Editorial

Ich bin dann mal weg.

Nein, ich begehe keinen Pilgerweg, so wie es der Schöpfer dieses genialen Buchtitels getan hat, sondern verlasse diese Gazzetta-Ausgabe mittendrin für ein Verweilen in einer ganz anderen Welt. Loslassen ist nicht immer einfach. Das Pflichtbewusstsein weiss genau, wann es sich wieder melden muss. In dieser Stimmung begab sich auch das Team Tabora zum Einsatz in ein abgelegenes Gebiet Tansanias, um innert 14 Tagen 350 Kindern auf die Welt zu helfen. Welch‘ geburtshilfliches Kontrastprogramm! Aber lesen Sie selbst. Unsere berührende Titelgeschichte kann und darf einen nicht kalt lassen.

Für das neue Jahr möge Sie folgender Gedanke begleiten: Wenn wir gehen, um anzukommen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Ihnen allen (Be)rührendes und (Er)wärmendes wünschend

Ihre Gina Hillbert

Wie aus einer einmaligen Chance

ein echter Meilenstein wurde

Links: Dr. Serge Reichlin, Leiter Direktionsstab. Rechts: Verwaltungsratspräsident Robert-Jan Bumbacher

Links: Dr. Serge Reichlin, Leiter Direktionsstab. Rechts: Verwaltungsratspräsident Robert-Jan Bumbacher

Mitte September 2016 wurde kommuniziert, worüber ein Jahr lang spekuliert wurde. Auf Antrag der beiden Departementsvorsteher aus Basel-Landschaft und Basel-Stadt, Thomas Weber und Lukas Engelberger, haben die beiden Gesamtregierungen nicht nur entschieden, ihre Spitalplanung in Zukunft aufeinander abzustimmen, sondern auch, das Universitätsspital Basel (USB) und das Kantonsspital Baselland (KSBL) zusammenzuführen.

Ein Jahr lang hatten die beiden Verwaltungsratspräsidenten Zeit, einen Vorschlag für ein Zusammengehen der beiden Spitäler auszuarbeiten. Ein über 80-seitiges Papier, der sogenannte Grundlagenbericht, war das Ergebnis der sehr intensiven Zusammenarbeit. Das breit abgestützte Projektteam bestand aus einem Kernteam unter der Leitung der beiden Spitaldirektoren Jürg Aebi (KSBL) und Werner Kübler (USB) und verschiedenen Teilprojektteams.

In diesen Teilprojekten entwarfen die Leiter der Abteilungen, Kliniken und Bereiche aus den beiden Spitälern gemeinsam Varianten und erarbeiteten Potenziale eines sinnvollen Zusammengehens. Dazu gehörte neben IT, Logistik, Personal, Finanzen oder Strategie auch das Teilprojekt Medizinisch-Pflegerisch-Therapeutisches Konzept. Hier präsentierten die zuständigen Chefärztinnen und Chefärzte gemeinsam mit ihren Kollegen aus unserem Partnerspital Ideen und konkrete Vorschläge. Im Vordergrund standen die Chancen in der verbesserten Patientenversorgung und die Synergieeffekte, die durch ein Zusammenschliessen herausgearbeitet werden können.

Unser Verwaltungsratspräsident Robert-Jan Bumbacher (RJB) hat zusammen mit seinem Kollegen Werner Widmer aus dem KSBL die Arbeiten geleitet und überwacht. Serge Reichlin (SR), Leiter Direktionsstab des USB, verantwortete während dieser Zeit die Projektleitung zusammen mit seinem Kollegen Fernando Imhof aus dem KSBL. Wie sie die intensiven letzten 12 Monate erlebten, erzählen sie hier.

Das Interview

Erzählen Sie uns vom ersten gemeinsamen Treffen? Wie war die Stimmung?
RJB: Die Stimmung war auf jeden Fall gut und aufgeschlossen. Wir spürten, dass wir eine einmalige Chance haben, aber auch dass wir diese Chance ergreifen und realisieren mussten. Uns war natürlich auch klar, dass viel Arbeit auf die Mitarbeitenden in den Projekten zukommen würde und dass die Zeit knapp war.
Wovor hatten Sie am meisten Respekt, als Sie die Arbeit aufnahmen?
RJB: Wir wussten, dass dies ein komplexes und langes Projekt sein wird. Wie in jedem grossen Veränderungsprozess war uns auch bewusst, dass es kritische Stimmen geben würde wie: «Eine Zusammenführung geht sowieso nicht.» Auf der anderen Seite hörten wir vor allem von Mitarbeitenden aus den Spitälern: «Vielleicht geht es nicht, aber es wäre sinnvoll und richtig.» Aufgrund des Vorprojektes gingen wir davon aus, dass von einer Zusammenführung alle Beteiligten profitieren werden, von den Patientinnen und Patienten bis zu den Mitarbeitenden. Nun mussten wir nachprüfen, ob das auch stimmt. Der Grundlagenbericht gibt uns Recht.

«Es ist unglaublich, was im letzten Jahr erreicht wurde. Es ist zukunftsträchtig, nicht nur für unsere Region sondern für die gesamte Schweiz.»

Robert-Jan Bumbacher

Ist Ihnen bewusst, dass Sie einen Meilenstein erreicht haben?
RJB: Ja, aber das ist nebst den fundierten Projektergebnissen in erster Linie den beiden Regierungsräten zu verdanken. Sie haben entschieden, auf Behördenebene enger zusammenzuarbeiten und gemeinsam die Gesundheitsversorgung anzugehen. Es ist wirklich unglaublich, was im letzten Jahr erreicht wurde. Es ist zukunftsträchtig, nicht nur für unsere Region, sondern für die gesamte Schweiz.

SR: Den Meilenstein haben wir erreicht, weil viele Personen in den letzten Monaten unglaublich hart und neben ihrem normalen Pensum für das Projekt gearbeitet haben. Dabei habe ich bei allen viel Enthusiasmus und Begeisterung gespürt. Die meisten Mitarbeitenden sehen eine gemeinsame Spitalgruppe als sinnvolles Ziel. Daher engagieren sie sich auch dafür.
Warum hat es jetzt geklappt, und andere Anläufe in den letzten Jahren und Jahrzehnten haben es nicht geschafft?
RJB: Wie bereits gesagt, haben uns die beiden Regierungsräte Lukas Engelberger und Thomas Weber den Weg geebnet, indem sie einen grundlegenden Veränderungsprozess im Gesundheitswesen eingeleitet haben. Sie stehen voll hinter dem Projekt und treiben voran. Aus den Spitälern heraus fanden schon vorher Gespräche statt. Diese gingen schon sehr weit in die Tiefe. Denn wir haben beide erkannt, dass die medizinischen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen unsere beiden Spitäler heftig durchschütteln werden. Diese Herausforderungen sind schwieriger im Alleingang zu bewältigen. Ein gemeinsames Angehen würde deshalb Sinn machen. Aber ohne die beiden Regierungsräte wären wir niemals so rasch so weit gekommen.
Hatten Sie im letzten Jahr manchmal Zweifel, dass es doch nicht klappen könnte?
SR: Eigentlich nicht. Denn dass das Zusammengehen für alle Sinn macht, daran hatten wir nie Zweifel. Vor allem das Feedback der Chefärztinnen und Chefärzte hat uns in diesem Vorgehen bestärkt. Aber ich hatte manchmal schon schlaflose Nächte darüber, ob wir es tatsächlich bis im Herbst schaffen. Wir mussten ja den Bericht vorher abgestimmt für die beiden Regierungen bereitstellen. Dafür musste er sowohl vom Verwaltungsrat des KSBL als auch von unserem Verwaltungsrat genehmigt werden. Das war viel Arbeit und am Schluss natürlich die vielen Diskussionen um grössere und kleinere Formulierungen. Gefreut hat mich persönlich, dass wir immer einen konstruktiven Weg gefunden haben. Sogar, wenn wir nicht gleicher Meinung waren.

«Doch, das könnte wirklich hinhauen, das könnte klappen.»

Serge Reichlin

Wann genau wurde Ihnen bewusst, dass Sie den Meilenstein wirklich erreichen?
RJB: Der Termin war immer klar. Die Vorgabe der beiden Vorsteher lautete, dass wir innerhalb eines Jahres einen Vorschlag vorlegen würden. Dies war auch in unserem Interesse. Wir wissen, dass die politischen Entscheidungen über mehrere Instanzen gehen und entsprechend lange sind. Wir haben die einzelnen Teilprojektteams zusammengestellt und die Etappen abgesteckt. Wir haben uns nach jeder Etappe mit den beiden Regierungsräten und ihren Mitarbeitenden abgestimmt, um die Gewissheit zu haben, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

SR: Nach etwa Dreiviertel der Strecke haben wir gedacht: «Doch, das könnte wirklich hinhauen, das könnte klappen». Und dann kam der Endspurt. Wie immer liegt der Teufel im Detail. Und da musste am Ende noch viel ausdiskutiert und durchgerechnet werden. Aber wenn man an diesem Teil angekommen ist, hat man bereits die Hoffnung, dass die Gesamtregierung dahinter stehen könnte. Und so kam es dann auch.
Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie auf das letzte Jahr zurückblicken?
SR: Was mich sehr gefreut hat, war die Offenheit in der Kommunikation zwischen den involvierten Mitarbeitenden beider Spitäler. Diese wurde mit jedem Treffen transparenter und intensiver. Durch das gegenseitige Vertrauen konnten wir offen Ideen sammeln und diskutieren. Dies hat dazu geführt, dass wir nun ein gemeinsames Unternehmen präsentieren konnten, das einen Mehrwert für die Region, für die Bevölkerung, unsere Patienten und unsere Mitarbeitenden aufzeigt. Das halte ich für visionär.
Was ist Ihnen in der Zusammenarbeit mit dem KSBL wichtig?
RJB: Respekt. Die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus dem KSBL war konstruktiv, weil wir uns alle mit dem grösstmöglichen Respekt begegnet sind. Wir respektieren gegenseitig die hervorragende Leistung, die unsere Mitarbeitenden in den Spitälern tagtäglich für unsere Patientinnen und Patienten erbringen. Und wir respektieren auch, dass die Veränderungen nicht durch eine schlechte Leistung nötig werden, sondern durch Faktoren wie den medizinischen Fortschritt, den Tarifdruck und gesellschaftliche Veränderungen (z.B. Überalterung, Fachkräftemangel). Externe Faktoren haben dazu geführt, dass wir einen neuen gemeinsamen Weg suchen wollen. Ohne einen Zusammenschluss hätten beide Spitäler hohe Risiken im Hinblick beispielsweise auf Investitionen zu tragen.
Wie geht es nun weiter?
RJB: Das Ja der Gesamtregierungen von Basel-Landschaft und Basel-Stadt ist zwar ein erster Meilenstein, aber es ist nur eine von vielen Herausforderungen, die uns noch bevorstehen. Wir sind bereits daran, die nächste Phase auszuarbeiten. Denn wenn die gemeinsame Spitalgruppe auch von den Parlamenten und einer eventuellen Volksabstimmung angenommen wird, wollen wir sehr gut vorbereitet sein.

Daneben wird es bis dahin auch Bereiche geben, die wir zusammen angehen werden. Dazu gehören die Ophthalmologie, die hoch spezialisierten Eingriffe in der Viszeralchirurgie, die Orthopädie und die Rehabilitation. Diese vier Kooperationen werden in den nächsten ein bis zwei Jahren folgen.

SR: Ein grosser Schritt ist die gemeinsame Anstellung eines Programmleiters für die nun anstehenden Phasen. Michael Tschopp ist der erste Mitarbeiter der gemeinsamen Spitalgruppe und hat seine Arbeit Mitte Oktober 2016 aufgenommen. Er leitet das Programm Spitalgruppe einschliesslich Programm-Management-Office und koordiniert die Teilprojekte.

Robert-Jan Bumbacher, Verwaltungsratspräsident seit 1.1.2016

Lic. oec. HSG Robert-Jan Bumbacher ist seit 1.4.2013 Mitglied des USB-Verwaltungsrats und steht ihm seit Anfang 2016 als Präsident vor. Er ist selbstständiger Unternehmer und Geschäftsführer des Vereins Vorsorge Schweiz (VVS). Daneben hat er einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Der diplomierte Wirtschaftsprüfer war 20 Jahre bei Ernst & Young AG tätig. Robert-Jan Bumbacher ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Dr. Serge Reichlin, Direktionsstabsleiter USB seit 1.11.2012

Dr. med. Serge Reichlin, EMBA HSG, hat an der Universität Basel Medizin studiert und 1995 promoviert. 2009 erlangte er an der Universität St. Gallen (HSG) den Executive Master of Business Administration (EMBA). In den Jahren 2000 bis 2006 war Serge Reichlin als Oberarzt der Inneren Medizin am Universitätsspital Basel tätig. Anschliessend wechselte er als Leiter Health Innovation zur Firma Siemens Schweiz AG. Serge Reichlin ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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