Editorial

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Ihre Gina Hillbert

Mehr Lebensqualität bei akuten

und chronischen Schmerzen

Obwohl chirurgische Eingriffe bei vielen Erkrankungen grossartige Erfolge zeigen, sind sie bei chronischen Schmerzen als isolierter Weg selten eine gute Option. Dabei kann die Fachdisziplin Chirurgie in diesem Zusammenhang durch jede somatische Massnahme ersetzt werden, was zur grundsätzlichen Frage führt: Kann einer Schmerzpatientin oder einem Schmerzpatienten allein mit somatischen Methoden geholfen werden?

Dr. Roger Moser und sein Team nehmen sich für eine ganzheitliche Sicht und Beurteilung des Patienten viel Zeit während des Erstgesprächs.

Dr. Roger Moser und sein Team nehmen sich für eine ganzheitliche Sicht und Beurteilung des Patienten viel Zeit während des Erstgesprächs.

Wie Schmerzen entstehen: ein kurzer, aber spannender pathophysiologischer Exkurs

Um obige Frage zu beantworten, ist ein kurzer pathophysiologischer Abriss der Schmerzentstehung unumgänglich. Schmerzen entstehen im Körper und werden durch das Nervensystem über mehrere Zwischenschritte zum Hirn geleitet, wo der Schmerz erst bewusst wird und emotional gewertet wird. Auf dem Weg zum Hirn gibt es viele anatomische Stellen, an denen die Wirkstärke des Schmerzes moduliert wird. Bei der Entwicklung chronischer Schmerzen reagiert das Nervensystem derart, dass der menschliche Körper gegenüber Schmerzreizen überempfindlich wird und so z. B. Berührungen, welche üblicherweise nicht als schmerzhaft wahrgenommen, plötzlich aber als schmerzhaft empfunden werden. Eine solche Überempfindlichkeit kann bei gesunden Probanden durch die Gabe spezieller Medikamente innerhalb von bereits 30 Minuten experimentell provoziert werden. Komplizierend kommt hinzu, dass ein- und derselbe Schmerzreiz durch unser Gehirn sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, abhängig von der bio-psycho-sozialen Situation, in der wir uns gerade befinden.

Somit haben Schmerzen immer einen Einfluss auf unsere Psyche, umgekehrt beeinflussen psycho-soziale Umstände immer und bei jedem Menschen das Schmerzerleben. Es ist ein grosses (therapeutisches) Problem, dass viele Patienten diesem wissenschaftlich bewiesenen Ansatz gegenüber verschlossen oder gar ablehnend bleiben.

«Eine ganzheitliche Beurteilung des Schmerzpatienten mit Einbezug des bio-psycho-sozialen Umfeldes ist unabdingbar.»

PD Dr. Wilhelm Ruppen

Spannend auch die Ergebnisse moderner funktioneller Hirnforschung: (Psycho-)sozialer Schmerz wird im Hirn in denselben Zentren verarbeitet wie somatische Schmerzen. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass Schmerztherapie nie nur auf den somatischen Teil ausgerichtet sein darf. Eine ausschliesslich somatische Therapie v. a. chronischer Schmerzen wird dem Patienten nicht gerecht werden und kann mitunter sogar mit einer Schmerzzunahme verbunden und somit gefährlich sein.

Langer Rede kurzer Sinn: Bei der Schmerzchronifizierung handelt es sich um eine äusserst komplexe Erkrankung des nervalen Schmerzleitungssystems. Somit wird auch klar, weshalb ein Skalpell, eine Tablette oder eine Spritze als alleinige Massnahme chronische Schmerzen äusserst selten zu lindern vermag. Aus all dem Gesagten folgt, dass komplexe Schmerzpatienten einen psychosomatischen und interdisziplinären, multiprofessionellen Ansatz erforderlich machen.

Die Schmerzabteilung am Universitätsspital Basel

Das Schmerzteam setzt sich aus einem Sekretariat (170 Stellenprozente), einem Ärztinnen- und Ärzteteam (aktuell ca. 260 %) sowie dem auf Schmerztherapie spezialisierten Acute Pain Service-Pflegeteam (230 %) zusammen und ist Teil der Anästhesiologie.

In der Schmerzabteilung der Anästhesiologie werden sowohl stationäre wie auch ambulante Patientinnen und Patienten behandelt, wobei die ambulante Weiterbetreuung oft eine Fortsetzung der unter stationären Bedingungen begonnenen Schmerztherapie darstellt. 

Pro Jahr werden über 1400 stationäre Schmerzpatientinnen und -patienten betreut, die meisten davon postoperativ nach einem schmerzhaften chirurgischen Eingriff. Mitbedingt durch den Aufbau des Tumorzentrums am Unispital sind die Patientinnenzahlen im onkologischen Bereich dieses Jahr um ein Drittel gestiegen. Auch Kinder und Jugendliche werden in Zusammenarbeit mit dem UKBB gemeinsam mit Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern behandelt. 

Unsere Schmerztherapeutinnen und -therapeuten sind in minimalinvasiver, interventioneller Schmerztherapie ausgebildet, verfügen aber auch über eine profunde Expertise in der differenzierten und komplexen medikamentösen Analgesie, so dass bei komplexen Schmerzsituationen ideale medikamentöse Kombinationen und Applikationsarten eingesetzt werden.


Bei der minimalinvasiven Schmerztherapie werden Injektionen und Infiltrationen Ultraschall- oder BV-gesteuert durchgeführt. 

Patienten können jederzeit mittels E-Konsil angemeldet werden. Bei komplexer Vorgeschichte und langanhaltenden
Schmerzen ist es ratsam, ein geplantes Erstkonsilium mit insgesamt zwei Stunden Konsultationszeit zu planen.

  • E-Konsil
  • E-Mail: schmerztherapie@usb.ch
  • Fax: 061 265 57 20
  • Telefonischer Kontakt bei Rückfragen: intern 87037, extern 061 265 40 37

Ein Beispiel aus der Praxis

Unlängst wurde in der Schmerzabteilung am USB ein 60-jähriger Patient behandelt, der nicht mehr schlafen, weder stehen noch sitzen konnte und die Mahlzeiten auf allen Vieren kniend einnahm. Er litt an einem metastasierenden Blasentumor, der im Becken gleich mehrere Nerven komprimierte und zerstörte, sodass es zu massivsten und unerträglichen Schmerzen kam. Da konservative Methoden keine Linderung herbeiführten, wurde durch die Schmerztherapeuten der Anästhesie ein Katheter mit der Möglichkeit zur direkten Applikation von Medikamenten mit Wirkung am Rückenmark eingelegt, sodass der Patient wieder sitzen, laufen und sogar Auto fahren konnte. Er lebte noch elf Monate und zwei Wochen und war bis zu seinem Tod quasi schmerzfrei.

«Auch schwerste Tumorschmerzen sind allermeist therapierbar.»

PD Dr. Wilhelm Ruppen

Bei diesem Patienten handelt es sich leider nicht um ein Einzelschicksal, denn rund 75 % der Tumorpatienten haben Schmerzen, 20 % leiden gar an sehr starken Schmerzen. Dass solche Zahlen insbesondere den an einem Tumor erkrankten Patienten grosse Angst einflössen, ist verständlich. Oft wird zudem eine Zunahme der Schmerzen im Krankheitsverlauf mit einem Fortschreiten des Malignoms gleichgesetzt, was nicht zwingend zutreffend ist. Die gute Nachricht dabei ist aber, dass eine gute und effiziente Schmerztherapie allermeist möglich ist, wie das einleitend erwähnte Beispiel auf eindrucksvolle Art und Weise zeigt.

Studien neueren Datums zeigen sogar, dass eine frühzeitige, gute Schmerztherapie und palliative Versorgung des Patienten a) das Leben verlängert, b) die Lebensqualität steigert und c) erst noch weniger kostet. Erstaunlich, was zielgerichtete und kompetente Schmerztherapie zu leisten vermag! 


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