelagert.

Bea und Sandra, zwei Pflegeassistentinnen aus der Anästhesie aus entgegengesetzten Himmelsrichtungen: Sie treffen sich mitten im Geschehen.



Siegfried Batzer, stv. Leiter Anästhesiepflege:

«Unsere Pflegeassistentinnen haben ihren Garten gefunden. Darin bewegen sie sich engagiert, fleissig und wissbegierig. Sie nutzen die Gestaltungsmöglichkeiten zum Wohl aller. Und jede hat die Freiheit, sich selbst einzubringen.»

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