Text von Martina Rutschmann

Zwei Männer unter Strom

Nach fast einem halben Jahrhundert wurden die Notstromgeneratoren des USB durch eine komplexe Anlage ersetzt. Wir haben den Test begleitet und einen Blick hinter die Kulissen geworfen.

Die Vorfreude ist riesig. Der Respekt auch. «Wir sind optimistisch, dass alles nach Plan läuft», sagt Alex Hess, Projektleiter Elektrotechnik im USB, im Februar 2021. Zusammen mit seinem Chef Alessandro Cerminara, Leiter Gebäude- und Energietechnik, steht Hess vor vier Containern. Sie nehmen eine Fläche von rund 240 Quadratmetern ein. Fünf Jahre schwitzen, hirnen und planen liegen hinter den Männern. Das Resultat ist eine neue Notstromversorgung. Sie ist Teil des Masterplans Energie, zu dem auch die Kälteversorgung gehört. Der Endspurt steht noch bevor: Nach zahlreichen Teiltests wird am 23. April in einer gross angelegten Übung mit bis zu 100 Beteiligten geprüft, ob die Notstromversorgungsanlage im Ernstfall wie vorgesehen funktioniert. Erstmals werden die IWB den Strom kappen – und die Anlage wird ganz auf sich allein gestellt sein. Anders als im Ernstfall könnten die IWB allerdings eingreifen. Trotzdem: Erst nach dem ultimativen Test werden Cerminara und Hess wieder richtig gut schlafen können.

15 Sekunden, 72 Stunden
Wir sind an der Hebelstrasse vor dem USB-Restaurant Centro. Nur einer Handvoll Fachleuten ist es erlaubt, die Container zu betreten. Zu viel steht auf dem Spiel. Hess und Cerminara gehören zu neun Mitarbeitenden, die Zutritt haben. Drei der Container sind – unterteilt in je drei Räume – identisch ausgestattet: Es befinden sich ein mit 2000 Litern Diesel gefüllter Tagestank darin, ein digitales Steuerteil und die Netzersatzanlage selber. Der vierte Container steht den anderen drei gegenüber und ist mit Infrastruktur eingerichtet, die an Schliessfächer an einem Bahnhof erinnert. Mit dem Unterschied, dass jedes Kästchen mit einem gelben Kleber versehen ist, der mit einem Blitz vor elektrischer Spannung warnt. Konkret handelt es sich um eine elektrische Mittelspannungsschaltanlage, also um eine zentrale Ansammlung von Leistungsschaltern, Sicherungen und Schaltern. Sollte es im USB aus irgendeinem Grund zu einem Stromausfall kommen, würden diese vier Container dafür sorgen, dass das gesamte Areal nach maximal 15 Sekunden wieder versorgt wäre. Ohne auch nur einmal Diesel nachfüllen zu müssen, wären 72 Stunden Notstrom garantiert. Würde der Treibstoff regelmässig nachgefüllt, könnte die Anlage das Areal theoretisch ewig mit Strom versorgen. Da kann man sich fragen: Und wie war das, bevor die neue Anlage gebaut wurde?

Die Stromversorgung auf dem Campus war schon davor garantiert. Bloss war
die Leistung der Anlage aus dem Jahr 1975 kleiner und der Austausch unter den einzelnen Anlagen schlechter. Früher gab es fünf Notstromaggregate, die je für einen Bereich des Areals zuständig waren. Es war nicht möglich, Strom von einer dieser «Inseln» für einen nicht für sie vorgesehenen Bereich zu beziehen. Die Aggregate funktionierten unabhängig voneinander, waren also nicht vernetzt. Ausserdem war die Anlage nicht imstande, alle Bereiche mit Notstrom zu versorgen, sondern nur 60 Prozent. Die neue Anlage bedient das gesamte Areal und weiss, wo wie viel Strom benötigt wird. Entsprechend versorgt sie die Gebäude oder Abteilungen dann damit. Die Operationssäle und die Intensivstation verfügen zusätzlich über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. Anders als beispielsweise in den Büros bekämen die Menschen im OP oder auf der Intensivstation daher nichts von einem allfälligen Stromausfall mit.

Container auf dem Dach

Die Entscheidung, welche Anlage es sein soll, haben die Verantwortlichen gefällt, nachdem sie die betreffende Anlage in einem Chemie-Unternehmen begutachtet hatten. Die baulichen Massnahmen wurden problemlos durchgewinkt. «Selbst als die Hebelstrasse wochenlang gesperrt war, bekamen wir keine Reklamationen», sagt Hess. Die Anwohner müssen nun für die kommenden paar Jahre mit dem Anblick der grauen Containerriesen leben. Sobald das Klinikum 3 steht, werden diese per Kran auf das Dach des Gebäudes gezügelt.

Ein Monat später: Der Test ist gut gelaufen, hat aber kleine Schwachstellen der neuen Anlage aufgedeckt. Diese wurden umgehend behoben. Die neuen Notstromgeneratoren sind für den Ernstfall bereit. Cerminara und Hess sind froh, das «hochkomplexe Riesenprojekt» zu Ende geführt zu haben.

Der Notstromtest vom 23. April 2021 im Video

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