Editorial

«zusammen» ist ein Bindewort ...

… ein wunderbar verbindendes Wort, das bedeutsamer denn je ist. Zusammenhalten ist angesagt. Wie es mit dem USB nach dem Nein zur Spitalfusion weitergeht, dazu äussert sich Spitaldirektor Dr. Werner Kübler. Ganz schön viel kommt in der Frühlings-Gazzetta zusammen. Wir berichten über die Zusammenführung unserer beiden Intensivstationen. Dann blicken wir auf das multidisziplinäre Angebot des Wirbelsäulenzentrums im Beitrag «Zusammengerückt für den Rücken». Zusammenhalt erst recht. Das gilt auch für ein Ehepaar – beide im USB seit vielen Jahren tätig – auf ihrer spektakulären Veloroute durch 14 Länder. In «zweiseitig» lernen Sie zwei Mitarbeiterinnen kennen, die nicht nur auf dem Bild zusammengefunden haben. «Zufall trifft Ada» – welche Geschichte eines Zusammenkommens sich dahinter verbirgt, auch das ist bemerkenswert. Nicht zu vergessen zwei Seiten einer Patientin, in deren jungem Leben schon so viel Schmerzendes zusammengekommen ist. Abgerundet wird diese Gazzetta mit der Kurzreportage über freiwillige Mitarbeitende in einem Sondereinsatz – ein eingespieltes Zusammenwirken auch da.

Fasst man all dies zusammen, ist offensichtlich: Alleingänge sind nicht mehr gefragt. Wie viel besser fühlt es sich an, zusammen unterwegs zu sein. Sinnigerweise kommt das Wort «zusammen» von «saman» (althochdeutsch): sammeln, der Samen, säen. Dem ist nichts hinzuzufügen.


Ihre Gina Hillbert


Farben

meines Lebens

Die talentierte Patientin mit dem Leiter Wirbelsäulenzentrum und Chefarzt Spinale Chirurgie, Prof. Stefan Schären

Die talentierte Patientin mit dem Leiter Wirbelsäulenzentrum und Chefarzt Spinale Chirurgie, Prof. Stefan Schären

Hannah Hommel (19), in Luxemburg zu Hause, ist Patientin des Wirbelsäulenzentrums. Solange ihre Erinnerung reicht, hat sie Rückenschmerzen. Ihr junges Leben wird zum Überleben. Die Geschichte ihrer schmerzgezeichneten Krankheit ist kaum nachzuempfinden, jedoch begreifbarer, wenn man vor ihren Bildern steht.

Ich kann mich an keinen schmerzfreien Tag erinnern. Bereits im Vorkindergarten verspürte ich Schmerzen im unteren Rücken, die bis in die Beine und in die Rippen ausstrahlten. Ich gehörte zu den Kindern, die Unwohlsein hinnahmen und es nur nebenbei erwähnen. Die Schmerzen traten jedoch immer öfter auf und wurden stärker. Über die Jahre blieben die Schmerzen meine ständigen Begleiter.


Kein Arzt hat auf meine Beschwerden hin es über all die Jahre für nötig gehalten, mich einfach einmal zu röntgen. Als sich die Probleme und Symptome Anfang 2014 massiv verstärkten, kam man nicht mehr ums Röntgen herum. Bei mir wurde mit 15 Jahren dann ein für mein Alter seltenes Wirbelgleiten diagnostiziert. Ich stand sogar kurz vor der Querschnittslähmung. Man musste mich schnellstens operieren, allerdings war für diesen Eingriff ein spezialisiertes Wirbelsäulenzentrum im Ausland gefordert.


Nicht leben, sondern überleben
Es sollte nur bei einer Operation bleiben, jedoch fing danach nicht das Leben, sondern das Überleben an. Es hatten sich Staphylokokken in meiner Lendenwirbelsäule eingenistet, die allerdings über Monate unerkannt blieben. Kein Arzt nahm meine höllischen Schmerzen ernst. Ich wäre um ein Haar an der tödlichen Infektion gestorben. In letzter Minute wurde ich notoperiert. Meine Lendenwirbelsäule schwamm wortwörtlich in Eiter, so die Aussage des Chirurgen.


Über die Jahre musste ich in Deutschland und in der Schweiz mehrere grosse Wirbelsäulenoperationen über mich ergehen lassen. Ich wurde zur Schmerzpatientin. Opiate sind meine ständigen Begleiter. Seit 2014 kann ich die Schule nicht mehr besuchen. Der Verlust meiner Freunde und meiner Jugend machte mir zudem sehr zu schaffen. Jeder fing an, sich von mir zu distanzieren. Irgendwie schien ich nicht mehr in ihre jugendliche Welt zu passen.


Die Spitäler wurden zu meinem neuen Zuhause. 2017 wurde ich von einem Spital in Deutschland dem Universitäts-Kinderspital beider Basel zugewiesen, wo eine weitere Operation auf mich wartete. Ende 2017 wurde ich dann Patientin im USB, wo Ende Februar 2018 meine Wirbelsäule wieder ganz neu aufgerichtet und fixiert worden ist.


Unverständnis hat mich zur Kunst gebracht
Auch die Depression liess nicht lange auf sich warten. Sie raubte mir jegliche Hoffnung. Da kein Arzt meine Schmerzen ernst nahm und viele Bekannte meine Gefühlslage einfach nicht verstanden, begann ich, meine Gedanken und vor allem den Schmerz in Bildern festzuhalten. Die Aussage: «Hannah, du schaffst das, du bist stark!» hat mich zur Kunst gebracht. Obwohl diese Worte nett gemeint sind, haben sie mich doch emotional negativ verändert. Mit der Zeit dachte ich, ich müsse stark sein und ich dürfte keine Schwäche mehr zeigen, da dies jeder verlangen würde. Weil ich meine Emotionen nicht mehr aussprach, musste ich ein anderes Ventil finden. So öffnete sich für mich ein neues Portal: die Kunst.


Das Malen und ich

Schnell habe ich gemerkt, dass es ein schönes Gefühl ist, meine Gedanken und meinen Schmerz bildlich in den Händen halten zu können. Deswegen stellte ich mir die Frage, wie ich es schaffen könnte, dem Betrachtenden auf einfachem Weg einen Teil meiner Geschichte zu übermitteln. So entstanden über die vergangenen fünf Jahre zahlreiche Werke, die mit meiner Krankengeschichte in Verbindung stehen.

Die Kunst hat sich zur Schmerztherapie entwickelt. Ich habe schnell gemerkt, dass es dabei nur auf die Komposition und Kommunikation zwischen mir als Malender und Leinwand, Papier, Pinsel und Farbe ankommt und es egal ist, was oder wie man seine Gedanken zum Leben erweckt. Ich habe schnell wahrgenommen, dass ich nicht nur den Schmerz, sondern auch das Positive auf die Leinwand bringen kann. Das Führen des Pinsels und das Beobachten der Entstehung des Bildes geben mir die innere Ruhe und Ausgeglichenheit zurück, die bei strapaziösen Situationen immer wieder abhandenkommen.

Vom inneren Impuls geführt
Beim Malen und Zeichnen breitet sich ein unbeschwertes Gefühl in mir aus. Allerdings muss ich den Impuls innerlich spüren. Dieser Impuls entsteht durch Situationen, die mich gefühlsmässig berühren und mich dann zum Malen inspirieren.


In der Ausstellung im Universitätsspital Basel stelle ich die Bilder aus, die mich am meisten emotional mit meiner Geschichte verbinden. Einige Bilder repräsentieren natürlich den Schmerz, andere wiederum die Geborgenheit, den Schutz, die Liebe, die Verbundenheit, das Freisein, die Hoffnung, den Willen und die Kraft. Und ich zeige auch anatomische Bilder, die einen Hang zur Spiritualität zeigen.


Die Kunst hat mir eine neue Welt gezeigt, in der alle Emotionen sowie der Schmerz ihren Platz finden können. Für mich hat sich ein neues Portal geöffnet. Ein Portal zu einem Ort, an dem ich all das, was mir auf der Seele liegt, frei rauslassen darf. Ich bin sehr froh, dass ich zur Kunst gefunden habe, da sie einen grossen Teil zu meiner seelischen Heilung beiträgt.

AUFGESTELLT – AUSGESTELLT
Die Ausstellungsreihe des Universitätsspitals Basel zeigt vom 11. April bis 10. Mai 2019:

Hannah Hommel – «Farben meines Lebens» Universitätsspital Basel, Eingangshalle Klinikum 1, Spitalstrasse 21.


Im Rahmen dieser Ausstellungsreihe stehen Patientinnen und Patienten mit ihrem Talent und ihren aussergewöhnlichen Leistungen im Mittelpunkt. Die Krankheit rückt damit sozusagen hinter die Leinwand.



Kommentare (0)

Keine Kommentare zu diesem Artikel vorhanden. Sei die/der Erste, der diesen Artikel kommentiert.



Keine Ausgabe verpassen –
Erinnerungsservice abonnieren!