Text von Annick Wangler

Ich habe auf «meine Lüüt» gehört

Marcel Hentz hat die Predigerkirche zu einem Testzentrum umfunktioniert. Danach aus einem Kiosk eine Teststation gemacht und daraufhin gleich noch die ehemalige Schwimmhalle umbauen lassen. Ende Juli hat Marcel Hentz seinen Job als Stabschef der Covid-Taskforce abgegeben und arbeitet nun als Leiter Zentrale Temporär Personal ZTP und Kapazitätenmanagement am USB. Zuvor war er als Soldat in Afghanistan und hat dort sowohl in der Notaufnahme im Feldlazarett als auch auf der Intensivstation und im Rettungsdienst gearbeitet. Marcel Hentz ist Krisen gewohnt

Marcel Hentz, wie macht man in zwei Wochen aus der Predigerkirche ein Testzentrum?

Das ist alles sehr schnell gegangen. Würden wir dagegen unter normalen Umständen eine Abteilung umstrukturieren und es braucht neues Mobiliar, Computer, Arbeitsplätze und noch eine Softwarelösung für die Schnellaufnahme der Patientinnen und Patienten, dann dauert das Monate.

Warum hat es denn so schnell funktioniert?

Weil alle mitgezogen haben. Covid hatte für alle höchste Priorität. Was in einem normalen Betrieb natürlich nicht so einfach geht. Was aber auch sehr viel dazu beigetragen hat: Die Kultur am USB ist ja hier und da so ein bisschen ein «Gärtlidenken», wenn ich das so sagen darf. Und das war auf einmal weg. Alle Zäune waren eingerissen. Und alle haben versucht, etwas beizutragen. Es war teilweise schon fast so, dass man Leute zurückhalten musste.

Dann nehmen Sie den Zusammenhalt als eines der positivsten Erlebnisse aus Ihren rund 18 Monaten als Covid-Taskforce-Stabschef mit?

Puh. Schwierig. Es sind eigentlich drei Dinge. Zum einen durfte ich erleben, dass so eine grosse Institution wie das USB, von der man denkt, sie sei schwerfällig, auf einmal wahnsinnig schnell, wahnsinnig effizient und wahnsinnig gut funktioniert hat.

Zum anderen habe ich quasi in alle Führungsebenen am USB auf einmal reinschnuppern und über den Tellerrand schauen können. Gleichzeitig hatte ich aber auch das Gefühl: Meine Expertise ist gefragt.

Und das Dritte: Ich war erstaunt über mich selbst. Wenn ich an meine Vorgeschichte in Afghanistan denke, hätte ich nicht gedacht, dass ich nochmals in so eine Krisen-Lage komme. Und dass ich da so viel beitragen kann. Bei mir sind in der Zeit als Stabschef gefühlt alle Fäden am USB zusammengelaufen. Und ich habe alles irgendwie hingekriegt, ohne dass es einen Knoten gab.

Diese Einschätzung scheint mir treffend. Als ich Kolleginnen und Kollegen erzählte, ich würde ein Interview mit Ihnen machen, gab es viel Lob für Sie. Sie hätten so vieles gut gemacht. Und …

… kommt jetzt ein Aber (lacht)?

Nein! Aber ich möchte wissen, wie Sie das geschafft haben?

Also ich glaube, da half meine Erfahrung in Afghanistan. Ab meinem zweiten Einsatz hatte ich die Führungsverantwortung über 60 Personen. Dabei habe ich gemerkt, dass es ganz ganz wichtig ist, auf seine Leute zu hören. Und das mag jetzt vielleicht anmassend klingen, aber für mich waren dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des USB in dem Moment «meine Lüüt». Ich war ständig im Haus unterwegs und suchte den Kontakt vor Ort. Ich habe getröstet, beruhigt und die Sorgen der Leute in die Taskforce gebracht. Zum Beispiel die Limite bei den Besucherinnen und Besuchern. Die Mitarbeitenden hatten keine Zeit, die Regeln immer und immer wieder zu erklären. Darum wurde dann der Sicherheitsdienst an den Eingängen positioniert. Und wir haben unseren Kolleginnen und Kollegen immer wieder Danke gesagt. Danke dafür, dass sie ihren Einsatz trotz aller Widrigkeiten leisten.

Kann man sagen, heute hat man die Situation besser im Griff ?

Definitiv! Zum einen gibt es heute die Impfung. Damit kriegt man das Problem gelöst. Und wir verfügen heute über Eskalationskonzepte. Zum Beispiel wissen wir jetzt, wie man eine Kohorten-Station aufbaut. Wir haben unsere Lehren gezogen. Darum bin ich auch zum ZTP und Kapazitätenmanagement gewechselt.

Das heisst?

Die Krise hat vor allem eine Frage in den Vordergrund gestellt: Wie gehen wir am USB mit den vorhandenen Ressourcen um? Seien das Betten, OPs oder vor allem die Mitarbeitenden. Das hat mich auch motiviert, die neue Stelle anzutreten. Weil ich eben in vielen Bereichen ganz genau hinschauen konnte, habe ich, glaube ich, ein gutes Gefühl dafür entwickelt, was das Haus bräuchte. Vielleicht eine übergeordnete Koordination, um die vorhandenen Mittel noch zielgerichteter einzusetzen. Immer, nicht nur während einer Pandemie.

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