Editorial

Vom Anschreiben

Neuerdings leide ich an Zettelallergie. Was so alles angeschrieben ist! Ich soll das Licht löschen, wenn ich den Raum verlasse, die leeren PET-Mineralwasserflaschen nicht zu den vollen stellen, das gebrauchte Geschirr nicht in die Spüle, sondern in der Geschirrwaschmaschine einordnen, die WC-Papierrolle gefälligst ersetzen, wenn das letzte Blatt gefallen ist. «Dauer des Wechsels max. 10 Sekunden», steht geschrieben. (Wetten, ich schaffe das in 8?).

Weshalb beginne ich auf diese und ähnliche Zettelbotschaften allergisch zu reagieren? Zettel sind doch etwas Nützliches: Einkaufszettel, Spickzettel, Handzettel, … oder die Zettelwirtschaft am Bildschirm mit Informationen, die ich mir partout nicht merken kann, mit Botschaften, die ich mir beim Schreiben immer wieder vor Augen führen möchte: «Fakten statt Floskeln». Bevor ich mich vollends in diesem Text verzettle, hier meine Erklärung: Mein Ärgernis ist, dass es offenbar Mitmenschen gibt, die einen Denkzettel brauchen für Selbstverständlichkeiten. Wie war das nochmal mit der Achtsamkeit? Nur maximal 10 Sekunden und die Welt ist ein bisschen besser. Ich wünsche Ihnen einen bunten Herbst, aber denken Sie daran, sollte das letzte Blatt fallen…

Ihre Gina Hillbert


Kunst im Spital

Im Spitalgarten: Die kubistische Daphne

von

Griechische Mythologie: Daphne, Bergnymphe und Priesterin, fühlt sich vom unsterblich verliebten Apollon bedrängt; ist von dessen Verfolgung derart erschöpft, dass sie um Verwandlung in einen Lorbeerbaum bittet. Auch die von Stein- und Bildhauer Louis Léon Weber 1956 geschaffene Daphne war in Basel auf der Flucht. Sie scheint jedoch im Spitalgarten vor Apollons Liebeswahn sicher.

Die «Daphne» ist die jüngste von drei Frauenskulpturen, die im Spitalgarten des Universitätsspitals Basel stehen. Sie gesellt sich zu Karl Gutknechts «Amadeus» beim Weiher vor dem Klinikum 1 Ost, der «Gebärenden» von Emil Knöll vor dem Klinikum 1 West. Die Bronzestatue der griechischen Bergnymphe und Priesterin «Daphne» steht seit einigen Jahren auf einem Granitsockel direkt am Gehweg zum Bettenhaus 3. Ursprünglich war sie für den Hof des Neubadschulhauses geschaffen worden, wo sie aber nur kurze Zeit gestanden ist. Sie war wohl einigen Bürgern – wegen ihrer Nacktheit – ein Dorn im Auge.

Der griechischen Mythologie zufolge war Daphne auf der Flucht vor dem liebesverrückten Apollon. Louis Webers «Daphne» scheint in Basel ein ähnliches Schicksal zu erleiden. Aus dem Neubadquartier verbannt, kam sie auf das ehemalige Kinderspitalareal an der Römergasse zur Ruhe. Nach der Aufhebung und Umgestaltung des alten Kinderspitals musste sie weichen, fand aber in unserem Spitalgarten retuschiert und konserviert eine neue Heimat.

Die derzeitigen Tunnel-Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe scheinen sie nicht zu erschüttern.

Der Künstler: Louis Léon Weber

* 13.04.1891 Burgfelden (Elsass) – † 30.10.1972 (Basel)
Holzschnitzer, Steinhauer, Bildhauer

Schulen in Basel; Beginn einer Holzschnitzerlehre, Zeichen- und Modellierkurs an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel; autodidaktische Ausbildung zum Stein- und Bildhauer. Gelegenheitsarbeiter und Lernender in Paris 1909 und 1911. Führt als Steinmetz Arbeiten der Bildhauer August Suter in Paris 1911 und Carl Burckhardt in Zürich ab 1912 aus. Aktivdienst als Füsilier während des Ersten Weltkriegs. Beginnt selber als Bildhauer in Basel Plastiken zu entwerfen und auszuführen. Findet mit seinen neuzeitlich-gegenständlichen Formen Anklang in der Öffentlichkeit. Erfolge bei Wettbewerben. Gelangt über kubistische Auffächerung zu abstrakten Formen. Bevorzugt den Stein, arbeitet aber auch mit anderen Materialien. Schafft verschiedene Werke, die in Basel, in anderen Schweizer Städten und in Baselland im öffentlichen Raum aufgestellt werden, z.B. Hochreliefmedaillon am Carl Spitteler-Denkmal in Bennwil und den Güggelbrunnen in Frenkendorf. Mitgründer der Künstlervereinigung Gruppe 33.

Auszüge aus Quelle: Birkhäuser, Kaspar: Das Personenlexikon des Kantons Basel-Landschaft. Liestal 1997.

Javier Ruiz, Sie sind auch für die Kunst im Unispital Basel zuständig. Wie wirkt die Bronzeskulptur auf Sie?

Sie ist wunderschön. Sie stellt die Verwandlung zum Lorbeerbaum dar. Wenn man Daphne genauer anschaut, wirkt sie zurückhaltend. Manchmal bin auch ich – wie viele Mitarbeitende – vor dem Alltag auf der Flucht und halte mich dann in diesem Teil des Gartens auf, um neue Energie zu sammeln. Das verbindet mich mit der Daphne. Ja, und den Apollon … ihn habe ich noch nirgends gesehen.










Downloads


Kommentare (0)

Keine Kommentare zu diesem Artikel vorhanden. Sei die/der Erste, der diesen Artikel kommentiert.



Keine Ausgabe verpassen –
Erinnerungsservice abonnieren!