Tanja Steiger

«Die Entscheidung zur Organspende hat viel mit Kommunikation zu tun.»

Gemeinsam mit drei Kollegen organisiert und koordiniert Patricia François alle Prozesse, die zu einer Organtransplantation gehören. Das Team am Universitätsspital Basel ist an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden verfügbar – es ist Anlaufstelle für Swisstransplant, wenn zum Beispiel eine Spenderniere verfügbar ist, und zeichnet für deren Weg bis hin zum Empfänger oder zur Empfängerin im OP in Basel verantwortlich.

«Durch die vielen Kampagnen des BAG und von Swisstransplant der letzten Jahre sind die Spenderzahlen leicht angestiegen. Trotzdem müssen viele sehr lange auf ein Spenderorgan warten», berichtet Patricia François. Wieso werden nicht mehr Organe gespendet? Ein Faktor ist, dass der eigene Tod ein Thema ist, mit dem sich viele Menschen zu Lebzeiten nicht auseinandersetzen möchten. «Das Wichtigste ist, dass man in der Familie darüber spricht, auch über die Generationen hinweg, sodass man den Wunsch der anderen zum Thema Organspende kennt.» Patricia François weiss, dass viele Ängste auch damit zusammenhängen, dass zu wenig über die Prozesse im Spital bekannt ist. Transparente Kommunikation findet sie bei diesem Thema etwas vom Wichtigsten – dazu trägt auch der Cube bei, der seit ein paar Monaten im Unispital steht.

Ein starkes Team mit seinem Leiter (von links): Patricia Francois | Transplantationskoordinatorin, Prof. Jürg Steiger | Chefarzt Transplantationsimmunologie und Nephrologie, Tobias Kunz | Transplantationskoordinator, Jan Sprachta | Leiter Transplantationskoordination

Ein starkes Team mit seinem Leiter (von links): Patricia Francois | Transplantationskoordinatorin, Prof. Jürg Steiger | Chefarzt Transplantationsimmunologie und Nephrologie, Tobias Kunz | Transplantationskoordinator, Jan Sprachta | Leiter Transplantationskoordination

Der Cube: Registrierung für die Organspende einfach gemacht
Der Cube ist eine Stele mit eingelassenem Tablet, wo sich Interessierte online im Spendenregister von Swisstransplant eintragen können. Seit wenigen Monaten gehört der Cube zum Eingangsbereich des Klinikums 1 und hat bereits für positive Reaktionen gesorgt. «Ich habe schon begeisterte Mails erhalten, wie einfach die Registrierung mit dem Cube funktioniere», erzählt Patricia François. «Er ist die moderne Variante des Spenderausweises im Kartenformat, den viele im Portemonnaie tragen.» Ebenfalls hilfreich ist, dass nach dem Eintrag via Cube direkt eine Info-Mail an Angehörige geschickt werden kann – so werden die Liebsten über die eigenen Wünsche informiert und wichtige Diskussionen angestossen.

Transplantationskoordinatorin – ein Traumjob?
Bei dieser Frage lacht Patricia François. Und wird gleich wieder ernst: «Ich könnte mir keinen Job vorstellen, den ich lieber machen würde. Für mich stimmt bei dieser Arbeit alles: Sie ist spannend, abwechslungsreich und ich kann mich voll einbringen. Ich identifiziere mich sehr mit meiner Arbeit – auch in der Freizeit.» Letzteres äussert sich in den vielen spontanen Einsätzen, die sie genau wie ihre Teamkollegen regelmässig absolviert. «Wenn uns ein Spenderorgan zugeteilt wird, arbeiten wir nach einem Tag im Büro oft auch noch die ganze Nacht – oder lösen uns danach gegenseitig spontan ab.» Es kommt auch vor, dass während des Bereitschaftsdienstes um drei Uhr nachts ihr Telefon wegen einer Organspende klingelt. «Dann stehe ich auf, schalte meinen Laptop an, logge mich bei Swisstransplant ein und fange sofort an, alles zu organisieren. » Verständlich, dass Patricia François mehrfach das Wort «Flexibilität» nennt, wenn man sie nach Voraussetzungen für ihren Beruf fragt – aber immer mit viel Enthusiasmus. Besser im Team und noch besser im Netzwerk Die Transplantationskoordination wird von Jan Sprachta geleitet. Alle vier Mitarbeitenden verbindet eine grosse Hingabe an ihre Arbeit – man spürt schnell, dass hier viel Leidenschaft für den Beruf da ist. Jan Sprachta und Patricia François arbeiteten bereits zuvor mehrere Jahre gemeinsam auf der Intensivstation des Universitätsspitals. Die grosse Verantwortung, die sie jeden Tag bei ihrer Arbeit tragen, ist für sie Alltag – Gewissenhaftigkeit hat dabei oberste Priorität: «Wir haben sehr gut gegliederte Prozesse mit passenden Checklisten, die uns dabei helfen, Fehler zu vermeiden», so Jan Sprachta. Genauso wichtig dabei ist Teamarbeit: Sehr oft wird Hand in Hand gearbeitet und jeder und jede kann sich auf die andern verlassen. «Grosse Unterstützung bietet uns auch das Organspende Netzwerk Schweiz-Mitte, das vor knapp vier Jahren gegründet wurde», erklärt Jan Sprachta, der gleichzeitig auch Koordinator des Netzwerks ist. «Die Zusammenarbeit mit den anderen Spitälern gestaltet sich so noch reibungsloser.»

Traurige Momente …
Die Arbeit im Transplantationszentrum hält auch schwierige Situationen bereit: Zum Beispiel, wenn für eine Person kein passendes Spenderorgan gefunden werden kann oder wenn sich die Qualität einer angebotenen Niere als zu schlecht entpuppt. Eine besonders tragische Situation erlebte Patricia François vor ein paar Jahren: «Bei einer Organentnahme im OP erkannte ich den Spender – er hatte vor ein paar Jahren selber eine Niere erhalten und ich hatte diese Lebendtransplantation koordiniert. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn so schnell wiedersehe … Das war sehr schwer für mich.»

… und schöne Momente
Ihre positive Energie holt sich die Transplantationskoordinatorin in den vielen wertvollen Augenblicken, in denen der Kontakt mit Angehörigen oder Organempfängern und -empfängerinnen zu etwas ganz Besonderem wird. Zum Beispiel dann, wenn sie von Patienten, die sich nach der Transplantation erholen, in tiefgründige Gespräche über das Leben, den Tod und ihre Gefühle verwickelt wird. Oder wenn sie einen der vielen Dankesbriefe liest, die sie anonymisiert an Spender und Spenderinnen weiterleitet. «Wenn wir diese Briefe bekommen, das ist für uns der Moment, wo wir denken, toll, das war es wert, das haben wir gut hinbekommen», stimmt auch Jan Sprachta zu.

Neues Gesetz für mehr Organspenden
Dass Patricia François selber Organspenderin ist, versteht sich von selbst. Sie hat dafür ihre ganz eigene Argumentation: «Ich stelle mir vor, dass dann ein gewisser Teil von mir noch lebt, obwohl ich tot bin. Somit helfe ich jemandem indirekt, weiterzuleben, Schönes zu erleben und Erfahrungen zu machen, die er sonst nicht gemacht hätte.» Sie und ihr Kollege Jan Sprachta setzen grosse Hoffnungen auf den Systemwechsel, der durch die Revision des Transplantationsgesetzes in der Schweiz schon bald stattfinden könnte. Geplant ist ein Wechsel von der Zustimmungs- zur erweiterten Widerspruchslösung: Wer nach seinem Tod keine Organe spenden will, müsste sich in Zukunft explizit dagegen aussprechen. «Im Moment ist es so, dass viele Angehörige aus Angst, etwas Falsches zu tun, eine Organspende ablehnen», erzählt Patricia François – das wäre mit der neuen Gesetzgebung kein Thema mehr. Grundsätzlich wünscht sie sich, ihre Arbeit noch lange so ausführen zu können wie bisher; in diesem tollen Team, in dem sich alle zu hundert Prozent aufeinander verlassen können. Also wirklich ein Traumjob? «Ja, ich habe einen Traumjob – nur wenn ich nachts um drei Uhr vom Telefon geweckt werde, finde ich das ein klitzekleines Bisschen weniger», lacht sie.

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